Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

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Freitag, 8. Juni 2012

Im Abseits: Ein Jahr danach



Heute beginnt die Europameisterschaft der Männer, die nächste Hoffnung der deutschen Fußballfans auf ein Sommermärchen. Vor einem Jahr war dies die von uns sehnlichst herbei gewünschte WM der Frauen im eigenen Land – die im Viertelfinale für die deutschen Frauen ihr jähes Ende fand.
Vor einem Jahr wurden wir im Vorfeld dieser WM von Dr. Daniela Schaaf (Sport- und Medienwissenschaftlerin, Köln) kontaktiert, die nicht nur mit den Sponsoren und den Verbänden, sondern auch mit Journalisten über den Frauenfußball und seine spezifisch (deutsche) Situation sprechen wollte.
Und diese Fragen enden nicht im Viertelfinale. Jetzt, ein Jahr nach dem verpatzten Sommermärchen, haben wir unsererseits Daniela Schaaf kontaktiert und nach der Auswertung ihrer Studie Einzelsportler-Vermarktung im Profifußball der Frauen. Eine Analyse der Selektionskriterien von Massenmedien und Sponsoren im Hinblick auf die FIFA-WM 2011 befragt.

Zum Zeitpunkt des Interviews (Mai 2012) hatte Daniela Schaaf gerade die Arbeit an einem Artikel beendet, der sich auf die Ergebnisse ihrer Studie bezieht: »„Lieber Barbie als Lesbe?“ – Dispositionen von Sportjournalisten und Sponsoren zum heteronormativen Körperideal im Frauenfußball.« Die kursiv gedruckten Textteile sind Auszüge aus diesem Artikel, der im Sommer in dem Sammelband »Spielen Frauen ein anderes Spiel? Geschichte, Organisation, Repräsentationen und kulturelle Praxen im Frauenfußball« (herausgegeben von Gabriele Sobiech & Andrea Ochsner) erscheinen wird.


Spielfeldschnitte: Frau Schaaf, als wir das letzte Mal sprachen waren Sie u. a. mitten in der Befragung von potentiellen Sponsoren für die WM 2011. Wie bewerten Sie retrospektiv das Engagement von Sponsoren? Ist es unter den Erwartungen geblieben? Bzw. was können wir insgesamt aus ihren Beobachtungen über Sponsorenverhalten während der WM 2011 ablesen?

Daniela Schaaf: Man kann nicht sagen „unter den Erwartungen“, weil die Erwartungen von vornherein sehr gering waren. Der DFB hat sich wahnsinnig schwer getan im Vorfeld Sponsoren zu generieren, obwohl die WM in Deutschland stattgefunden hat. Viele Sponsoren wie z.B. Alno sind wieder abgesprungen und man musste um neue Hauptsponsoren werben. Bei einer Männer WM hingegen rennen die Sponsoren dem DFB fast die Türe ein...
Die Sponsoren, die schlussendlich die Frauen WM unterstützten und mit denen ich gesprochen habe (die Telekom, die Deutsche Post, die Deutsche Bahn), standen allerdings tatsächlich sehr ehrlich für dieses Ereignis ein und haben die Spielerinnen nicht nur als Weiblichkeitsstereotypen zu inszenieren versucht.
Aber es war auch von vornherein klar, dass die Verträge der Sponsoren alle befristet waren - und zwar auf den letzten Tag der WM. Es gibt einige Verträge die noch länger gelaufen sind - allerdings von Unternehmen, die vorher auch schon im Frauenfußball aktiv waren: Hyundai oder die Commerzbank. Die meisten Förderer aber haben gesagt: wir schauen uns erstmal an, wie erfolgreich das Unternehmen wird und welches Feedback wir von diesem Event bekommen, also wie viel Medienpräsenz wir kreieren können. Daran wird sich bemessen, ob wir im Frauenfußball aktiv bleiben.
Und dann hat die deutsche Nationalmannschaft die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllt, sie konnten den Titel nicht verteidigen. Dadurch sind ungefähr 80 Prozent der Sponsoren wieder abgesprungen.

Spielfeldschnitte: Ist die sportliche Leistung tatsächlich der Hauptgrund dafür?

Schaaf: Der Hauptgrund war jedenfalls nicht die mangelnde Medienpräsenz. Die Spiele hatten bis zu 18 Millionen Zuschauer. Das ist durchaus vergleichbar mit der Männer-WM. Die WM wurde ja insgesamt von den Rezipienten positiv aufgenommen. Der Knackpunkt war tatsächlich, dass das Team die Erwartungen nicht erfüllt hat, nämlich die sportliche Leistung. Und sportliche Leistung ist das elementare Auswahlkriterium für Sponsoren. Ich bin fest davon überzeugt, dass das ganz anders aussähe, wenn sie Weltmeisterinnen geworden wären.

Spielfeldschnitte: Aber ist diese Kritik bzw. dieses Sponsorenverhalten Frauenfußballspezifisch?

