Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 5. April 2012

Coaching Zone: Deutschland - Schweiz

Es regnet.
Wir befinden uns in der Schweiz, gespielt wird um die Direktqualifikation zur EM, die noch in weiter Ferne liegt. Auch die Schweiz spielt in die fast noch weiter Ferne: bei der WM 2015 will man gerne dabei sein.
Und so fragen wir uns heute: wie eigentlich trainieren, wie eigentlich spielen mit einer Nationalmannschaft, die in absehbarer Zeit keine Ostereier wird einsammeln können? Für Martina Voss-Tecklenburg können wir es nicht beantworten. Wir wissen nicht einmal, warum sie plötzlich aus Duisburg verschwand, dann irgendwie in Jena zwischenlandete, um nun in der Schweiz plötzlich auf Augenhöhe mit Sylvia Neid zu erscheinen. Zu Sylvia Neid haben wir eine Theorie: den Konkurrenzdruck im Team so hoch halten, dass die Mannschaft wie ein kleines Uhrwerk sich quasi selbst antreibt, ganz egal, gegen wen man spielt; psychologische Disziplinierungsmaßnahmen in das allgemeine Tagesgeschehen einflechten, damit sich keine Spielerin auf ihrer Position so wirklich komfortabel fühlen kann und sich eben auch nach 25 Minuten auf einmal auf der Bank wieder finden kann. Ist Sylvia Neid eigentlich eine gute Trainerin?

Beim Abschiedsspiel von Birgit Prinz ein Moment der Freude: Der Kommentator singt Lobeshymnen auf Linda Bresonik, das große Spielmacherinnenvorbild Renate Lingor wortwörtlich vor Augen. Und wir erinnern uns: all diese Fußballerischen Eigenschaften haben auch wir ihr mal bescheinigt. Doch – wie lange ist das her? Ist das heute noch berechtigt? Heute spielt Bresonik auf der rechten Abwehrseite, Bianca Schmidt hats im Magen. Die Linda, sie kanns vorne, hinten, auch mal im Mittelfeld. Und doch stellt sich das Gefühl spielerischer Intelligenz, zwingender Aktionen nur noch selten ein. Viele Fehlpässe, wenig Fingerabdrücke. Und wir erinnern uns an die jüngere Vergangenheit, als sie mal wieder auf die Bank verbannt war, bis sie vor der Presse verkündete, sie hätte „es nun verstanden“. Was sie verstanden hatte, ließ sie offen, sie war jedenfalls wieder dabei. Doch zugleich wirkt Bresonik ein wenig „zerspielt“, ihr fehlt ein Ort auf dem Platz und so wird sie niemals mehr zeigen können, ob sie eine Spielmacherin à la Lingor geworden wäre.

Es regnet immer noch. Zugleich ist Frühling für die deutsche Nationalmannschaft. Man könnte unterteilen in eine Fraktion, der die WM noch im Magen liegt und einem Teil, der das verdaut hat. Fraktion Nummer 2 wird angeführt von Smiley-Talent Celia Okoyino daMbabi, die Alex Popp (trotz Rückennummer 9) vom Birgit-Prinz-Platz verdrängt hat und quasi trifft, wie sie will. Dazu gehört die souveräne Doppelsechs Odebrecht und Gößling, vielleicht auch Babett Peter (die sich heute mal wieder in einem klasse Torschuss versucht hat) und zu Teilen Melanie Behringer, die ihr Team in der letzten Zeit unermüdlich angetrieben hat, zugleich aber gerade in eine kleine Flaute gerate ist und heute (siehe psychologische Spielchen) „eine Rehabilitationschance“ bekam. Fraktion Nummer eins wird geführt vom Shootingstar der WM, Lira Bajramaj, die sich zwar langsam aus der Japan-Depression herauskämpft, aber immer noch nicht die Alte ist. Auch Alex Popp gehört dazu, so energisch ihre Auftritte auch immer sind.
Und dann jene, von denen irgendwie nicht ganz klar war, warum sie wiederkamen und die sich spalten wie das rote Meer: Anja Müller, der wir kein Comeback zugetraut hätten und die heute spielt wie der Fußballgott persönlich und dann Annike Krahn, die es bis heute nicht gelernt, einen ordentlichen Pass nach vorne zu spielen. Dazu gehört auch Almuth Schult, die das Verletzungspech von Nadine Angerer für Eigenwerbung und Erfahrungssammlung nutzt und nur deren glänzender Einsatz das Spiel zu dem machte, was es war: sie vereitelte die erste Großchance der Schweizerinnen und macht sich auf, eine gute Konkurrenz für Nadze zu werden.

Quo vadis, deutsches Fußballfrauenteam?
Und: wer wird mitfahren dürfen auf dem Sylvia-Neid-Train?