Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Mittwoch, 24. Juli 2013

Coaching Zone: EM Schweden - Deutschland

 
Wir befinden uns im Halbfinale der Fußball EM 2013, Schweden gegen Deutschland, Topfavoritin gegen Topfavoritin aber natürlich will keine der Trainerinnen etwas von Favoritinnenrolle wissen. Schweden mit dem Heimvorteil und der bisherigen guten Form, Deutschland in der Titelverteidigerinnenrolle ohne eine bisherige gute Form. Entweder geht das DFB-Team genadenlos unter oder es wird spannend werden.

Aber bevor wir uns dem Spiel widmen, müssen wir uns noch den Standfußball aus München anschauen. Das Freundschaftsspiel Bayern gegen Barcelona beim ominösen "Uli-Hoeneß-Cup" (aka Geldwäscherei, um die Steuersünden wieder reinzuholen) könnte auch ein Futsal-Spiel in der Halle sein: alle mit hochrotem Kopf und höchstens zwei Ballkontakten. Das Spiel scheint für die Nation so interessant, dass das ZDF wirklich erst zum Anpfiff des Halbfinales der EM 2013 umschaltet. So ähnlich als hätte das ZDF bis zum Anpfiff von der Türschwelle Kates, Williams und neuerdings Georges berichtet.
Anpfiff also ohne Kommentar, Anja Mittag im Sturm für die angeschlagende Okoyino da Mbabi und die Devise: bloß kein frühes Tor kassieren. Schweden hat in der Vorrunde und im Viertelfinale überzeugt, Deutschland überhaupt nicht. Das Spiel geht zackig los, beide Teams mutig und druckvoll und offensiv ausgerichtet. Deutschland weitaus sicherer im Passspiel als zuvor und mit einigen guten Szenen im schwedischen Strafraum. Man merkt gleich in den ersten 20 Minuten, dass beide Teams mit offenen Karten spielen, beide unbedingt den ersten Treffer erzielen wollen und dadurch das Spiel schnell und spannend wird. Es gibt viele Szenen in den Strafräumen und eher wenig Mittelfeldgeplänkel und Rückpass-Stafetten.

Nach den ersten zwanzig Minuten wird das Spiel dann holpriger und es schleichen sich mehr und mehr Fehler ein. In der 21. Minute rennt Öqvist unbedrängt Richtung Tor, Bartusiak vergisst für einen Moment, dass sie in der Abwehr spielt und geht nicht drauf, aber der Schuß der Schwedin geht nur gegen das Außennetz. Die Fehler und unnötige Fehlpässe / Querschläger häufen sich besonders in der Innenverteidigung. Schweden kommt besser ins Spiel, die meisten Szenen gehören ihnen. In der 27. Minute kann Nadine Angerer, die im gesamten Spiel durch ihre Übersicht besticht, den Ball kurz vor dem Strafraum entschärfen.

In der 32. Minute wieder eine gute Kombination, wie vorher auch schon häufiger auf beiden Seiten gesehen: Keßler (starkes Spiel!) spielt links auf Mittag, die den Ball Richtung Marozsan durchsteckt. Marozsan kommt irgendwie mit dem kleinen Zeh noch an diesen Ball ran, der Ball rollt an der Torfrau vorbei und dann noch weitere gefühlte fünf Minuten bis in die rechte Ecke des Tors. 0 - 1 für das DFB-Team! Dzsenifer Marozsan überhaupt heute in einer formidablen Spiel-Stimmung, alles, was ihr in den vorherigen Spielen nicht gelang, das gelingt ihr heute.

Ein gleichmäßig offensives Spiel, ein Spiel "mit offenen Visieren". Ebenbürtig, gute Chancen auf beiden Seiten. Und spannend, äußerst spannend. Nach der Halbzeit erstmal die Schwedinnen, pressierend. Ihre Vorstöße scheitern aber spätestens an der geforderten und konzentrierten Nadine Angerer. Erst in der 60. Minute wieder eine Großchance für Deutschland: Marozsan mit dem Außenrist nach rechts zu Anja Mittag, die frei auf die Torfrau zuläuft, ihren Schuß aber nicht an ihr vorbei bringt.

Kurz danach, in der 62. Minute der Schock: Schelin kommt zum Schuß und der geht rein, aber nach dem ersten Jubel hört man den Pfiff der Schiedsrichterin. Abseits oder ein Foul an Annike Krahn? Am Ende ist es das Foul, gut zu sehen in der Wiederholung. Durchatmen auf der DFB-Bank. Eigentlich müsste sich das Team mit der knappen Führung mittlerweile eher defensiv aufstellen, die Außenverteidigerinnen gehen aber trotzdem immer wieder mit vor und hinterlassen tiefe Löcher in der Abwehr. In der 69. Minute kommt Öqvist über rechts und läuft Cramer einfach davon, keine der Innenverteidigerinnen geht rauf und mit Glück geht der Schuß nur an den Pfosten! In der 72. Minute kommt der Ball in den Strafraum, fällt herum, wieder geht niemand so richtig drauf und Nadine Angerer rettet die Führung durch ihren Einsatz.

Seit der 70. Minute kann man sagen, dass das DFB-Team wenig bis gar keine offensiven Aktionen zustande bringt, aber auch die Führung mangelhaft verteidigt. Ohne Nadine Angerer im Tor, die eine tolle Übersicht zeigt, in den richtigen Momenten raus kommt, überhaupt ein tolles Stellungsspiel zeigt - Nadine Angerer ist sicherlich eine der Garantinnen für den Einzug ins Finale. In der 82. Minute rettet sie wieder vor Lotta Schelin, weil sie die Übersicht behalten hatte.

Es kommen noch Leupolz für Lotzen und Schmidt für Marozsan und irgendwie bringt man das Ergebnis über die Zeit - aber nicht unverdient! Es war ein Spiel auf Augenhöhe, mit ausgeglichenen offensiven Aktionen, vielleicht auch ein Arbeitssieg, aber viel souveräner und sicherer als noch gegen Italien. Von der gesamten Vorrunde ganz zu schweigen. Dzsenifer Marozsan, die sich kontinuierlich während des Turniers gesteigert hat, hat auch in diesem Spiel mit großer Sicherheit überzeugt, mit vielen kreaktiven Spielzügen und einer guten Spielübersicht. Herausragend für uns natürlich Nadine Angerer, die immer wieder die Defensive sortierte und die Übersicht behielt, die gefährlichen Bälle raushaute. Und letztenendes auch wieder Nadine Keßler, die wie in allen Spielen zuvor die Bälle verteilte, die Abwehr entlastete und einen großen Teil des Pressings mitbestimmte.

Und am Ende dieses Spiels lässt sich wohl zu Dzsenifer Marozsan nichts mehr hinzufügen: "Entweder grätsch ich ihn rein oder ich lass es sein." Jawohl. 

1 Kommentar:

  1. Das war eine deutliche Steigerung, aber trotzdem noch Luft nach oben. Das Passspiel ist manchmal wirklich grauenhaft. Wenn man sich dagegen die Däninnen ansieht...

    Ich frage mich, warum Saskia Bartusiak immer so gelobt wird und auch noch Spielerin des Spiels wurde?!? Einmal hat sie zwar super geklärt, aber sie hat drei krasse Stellungsfehler gemacht, als sie nicht nach außen gegangen ist, sondern einfach in der Mitte stehen geblieben ist. Da hatte sie Glück, dass die Schwedinnen das nicht genutzt haben. Bisher hab ich hier das einzige Mal davon gelesen, in der anderen Berichterstattung wurde das nicht erwähnt...

    AntwortenLöschen