Schaaf: Diese Kritik wäre auch gekommen, wenn die Männer ausgeschieden wären. Ich glaube die Kritik der sportlichen Leistung ist nicht Frauenfußballspezifisch. Das Problem ist aber vielmehr, dass niemand, nicht die Medien, nicht die Sportjournalisten, daran geglaubt haben, dass sich die Aufmerksamkeit, die man zur WM generiert, irgendwie dauerhaft in die Bundesliga, also den nationalen Frauenfußball, transportieren lasst. Diese Einschätzung ist durch die sportliche Niederlage bestärkt worden.

Spielfeldschnitte: D. h., diejenigen, die den Frauenfußball vorher finanziell unterstützten oder über ihn schrieben, tun dies weiterhin, alle anderen haben einmal den Fuß ins Wasser gehalten und haben ihn schleunigst wieder rausgezogen?

Schaaf: Genau. Es gibt ja ein gutes Dutzend an FrauenfußballexpertInnen in Deutschland, die überwiegend bei den Qualitätszeitungen arbeiten: bei der FAZ, bei der SZ. Die werden auch weiterhin über Frauenfußball berichten. Aber diese große Masse, die zur Frauenfußball-WM aufgesprungen ist, ist auch wieder abgesprungen. Es ist für die jetzt einfach kein Thema mehr, da passiert ja auch nichts Spektakuläres mehr auf längere Sicht: Die Frauen haben auch die Olympia-Qualifikation nicht geschafft. Die Bundesliga war eh schon immer uninteressant.
Dieses mangelnde Medieninteresse allerdings hat andere Gründe als rein sportliche:
Sportredaktionen sind dominiert von Männern – es gibt nur etwa 8% Frauen in den Redaktionen. Das, was dort ausgewählt wird, erfolgt nach männlichen Präferenzen. Frauensportarten sind generell nicht so präsent. Man kann sagen, dass der Anteil von Frauensportberichtserstattung in keinem tagesaktuellen Medium bei mehr als 15 Prozent liegt.
Bei der WM im eigenen Land „mussten“ die über den Frauenfußball berichten, weil es politisch erwünscht war. Die Bundeskanzlerin hat das Event in ihrer Neujahrsansprache erwähnt. Der damalige Bundespräsident Wulff war im Trainingslager medienwirksam. D.h. es bestand ein gewisser gesellschaftlicher Druck für die Sportredaktionen über dieses Event zu berichten.
Meine Interviews haben aber ergeben, dass die meisten Redaktionen – abgesehen von den überregionalen Qualitätszeitungen – gar keine Experten dafür einsetzen konnten. Die, die für Männerfußball zuständig waren, haben sich oftmals geweigert über den Frauenfußball zu berichten. Dann wurde die Berichtserstattung meistens dem schwächsten Redaktionsmitglied zugeschoben. Das war entweder die einzige Frau in der Redaktion, auch wenn die sich vielleicht gar nicht so sehr dafür interessiert hat. Oder es wurde dem jüngsten Redaktionsmitglied zugeschoben. Nach dem Motto: soll doch der Volontär was über Frauenfußball berichten. Wenn ich bei meiner Befragung dann gesagt habe: „Sie wurden mir als Experte vermittelt“, kam oft: „Naja, ich bin ja gar kein Experte, ich muss das jetzt hier machen, weil ich der Jüngste bin. Aber ich bin froh wenn das vorbei ist, dann kann ich wieder über richtigen Fußball berichten.“ Dann hab ich gefragt: „Was ist denn richtiger Fußball?“ „Männerfußball.“

Montag, 16. Mai 2011

Im Abseits: Als Gratulation zur gewonnenen Meisterschaft wird die zweite Mannschaft des HSV aufgelöst.

In der letzten Woche folgten im Norden zwei Paukenschläge unmittelbar hintereinander: In einem packenden Endspiel gegen Leipzig gewann die zweite Mannschaft der HSV Frauen am Sonntag die Meisterschaft in der 2. Bundesliga – das hatte zuvor noch keine andere Zweitmannschaft eines Bundesligisten geschafft. Am Montag wurde dem Team dann verkündet: ihr seid abgemeldet. Im
Jahr der Frauenfußball-WM lässt sich der HSV aus Spargründen auf den Verlust eines wichtigen Teams für den Norddeutschen Bereich ein. Wir sprachen mit der Trainerin des HSV II Claudia von Lanken über die Ereignisse der letzten Woche, über Professionalisierung und die Anbindung an Männerproficlubs und ihre nächste Trainerstation in Leipzig. Claudia von Lanken ist ehemalige Nationalspielerin und war lange Zeit die Torhüterin für die HSV-Frauen. Nach ihrer aktiven Karriere
arbeitete sie als Trainerin und in der Geschäftsstelle des HSV. Zur nächsten Saison wechselt sie zum Aufsteiger 1. FC Lokomotive Leipzig.

