Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 18. Februar 2010

Coaching Zone: Deutschland - Nordkorea

Die Nordkoreanerinnen sind altbekannte Gegnerinnen. Klein und wuslig, wie Linda Bresonik in Die besten Frauen der Welt bemerkte, da spieln wir gar nich gerne gegen. Und doch hatte man sie für dieses Freundschaftspiel aus genau diesen Gründen ausgewählt. Doch von der Flinkheit, dem scharfen Kurzpassspiel und der geradezu ungeheuerlichen Laufbereitschaft der Koreanerinnen war gestern, in der MSV Arena Duisburg, wenig zu spüren. Auf der anschließenden Pressekonferenz erklärte der Trainer der Gäste dies mit der Unerfahrenheit seiner Mannschaft: Die altgedienten Spielerinnen seien zu Hause geblieben, er habe mit Nachwuchstalenten ausprobieren und experimentieren wollen. Eine ganz andere koreanische Mannschaft werde man bei der WM 2011 in Deutschland zu sehen bekommen, prognostizierte auch Silvia Neid. Sah man jedoch wenig von den Nordkoreanerinnen, so konnte man sich umso intensiver auf die deutschen Fußballerinnen konzentrieren. Ein spannendes Spiel im Sinne eines Kampfes auf Augenhöhe war es eigentlich nicht, wohl aber überzeugte die deutsche Nationalmannschaft durch gut vorgetragenes Kombinationsspiel, dass auch im Abschluss effektiv war (Endergebnis 3 - 0). Mit Blick nicht nur auf die WM 2011, sondern auch den nächste Woche beginnenden Algarve-Cup (letztes Jahr quasi die Geburtsstunde Kim Kulig), waren einige spannende Entwicklungen zu beobachten. Zum einen: Birgit Prinz bei ihrem 200. (!) Länderspiel aus der Rige der „Alten“ allein auf weiter Flur: Kerstin Garefrekes musste auf der Außenbahn erstmals Platz für Lira Bajramaj machen. Diese nutzte ihre Chance zu überzeugen: Bereits bei den letzten Spielen war zu spüren, dass ihr kraftvolles, gleichwohl verspieltes und hoch versiert technisches Spiel das Publikum begeisterte. Immer mehr ist Bajramaj nun auch im Stande, ihre großen Qualitäten auch mannschaftsdienlich einzubringen und sie wird – so meine Prognose – aus dem A-Kader der WM kaum wegzudenken sein. Kim Kulig hingegen agierte heute eher enttäuschend und musste nach 70 Minuten vom Platz, weil sie „nicht mehr konnte“ (Neid). Es stellt sich mir die Frage, weshalb sie trotzdem von der Bundestrainerin in so hohen Tönen gelobt wurde. Niemand möchte Kim Kulig vom Olymp stoßen, doch auch einem Mesut Özil muss man eine kreative Flaute zugestehen können. An die Frage im Kim Kulig schließt sich die Überlegung an, ob die Doppel 6 taktisch die zukunftsträchtigste Aufstellung ist oder welche neuen Spielsysteme mittelfristig denkbar wären, so dass Silvia Neids angekündigten Experimente nicht ausschließlich personell, sondern auch strukturbezogen Früchte tragen könnten. Für mich stellt sich zusätzlich ganz zentral die Frage (und zwar ohne untergründig eingelagerte Bewertung), ob das Spiel der deutschen Frauen auf eine starke und eingespielte A-Mannschaft hin ausgerichtet wird oder ob die Bundestrainerin eher mit einer Art „Mannschaftskörper“ operieren möchte, in dem durch die (behauptete?) Flexibilität einzelner Spielerinnen und viele Auswechslungen eine quasi „fluide“ Aufstellung entsteht, in der nur die Positionen als „Leerstellen“ fix sind. Natürlich kommt diese Frage früh. Ob zu früh, wäre zu diskutieren. Neben dem Raumbezogenen Fußballverständnis von Birgit Prinz war deutlich zu sehen, welche Spielerinnen auch in der Bundesliga zusammen spielen (z. B. Bajramaj / Mittag), während andere Spielpaarungen noch in Unkenntnis über die Laufwege der Mitspielerin agierten (z. B. Laudehr / Kulig). Das Experimentieren mit möglichst vielen Spielerinnen wird so immer auch Schattenseiten tragen. Vor diesem Hintergrund wird der Algarve-Cup sicherlich aufschlussreich sein.
Zwei Enttäuschungen zum Schluss: 1) Warum war Bianca Schmidt die einzige Spielerin, die nicht zu ihrem Einsatz kam? 2) Die Kulisse in Duisburg mit unter 10.000 Fans konnte einen mit Blick auf das kommende Jahr durchaus nachdenklich stimmen...

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