Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Sonntag, 23. Oktober 2011

Coaching Zone: Deutschland - Rumänien

Mal wieder ein Wort in eigener Sache. Während die mediale Berichterstattung sich entschlossen hat, die Qualifikation zur Europameisterschaft unter das Schlagwort „Leichtigkeit“ zu stellen (ganz im Sinne von: war da was?), sind die Kräfte des Projekts Spielfeldschnitte noch an Traumabewältigung gebunden. Folglich sind wir gerade nicht die avantgardistische Kavallerie, sondern kommen konsequent zu spät, pünktlich erst zum zweiten Spiel.

Mit großer Leichtigkeit läuft ein verjüngtes deutsches Team in eine Stadion, das so leer ist, dass man sogar hören kann, wie sich die Spielerinnen vor Beginn der Partie die Hand geben. Tja, war da mal was? Sylvia Neid jedenfalls ist gut gelaunt, sie lacht, auch das kann man fast hören. Wir fühlen uns fast ein bisschen erinnert an frühsonntägliche Bundesliga zwischen Gartenzwerg und Eisbahn in Hamburg und gestatten uns ein paar nachdenkliche Blicke zurück in die alte Heimat. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um uns für die WM auf Kurs zu bringen, vielleicht werden wir zwei Jahre daran zu arbeiten haben, dieses unglaubliche Spektakel (und seine Konsequenzen) zu entknoten, dass wir drei Wochen lang erleben durften. Ein viel diskutierter Punkt war sicherlich die Frage, ob die WM irgendeinen Einfluss würde haben können auf die Zuschauersituation der Bundesliga. Oder auf Spiele wie dieses heute. Zumindest in diesem Punkt waren die Illusionen gering – berechtigt: es sind genau sechs deutsche Fans in Bukarest. Doch nicht Jammern sollte die Reaktion auf den Verlust des Spektakels sein und schon gar nicht der Versuch, mit der EM einen neuen telos anzubieten und die berühmten „Vorbereitungszeiträume“ des deutschen Teams quasi auf zwei Jahre auszudehnen. Immerhin ist man hier auch Titelverteidigerin. Nein, bemühen wir die Plattitüde: Die Antwort muss auf dem Platz liegen.

Dieser Platz ist so braun, dass Bernd Schmelzer befürchtet, die Zuschauer könnten versucht sein, ihre Bildeinstellungen zu überprüfen. Er ist so holprig, dass Schmelzer es „fast schon kriminell“ findet. Und auf ihm passiert recht wenig. Trotz der viel beschworenen Leichtigkeit krankt das deutsche Aufbauspiel an Zweierlei, das schon bei der WM zu beobachten war. Zum einen: Unsicherheit im Passspiel. Vielfach Schwierigkeiten beim Zuspiel, fast noch mehr Schwierigkeiten bei der Ballannahme und der Mitnahme des Balls. Viel zu oft verkommt der Pass nach vorne zu einem Abpraller in die falsche Richtung. Doch viel fataler: Immer und immer wieder der hohe, lange Ball nach vorne. Nehmen wir uns Zeit für einen tiefen Seufzer der Resignation. Hört das denn niemals auf? Wann kam denn ein solcher Pass schon jemals an? Ja, ja, natürlich, als Kerstin Garefrekes ihre Hals streckte und einnickte. Wann war das noch mal? Stimmt, da war ja was. Eine WM. Bei der man mit dieser Strategie schnell ganz schön alt aussah gegen die Japanerinnen, die doch, wie es immer so schön hieß, so klein seien, dass der hohe Ball das probate Mittel der Wahl war. Es wirkt, man muss es klar so sagen, phantasielos, es wirkt behäbig, es wirkt auch hilflos. Wenn ich ein Fußballspiel sehe, möchte ich nicht auf die Körpergröße oder den Fitnesszustand des Gegners spekulieren, ich möchte ein spektakuläres Spiel sehen. Dazu gehören für mich ganz zentral offensive Spielerinnen, die mehr können als eine voraussehbare Flanke vors Tor zu schlagen oder im Strafraum auf den hohen Ball zu warten. Dazu gehört für mich ein offensiver Verband, der mit „högschter Disziplin“, Laufbereitsschaft und Einfallsreichtum das Angriffspiel kreativ interpretiert. Und dazu gehört für mich eine Abwehr, die den Ball nicht nur abfangen, sondern auch im höchsten Tempo sicher nach vorne tragen kann.

Bis zur 55 Minute war davon in Bukarest nun wirklich gar nichts zu sehen, danach wurde es stellenweise etwas besser, was ich vor allem dem unermüdlichen Einsatz von Melanie Behringer zuschreiben möchte, in Abstrichen auch Bianca Schmidt und Simone Laudehr. In müden Zahlen endet das Spiel 3:0 (Goeßling, Bajramaj, Behringer). Aber Leichtigkeit sieht anders aus.

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