Spielfeldschnitte: Liebe Claudia, Euer letztes Spiel letzte Woche gegen Leipzig wurde vielfach als „Familientreffen” bezeichnet: Du hattest Deinen Wechsel nach Leipzig verkündet, deren Team den Aufstieg in die erste Liga schon gesichert hatten. Jetzt ging es zwischen den punktgleichen Leipzig und HSV II noch um die Meisterschaft.

Claudia von Lanken: Diese Konstellation war unfassbar. Erstens letzter Spieltag. Zweitens ging es um alles - wir mussten gewinnen, unentschieden ging nicht. Neuer Trainer gegen alten Trainer. Es spielen Spielerinnen, die in das andere Team wechseln. Ich sitze da und denke: du kannst heute Meister werden - und auf der anderen Seite bist du auch schon aufgestiegen! Mehr ging gar nicht. Eine Woche vorher war ich in Leipzig mit dem Leipziger Trainer bei einem Radiointerview, bei
dem ich gefragt wurde, wie diese Situation für mich ist. Ich habe gesagt: Ich bin bis zum 30. 6. beim HSV und ich will Meister werden, mehr zählt nicht. Leipzig ist aufgestiegen, die haben ihren Soll erfüllt und ich werde jetzt Meister. Und danach werde ich Leipzigerin. Das hätte kein Drehbuchautor besser schreiben können. Wir gehen mit Rückstand in die Halbzeit, ich saß auf meinem Stuhl und wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Und dann triffst du Entscheidungen, die zu 100
Prozent passen. Meine letzten 90 Minuten von 11 Jahren Trainerin in Hamburg. Ich habe mir davor ausgemalt, entweder du heulst vor Freude oder vor Enttäuschung. Es wurde keins von beidem, es ging nichts. Nach dem Spiel bin ich förmlich in mich zusammengefallen. Auch mit dem Wissen, dass diese Mannschaft danach nicht mehr existiert, was die Spielerinnen zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten. Es war mein Ziel, dass wir uns zumindest mit einem Titel verabschieden. Eine Niederlage wäre der absolute Tiefpunkt gewesen.

Spielfelschnitte: Was ist dann am nächsten Tag passiert?

von Lanken: Die Mannschaft ist Sonntag Meister geworden und wurde Montag aufgelöst. Fest stand das schon am Mittwoch davor, da wusste ich schon davon. Es wurde die Frage gestellt: Erzählen wir es den Mädels vor dem wichtigen Spiel? Da bin ich eingeschritten. Aber ich wusste schon während das Spiel lief, dass wenn wir die Meisterschale hochhalten, dass es dann auch zu Ende ist.

Montag, 10. Januar 2011

Im Abseits: Daniela Schaaf über Vermarktung im Frauenfußball

 
"Ich versuche alle Perspektiven, alle Facetten aufzunehmen, damit ein ganzes Bild entsteht. Bis Ende 2010 habe ich sämtliche Sponsoren aus dem Frauenfußball interviewt."
Am 28.10.2010 trafen wir uns auf Einladung mit Dr. Daniela Schaaf, promovierte Kommunikationswissenschaftlerin, um unseren Beitrag zu diesem Bild zu leisten, in dem es um die Frage von Frauenfußball und seiner Marktförmigkeit geht.

Sie hat mit sämtlichen nationalen Sponsoren gesprochen. Was denken diese über den Frauenfußball? Das herauszufinden hat sich Daniela Schaaf vorgenommen. Sie ist die erste deutsche Stipendiatin des João-Havelange-Forschungsstipendium der FIFA. »Einzelsportler-Vermarktung im Profifußball der Frauen. Eine Analyse der Selektionskriterien von Massenmedien und Sponsoren im Hinblick auf die FIFA-WM 2011« lautet der vollständige Titel ihrer Studie, die sie an der Kölner Hochschule erarbeitet, an der auch Dr. Tritschoks lehrt.

Wir gehen in dieses Gespräch mit gewissen Vorurteilen: Ist es nicht die Marktförmigkeit von Frauen, gegen die wir anschreiben? Ist dies eine Studie, deren Ziel es ist, normierende Verhaltensformen für Spielerinnen in das WM Jahr zu implantieren? Und auch ganz selbstkritisch: Warum werden wir gefragt? Sind wir denn schon der Markt oder schreiben wir noch über ihn?

Doch zunächst, stellen wir fest, geht es um Informationen und Austausch. Auf beiden Seiten. "Es war schwierig“ so Daniela Schaaf, „die Sponsoren zu den Gesprächen zu bewegen. Ich musste allen Befragten absolute Anonymität zusichern."

Daniela Schaaf hat sowohl Sportredaktionen sowie bestehende und potentielle Sponsoren befragt. Die Ergebnisse aus diesem ersten Einblick in das mediale und kommerzielle Interesse am Frauenfußball fließen dann in die Erstellung eines Fragebogens, der an rund 3000 SportjournalistInnen und Sponsoren geht. Zu dem Input für den Fragebogen zählt die Befragung sämtlicher großen und kleinen Zeitungen, Sportmagazine und Rundfunkanstalten. "Mit einem der großen deutschen Sportmagazinen war es komplizierter zu sprechen. Die meinten ganz klar, wir berichten nicht über Frauenfußball. Aber wir würden gerne mit Ihnen über Spielerfrauen reden."

