Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 28. Oktober 2010

Coaching Zone: Deutschland - Australien

Die gute Nachricht: Deutschland gewinnt 2:1. Die schlechte: Lackjackentag.

Eigentlich ein vielversprechender Beginn: Ursula Holl im Tor, eine sehr nette Überraschung.
Darüber hinaus: die gewohnte Offensiv-Riege und die ebenso gewohnte zerfranste Abwehrkette. Wir erwarteten genauso wie Silvia Neid viele Tore, denn "das Ergebnis zählt" (Neid).
Aber eigentlich, können wir nach dem 2:1 Endstand korrigieren, zählt doch auch die Unterhaltung. Nicht jede Woche muss hier eine 5:0 Klatsche gegen die Gästinnen her, aber die Karla-Kill-Metalität war heute auch nicht jeder Spielerins Sache...

Bis zur 27. Minute schienen eigentlich alle Aktionen auf das Tor der Autralierinnen ausgerichtet, doch dann nutzte Samantha Kerr ein Abstimmungsproblem in der Viererkette zum eiskalten Lupfer und zum 0:1. Deutschland sozusagen Down Under! In der 35. Minute folgte dann zum Glück der Ausgleich. Lira Bajramaj wurde von Birgit Prinz freigespielt und hatte dann das Auge für Inka Grings, die den Ball gerade noch in die rechte Ecke schlenzt. Das Spiel phasenweise so ungefährlich, dass wir in Gedanken einige Zeitlupen aus der Fußballerinnenkarriere von Turbolira einspielen: --- Lira rennt, und rennt, und rennt, sie ist nicht vom Ball zu trennen, sie umspielt fünf gegnerische Spielerinnen, aber sie rennt noch immer und... ja, da war wieder die Torauslinie...--- Bajramaj ist nicht nur eine der Gewinnerinnen des heutigen Abends. Sie ist inzwischen auch einfach eine geile Fußballerin. Aus Christiane Ronaldo ist eine der dynamischsten, mannschaftsdienlichsten Standardspezialistinnen auf dem Platz geworden.

Für das Siegtor musste man aber noch weit in die zweite Hälfte warten: Martina Müller, die in der Halbzeit für Kim Kulig gekommen war, konnte einen mit herrlicher Übersicht von Laudehr hereingespielten Pass im Nachschuss verwandeln. Schön für Müller, in der eigenen Stadt zu treffen! Ihr Handzeichen wird danach leider offensichtlich missverstanden: Time out. Was ich wollte, hab ich jetzt. Und das wars...

Wenden wir uns also statt dessen Silvs Fußballblog, äh, Fußballblock zu: Groß angekündigte Experimentierfreude im eigentlich großartigen Angriff. Frei nach Martina Müller: Was so schön war, das soll sich nicht wiederholen. Alles raus, was raus gehen kann. Und wer nicht mehr gehen kann, der wir eben mit der Trage vom Platz geholt. Der wackelnden Viererkette gab Silvia Neid dafür umso mehr Möglichkeit und Ruhe, sich zu finden. Und so suchten denn Bartusiak, Goeßling, Peters und Fuß ... und suchten, und suchten... Als sie schließlich Ariane Hingst im Mittelfeld fanden, war die Konfusion perfekt.Mal ernsthaft: Eigentlich muss man Silvia Neid Respekt zollen. Dieses ganze Hin und Her in der Aufstellung kann natürlich nicht dazu führen, dass eine Mannschaft in der zweiten Halbzeit ihre Gegener überrennt. Wenn man nach 45 Minuten quasi wieder beim Einspielen anfängt, ist das keine große Werbung für den Frauenfußball - vielleicht aber eine wichtige Erfahrung und großartige Möglichkeit für jüngere wie ältere Spielerinnen, doch noch irgendwie vielleicht anders usw. auf den WM Zug aufzuspringen. Neben den ganzen DFB "unsere Fußballfrauen sind richtige, nicht lesbische aka böse, männliche Nagellackträgerinnen"-Werbekampangen für die WM im nächsten Jahr scheint es Silvia Neid immerhin noch um Fußball zu gehen. Oder hat sie sich diese Freiheit damit erkaufen müssen, als überdimensionaler Lippenstift auf der Hühnerstange zu sitzen? Und wollte Silke Rottenberg uns etwas damit sagen, dass sie das Kleidungsensemble der Bundestrainerin in blau gewählt hatte? Diese, unsere Fragen, haben es leider nicht durch die Chat-Moderation des ZDF geschafft... Daher keine Antwort.

An dieser Stelle treten wir aus unsere Choaching Zone heraus, gerade noch die graue Lackjackenmaus KMH im Augenwinkel, und wenden uns den rahmenden Werbespots dieses Abends zu.

Kurz innehalten, durchatmen:
YOU GOT TO BE FUCKING KIDDING US!
Mit dem Magnetlasso ausgeschnitten schweben Birgit Prinz, Lira Bajramaj und Saskia Bartusiak im schlechtesten Blue Screen-Szenario seit Superman und reden wie Tick Trick und Track mit vorgehaltener Knarre.
Ein kurzer Moment der Freude, der allerdings durch Karla verkackt, äh, verkickt wurde.
Und schließlich, man hat schon fast keinen Atem mehr, auch noch im Schnelldurchlauf das basisdemokratisch zu wählende Lippstick-Lackjackenplakat-Platz 2011 mit einer einzigen, von uns sofort favorisierten Möglichkeit.
Bei soviel Frauenfußball außerhalb unserer natürlich rein spiel-taktischen Choaching Zone sind wir fast dankbar, dass hier heute nicht der Moment ist, sich dieses alles zur Brust zu nehmen.

Nur soviel noch aus unserer rein taktisch ausgerichteten Coaching Zone:
Herzlichen Glückwunsch, Uschi Holl, zur Lebenspartnerschaft!

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