Montag, 5. Juli 2010

Im Abseits: Ginger Gentile about "Goals for Girls"

The documentarists Ginger Gentile and Gabriel Balanovsky, two filmmakers working in Argentina, shot "Goals for Girls" in 2009 in the Argentinian Villa 31 shantytown in Buenos Aires. The short movie was shown at several festivals and caused an uprise of an important topic: what are the actualities of young women and girls life and what are their future prospects? The girls in "Goals for Girls" are fighting for their space to score goals on the soccerfield and to develop goals in life, in a country, where soccer is highly identity-generating but mostly reserved to male players. We spoke with Ginger Gentile about the work on the film and her views on the developement of women soccer including the aspects of gender stereotypes.


Spielfeldschnitte: First of all, tell us a little bit about your background and recent works. What are you interested in?


Ginger Gentile: I grew up in a small town in New York and then went to Columbia University in New York where I studied history and was very involved in the student activism—from union organizing to fighting sweatshops, women’s rights, anti-colonialism. After graduating in 2002, I spent a summer waitressing and then headed down to Guatemala to study Spanish, and then spent a month in Cuba before going down to Buenos Aires. My plan was to stay for a few months, learn Spanish and then head back to New York. I never thought I would make Buenos Aires my home and become a filmmaker, with my own production company, San Telmo Productions, before the age of 30!

A lot of the films I make, especially, ‘The Hooker and the Transvestite’, (which I co-directed with Synes Elischka and Gabriel Balanovsky) involve sexual subjects that make some people uncomfortable. Talking about sexuality is less common than showing explicit images, and this short film talks about the suffering of sex workers but it is a comedy. I believe that showing victims doesn’t help anyone: it is better to tell a story with humor and that people can relate to.
Spielfeldschnitte: How did the project about girls soccer in Argentina start?

Gentile: In 2008 my husband, Gabriel Balanovsky, and I looked for a new documentary subject to make a short film and when we met these girls in the slum we were impressed by their energy and good humor. After we made a short film that you can see at http://www.goalsforgirlsthemovie.org that entered many international festivals, we decided to turn the story into a feature documentary.
Goals for Girls: The Movie follows the struggle of a group of girls from the infamous Villa 31 shantytown in Buenos Aires who want to play a sport that is off limits to women in Argentina: soccer. With humor and colorful imagery, this documentary explores what it takes for girls to score goals on the field and reach their life goals when their families and society sees them only as future maids, criminals or teenage mothers. The experiences of these “slum soccer girls” will not only be documented by, myself and co-director Gabriel Balanovsky, but the girls themselves will contribute though a video workshop where they will learn how to interview and do basic camerawork. The audience can get uncensored view into their world and the girls will begin to take back the narrative of their own lives.
The finished documentary will be released in June 2011, during the women’s world cup in Germany. 

- The girls in "Goals for Girls" talk a lot about discrimination; is this the reality for the most girls that play soccer in Argentina? 


Montag, 21. Juni 2010

Im Abseits: Dominik Müller über Frauenfußball in Ghana

Derzeit schaut die Fußballwelt nach Afrika. In Südafrika messen sich die besten Männerteams der Welt. Über die Fußballstrukturen vor Ort erfährt man dabei so gut wie nichts, erst recht nicht über die des Frauenfußballs. Bevor Deutschland am Mittwoch gegen Ghana den Achtelfinaleinzug schaffen will, richten wir schon unseren Blick auf die ghanaische Frauenfußball-Szene. Dominik Müller trainiert die U17-Frauennationalmannschaft Ghanas, die sogenannten "Black Maidens". Wir sprachen mit ihm über Stellenwert und Zukunft des afrikanischen Frauenfußballs.



Spielfeldschnitte: Lieber Herr Müller, erzählen Sie uns doch kurz etwas über sich und was Sie in Ghana allgemein und speziell im Frauenfußball tun.

Dominik Müller: Ich bin seit Oktober 2007 in Ghana und hier noch bis April 2012 beruflich vor Ort. Meine Arbeit bei der deutschen Botschaft hier hat keinerlei Bezug zum Damenfußball.

Spielfeldschnitte: Haben Sie sich dafür entschieden spezifisch im Frauenfußball tätig zu werden, oder spielt die Unterscheidung Frauen- und Männerfußball für Sie keine Rolle?

Müller: Ich habe selbst 20 Jahre American Football in Deutschland gespielt (die meiste Zeit 1.Bundesliga) bzw. gecoacht und wollte diesen Sport hier einführen. Das hat aber nicht funktioniert, weil die zunächst ausgewählten Spieler Bedenken wegen möglicher Verletzungen und wegen der Kosten für die Ausrüstung hatten. So habe ich mich nach etwas Anderem umgesehen und die Spiele des African Cup of Nations im Januar 2008 verfolgt. Das hat mich Qualitätsmäßig nicht eben vom Hocker gerissen. Als dann nach dem Wettbewerb eine Kollegin der Botschaft meinte, auch die Damen Ghanas würden gut spielen, habe ich ein WM-Qualifikationsspiel der U-17 Nationalmannschaft Ghanas gegen Sambia angesehen.
Das war Liebe auf den ersten Blick. Traumhafte Kombinationen, schlafwandlerisch sichere Technik, da habe ich zwei Spielerinnen (Priscilla SAAHENE und Edem ATOVOR gleich meine Karte gegeben. Sie haben mich dann über die weiteren Spiele auf dem Laufenden gehalten und ich habe auch das Trainingscamp im Leistungszentrum Prampram (40km von Accra) besucht.
In der zweiten Qualifikationsrunde hatten die U-17er dann einen schlechten Start (2:3 in Nigeria) und standen nach einer völlig unverdienten Niederlage gegen Kamerun in Accra (1:2) mit dem Rücken zur Wand. Das hat mir sehr leid getan und ich habe den Cheftrainer Augustus Allotey ABRAHAMS gefragt, ob ich irgendwie helfen könne.
Er meinte, dass er niemanden für die Torhüterinnen habe und da habe ich zugesagt.
Ich muss dazu sagen dass ich als Vertreter der Bolzplatzgeneration und glühender Fan von Toni Schumacher und Oliver Kahn viel eigene und TV-Erfahrung besitze und viele Bewegungsabläufe und Reaktionsmuster dem American Football sehr ähnlich sind.
Dennoch war auch Coach Allotey anfangs überrascht, welche neuen Übungen bei mir im Programm sind. Zusätzlich habe ich mir beim FC05 Schweinfurt (Ex-1860 Keeper Norbert Kleider) und beim FC Nürnberg (Ex-Nationaltorhüter Polen Adam Matysek) Anschauungsunterricht geholt, als ich im August 2008 in Deutschland war.

Bei den Black Maidens (so heißt die U-17 in Ghana) tätig zu werden ging also fast automatisch, hervorgerufen durch die schöne Spielweise und den unglaublichen Teamgeist dieser Kleinsten der Nationalmädels. Männerfußball war nie ein Thema.

Ich bin dann mit den MAIDENS zu einem Trainingslager nach Deutschland und auch zur WM nach Neuseeland mitgefahren, wo wir in der schwersten Gruppe gegen den späteren Weltmeister Nordkorea 1:1 gespielt haben, Costa Rica 1:0 besiegt und gegen Deutschland nur 2:3 verloren haben, wobei wir fast noch ein 3:3 erreicht hätten. Leider reichte das nicht fürs weiterkommen aber die Maidens wurden in Ghana als Mannschaft des Jahres 2008 geehrt.
Ich habe dann 2009 die ghanaische Liga beobachtet und dafür gesorgt, dass zwei Spielerinnen der Black Queens, also der A-Nationalmannschaft Ghanas zumindest eine Saison bei Tennis Borussia Berlin in der 1. Bundesliga spielen konnten.

Spielfeldschnitte: Wie ist grundsätzlich der Stellenwert des Frauenfußballs in Ghana? 

Donnerstag, 22. April 2010

Im Abseits: Hans Ulrich Gumbrecht über Kreativität im Frauenfußball

Am 8. April 2010 erscheint in DER ZEIT unter dem Titel "Das Elend der Perfektion. Sind Fußballer eigentlich kreativ?" ein Interview mit Hans Ulrich Gumbrecht. Gumbrecht ist Literaturwissenschaftler und lehrt seit 1989 an der Stanford University.
Neben zentralen Publikationen wie "Diesseits der Hermeneutik. Zur Produktion von Präsenz" oder "Die Macht der Philologie. Über einen verborgenen Impuls im wissenschaftlichen Umgang mit Texten" wird Gumbrecht vor allem durch "Lob des Sports" zu einem hochkarätigen Gesprächspartner für einen kulturwissenschaftlichen Blick auf Frauen- und Männerfußball.

Spielfeldschnitte: Lieber Herr Gumbrecht, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit zu diesem Gespräch nehmen!

Hans Ulrich Gumbrecht: Aber gerne. Ich möchte dem auch sofort voranstellend sagen, dass ich ein großer Fan des Frauenfußballs bin. Ich weiß nicht, ob Sie mal in den Texten gelesen haben, in denen ich begeistert über den Frauenfußball spreche.

Spielfeldschnitte: Ich kenne Ihre lobenden Worte aus „Lob des Sports“.

Gumbrecht: Da weiß ich gar nicht mehr genau, was ich da geschrieben habe. Also ich denke, dass zumindest von ästhetischen Gesichtspunkten her der Frauenfußball interessanter ist als der Männerfußball.

Spielfeldschnitte: Ach, wirklich?

Gumbrecht: Ja, wirklich! Das wollte ich warnend vorausschicken, so dass Sie nicht denken, ich sag das jetzt um Ihnen eine Freude am Samstagmorgen zu machen. Ich meine, ich will Ihnen natürlich auch gerne Freude am Samstagmorgen machen. Aber es ist tatsächlich so. Es kann sein, dass es in „Lob des Sports“ auch schon steht. Das glaub ich erstens tatsächlich und zweitens steht das auch irgendwo. Aber das ist ja auch egal. Also, ich kann´s ja jetzt noch mal sagen.

Spielfeldschnitte: Was ist am Frauenfußball für Sie ästhetischer?

Gumbrecht: Naja, ich meine der Männerfußball hat natürlich in der ganzen Athletic Performance - also Schnelligkeit und Härte in der durchschnittlichen Qualität der Spieler - so ein Level erreicht, wo die eingefleischten Fußballfans sagen, das wird immer besser, wird immer besser, wird immer besser. Ich muss sagen, ich langweile mich. Ich langweile mich mittlerweile oft im Stadion beim Männerfußball. Das ist zwar alles gut und die einzelnen Spieler sind gut, und jede Bundesligamannschaft würde heute jeden Weltmeister von vor zwanzig Jahren schlagen, das steht außerhalb jedes Zweifels. Aber dadurch, dass diese Störungsfähigkeit schon bei der Ballannahme und die taktische Vorbestimmung des Spiels und überhaupt auch der Level von taktischer Reflexion schon so hoch ist, denke ich gibt es nur noch wenig Freiräume für Überraschungen. Das Interview zum Thema Kreativität kam zu einer schlechten Zeit, nämlich in der Messi Woche, und Messi ist tatsächlich in der Hinsicht ein Phänomen. Dann schießen auch mal Robbery also Ribery und Robben ein schönes Tor. Aber insgesamt finde ich verzehren sich die Männerspiele in einer beständigen wechselseitigen Neutralisierung. Der negative Faktor ist dann, auf der einen Seite die Ballsicherung. So wie dann die Bayern vor einigen Jahren vor der Abwehr von Manchester herumspielen wie im Handball. Und auf der anderen Seite frühes Stören, Lucio bei Inter zum Beispiel. Das hat ein Level an Perfektion erreicht, der der ästhetischen Erfahrung, der Schönheit des Spiels meine ich, nicht nutzt. Mein Argument wäre, dass so diese Teleologie unterstellt wird: je schneller desto besser und desto schöner. Das ist nicht wahr. Mein Vater sagte immer, der Klinsmann ist wie ein Leichtathlet, der zufällig einen Ball hat. Und trifft ihn auch manchmal, manchmal auch nicht. Mir hat neulich jemand auch als Reaktion auf dieses Zeit-Interview geschrieben, wie altmodisch ich doch sei und ich würde wohl noch von den Zeiten schwärmen, wo Beckenbauer und Maradona wie Pfaue durchs Mittelfeld gelaufen sind. Naja, ein bisschen schon. Und jetzt will ich nicht damit sagen, dass sie alle Fußballerinnen Pfauinnen sind. Aber ich denke, dass die Fähigkeit ab und an mit einem schönen Pass, mit einem schönen Dribbling individuell was zu gestalten, die Fähigkeit sozusagen überraschenderweise nach vorne zu spielen - die ist möglicherweise dadurch, dass der Frauenfußball, das soll nicht beleidigen, oft athletisch und auch vom Vorhandensein vieler vieler sehr sehr guter Spieler nicht so top ist, eher gegeben. Weswegen der Frauenfußball interessanter ist. Das ist also ein Paradox.
Das ist kein Wermuthstropfen, aber es ist ja auch klar. Es spielen unendlich mehr Männer Fußball, dadurch ist das athletische Niveau höher. Aber das ist auch der Punkt: dass bedeutet nicht, dass das Spiel schöner anzuschauen ist. Meine Universität Stanford zum Beispiel ist sehr gut im Frauenfußball. Die sind auch im Männerfußball nicht schlecht. Aber Männerfußball spielt in den USA überhaupt keine Rolle. Frauenfußball ist populärer. Wenn ich mich also frage, wo ich hingehe, wenn ich überhaupt am Sonntag nach dem American Football am Freitag noch zum Fußball gehe, dann gehe ich zum Frauenfußball. Und das ist eine gute Situation, weil die sind beide nicht schrecklich populär – I care about both – es ist beides an meiner Universität, es sind bei beidem viele Studenten, die ich kenne. Sagen wir mal die Frauen sind insgesamt national etwas besser, aber ich geh einfach lieber hin, um es mal so banal zu sagen, weil ich da besser unterhalten bin. Und das ist mein Argument, von dem ich dachte, das könnte eine Freude für Sie sein am Samstagmorgen.

Samstag, 3. April 2010

Im Abseits: 39 Minuten Bundesliga

Pünktlich zum 1. Geburtstag eröffnen wir auch eine schon lange angekündigte neue Rubrik: Mit Im Abseits begeben wir uns ins direkte Gespräch mit bekannten und unbekannten Persönlichkeiten über den Frauenfußball.

Spielfeldschnitte: Hanna Wernecke, unsere LeserInnen werden dich kaum kennen. Einige Sätze zu dir?
Hanna: Ich bin 24 Jahre alt und erst, muss man ja fast sagen, seit 14 Jahren Fußballerin. Ich habe ziemlich spät angefangen und zwar zusammen mit meinem Bruder, der 4 ½ Jahr jünger ist als ich. Jetzt arbeite ich als freie Künstlerin und Lichtdesignerin. Momentan lebe ich in Hamburg.
Spielfeldschnitte: Wir kennen dich als die Spielerin mit den wenigsten Minuten Einsatzzeit in der Bundesliga. 39, um genau zu sein. Wie kam es dazu?
Hanna: Mmm. Eine Geschichte aus dem Leben der Frauenbundesliga. Im Frühjahr 2006 kam es zu meinem ersten Einsatz für den FSV in der 1. Bundesliga, es folgten nur noch zwei weitere. Der FSV Frankfurt befand sich damals in Personalschwierigkeiten. Es gab viele Verletzungen. Viele Spielerinnen hatten das Team unter anderem wegen der Vereinspolitik verlassen. Über meine Trainerinnentätigkeit bei einer Mädchenmannschaft in Gießen lernte ich den damaligen Co-Trainer kennen. Weil der Cheftrainer oft nur 1-2 Auswechselspielerinnen zur Verfügung hatte, fragten sie mich schließlich, ob ich aushelfen könnte.
Spielfeldschnitte: Wie war Dein erstes Bundesligaspiel?
Hanna: Unspektakulär. Zuerst sah es so aus, als wenn ich mein Debüt gegen den FFC Frankfurt im Stadion am Brentanobad geben könnte. Gegen die ganz Großen und das auch noch im Derby! Leider gab es Probleme mit meiner Spielberechtigung und ich durfte nur zuschauen. Letztendlich fand ich das auch nicht so schlimm, ich glaube wir verloren 13:0 (A. d. R.: Endstand war 17:0).
Spielfeldschnitte: Was war damals los beim FSV?
Hanna: Ganz genau kann ich das gar nicht rekonstruieren. Aber die große Zeit des FSV war unbestreitbar vorbei. Mitten in der Saison teilte der Vorstand der Mannschaft mit, dass die Damen aufgelöst werden sollte. Das hieß also die Lizenz abgeben und das Team ganz aus dem Spielbetrieb zu nehmen. Das hat natürlich viele geschockt, trotz des deutlichen Klassenunterschieds wollten einige der treuen Spielerinnen auch in der 2. Liga weitermachen.
Spielfeldschnitte: Warum wollte der Verein die Lizenz nicht behalten?
Hanna: Der Fokus lag auf der damals noch drittklassigen Herrenmannschaft. Der Unterhalt der Damen wurde zu teuer und zu aufwändig. Außerdem konnte man von den Damen keine Gewinne im Sinne von Einnahmen erwarten.
Spielfeldschnitte: Auch ein Hauch von Diskriminierung?
Hanna: Als Außenstehende schwer zu sagen. Aber ich würde schon sagen, dass alle Beteiligten ungerecht behandelt wurden. Das geht von den Spielerinnen bis zu den Trainern. Vor allem an Ehrlichkeit hat es gemangelt. Ich war ja schon einiges an Vereinsmeierei gewöhnt, aber das was da passierte übertraf alles.
Spielfeldschnitte: Wenn man von Deiner Erfahrung ausgehend die zentrale Forderung nach Professionalisierung ins Auge fasst: Wie weit ist die Bundesliga heute?
Hanna: Ich glaube die Bundesliga formt sich langsam zu etwas. Man könnte fast sagen, dass sie langsam ein Gesicht bekommt. Das zum Glück auch immer mehr Leute anschauen wollen.
Spielfeldschnitte: Was für ein Gesicht?
Hanna: So genau kann man das noch nicht sagen. Aber das Niveau ist, auch wenn es nicht so wirkt, wirklich zusammengerückt. Neben dem FFC Frankfurt spielen jetzt auch Potsdam, Duisburg, Wolfsburg und München oben mit. Die Entwicklung ist dabei unheimlich schnell, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Die Spielerinnen, die vor 10 Jahren ihr Debüt gaben, würden heutzutage gar nicht zu einem Debüt kommen. Und die, die heute ihr erstes Spiel machen, würden in 10 Jahren nicht die Chance bekommen. Ich hätte mit meinem Niveau von 2006 vielleicht 1996 noch mitspielen können, aber eigentlich nicht 2006 und schon gar nicht 2010.
Spielfeldschnitte: Der FSV war doch über Jahre ein professionelles Team.
Hanna: Kommt drauf an, wie man professionell definiert. Den VIP und Pressebereich schmissen die Mutter einer Spielerin und die Mutter des Co-Trainers. Die Ausrüstung war abgenutzt und ihr Trikot musste jede Spielerin selbst waschen. Der Etat für Auswärtsspiele war klein, ich weiß nicht ob er sogar verkleinert wurde. Der früher immer angemietete Mannschaftsbus würde jedenfalls gestrichen und für einen halb so großen ersetzt, geschlafen wurde in der Jugendherberge und Essen musste jede selbst bezahlen. Wobei ich nicht sagen will, dass Smisek und Co. vielleicht früher beim FSV ihre Sachen nicht auch selbst waschen mussten. Nur heute wäre das nicht mehr denkbar. Der FSV hat den Anschluss verpasst.
Spielfeldschnitte: Wie ist deine Fußballkarriere nach 2006 weitergegangen?
Hanna: Im Sinne des aktiven Spielens: gar nicht. Trotzdem bin ich dem Fußball auf andere Weise treu geblieben. Seit 2009 betreibe ich einen Blog über den Frauenfußball. Da das Feld der medialen Repräsentation im Frauenfußball chronisch unausgereizt ist, gibt es viele Bereiche, in denen man sich sehr verdient machen kann. Wie seht ihr die Entwicklung?
Spielfeldschnitte: Die Entwicklung des Frauenfußballs scheint erstmal positiv. Nicht nur, dass man tatsächlich die meisten Nationalmannschaftsspiele im Fernsehen verfolgen kann, sich der Blick der Kamera auf die Spielerinnen professionalisiert hat und mehr Menschen ins Stadion kommen - in tatsächliche Stadien! Aber dazu gehören die Rückschritte genauso dazu: Bundesliga interessiert niemanden, der Slogan der WM 2011 ist „20Elf von seiner schönsten Seite“ und beim letzten Länderspiel in Duisburg ist ein Zweitligastadion nicht mal zur Hälfte voll gewesen. Man muss sich also neben aller Euphorie darüber, dass fußballspielende Frauen wenigstens auf der Ebene der Nationalmannschaft ernst genommen werden, immer wieder danach fragen: Warum wird z. B. Frauenfußball im Vergleich zum Frauenhandball wesentlich weniger rezipiert? Warum ist Fußball im Gegensatz zu anderen Sportarten wie Rudern oder Fechten in Deutschland geschlechtlich so unglaublich konnotiert?
Hanna: Wenn ihr das sagt: Meint ihr, dass Frauenfußball auch mal cool werden könnte, also auch eine Art Life-Style werden wie z. B. Fan von St. Pauli sein? Underdog und politisch obendrein?
Spielfeldschnitte: Das wäre vorstellbar. Derzeit gibt es keine wirklich offizielle Fankultur, die schönste Seite von 20Elf z. B. eine totale Kopfgeburt. Inoffiziell gibt es eine große Szene, aber da fragt man sich manchmal, ob die lieber in ihren Vorgärten bleiben würden. Während der 1. FFC ja fast schon ein Stadion bespielt, bolzen die HSV Frauen zwischen den Gartenzwergen ihrer Schrebergartennachbarn. Wer den Platz nicht kennt, findet ihn zwischen den ganzen Gartenhäuschen nicht... Und das Internet ist dann doch noch mal was anderes als eine Fangemeinde vor Ort. Beim Spiel HSV gegen Jena bestand der Jena-Block z. B. aus fünf Frauen. Das versteht man dann überhaupt nicht mehr, wenn man auf der Ebene von 40.000 Leute-Stadien Länderspiel-Pläne macht. Aber es hängt alles mit allem zusammen. Aber wir interessieren uns nicht so sehr für den Schritt, Frauenfußball überhaupt sichtbar und attraktiv zu machen für ein Massenpublikum, sondern eher für eine politische Sichtbarkeit. Und das geht nicht mit Hymnen wie „Ein Schuss und die Pille ist drin“. Die WM 2011 stellt allerdings, da machen wir uns nichts vor, die generelle Frage.
Hanna: Braucht es dafür die biersaufende grölende Frau?
Spielfeldschnitte: Du meinst im Gegensatz zu der Idee des WM OK: Frauenfußball, das Event für die ganze Familie? Im Gegenteil: Es wäre doch eigentlich super, wenn ein Rudel aus grölenden, besoffenen Langhaarmüttern die Stadien bevölkern würde, während genervte Väter zu Hause erstmals ihre Kinder beaufsichtigen würden. Nein, Scherz beiseite, was ist die Frage?
Hanna: Naja, wer ist denn der Zuschauer vom Frauenfußball?
Spielfeldschnitte: Tja, das wird sich noch herausstellen. Um diese Frage quasi empirisch zu erforschen, werden wir ab sofort auch Live-Übertragungen organisieren: Am 22.4. z. B. schauen wir das Spiel Deutschland gegen Schweden gemeinsam mit allen, die vorbei kommen in der Astra Stube in Hamburg. Ab 15.30 Uhr. Mit Bier! Kommst du?
Hanna: Klar. Voll cool!