Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 27. August 2009

Coaching Zone: Frankreich - Deutschland

Das zweite Vorrundenspiel der EM 2009 sieht für Deutschland auf dem Zettel super aus: 5:1 gewonnen, Viertelfinale erreicht. Und man kann tatsächlich sagen, dass die deutschen Frauen diesmal ihre Chancen besser verwertet haben: 3 der 5 Tore fielen schon in der ersten Hälfte.

Anders als im letzten Spiel zeigten sich aber diesmal auch deutliche Schwächen - man könnte sagen, die harte Schale des Topfavoriten beginnt an der ein oder anderen Stelle zu bröckeln.
Das Gegentor fiel nach einem solchen Schwachpunkt: Linda Bresonik verliert den Ball in der eigenen Hälfte, Ariane Hingst muss der Ballführenden entgegengehen und reißt so ein tiefes Loch in die Viererkette. Die Franzosen nutzen den Raum. Einfach gesagt: sobald die Deutschen nur leicht den Raum öffnen kann auch eine Nadine Angerer nicht mehr immer halten.

Diese Erkenntnis führt zu mehreren Überlegungen. Zunächst: Hat Ariane Hingst ihren Zenit überschritten? Die Innenverteidigerin wirkte weit weniger sicher und konzentriert als noch gegen Norwegen. Sind die Positionen auf der Doppel6 mit Bresonik und Kulig insgesamt zu offensiv ausgerichtet? Eigentlich sollen diese Positionen auch die Viererkette entlasten, bei Bresonik und Kulig zwischen offensiver und defensiver Ausrichtung zu unterscheiden ist jedoch schwierig. Wird durch diese offensive Ausrichtung die Möglichkeit für die Außenverteidigerinnen Vorstöße nach vorne zu wagen reduziert? Bianca Schmidt, die sie wieder für die Stammelf empfehlen konnte (bzw. eigentlich ist sie ja schon voll drin), lässt in Ansätzen immer wieder durchscheinen, welch Sprintqualitäten sie auf der Außenbahn ausleben könnte, Torgefährlichkeit nicht ausgeschlossen. Wird sie darin von den Platzfordernden Außenpositionen und der omnipräsenten Doppel6 eingeschränkt? Und wo war Birgit Prinz in der zweiten Hälfte? Außer bei der Vorbereitung des 5:1 hatte sie sehr wenige Szenen. Von der einstigen Torjägerin ist sie mittlerweile zur Ballverteilerin geworden. Ein Rückschritt?

Silvia Neid probierte auf der Doppel6 heute etwas unerwartetes: Saskia Bartusiak kam für Kim Kulig. Doch man kann sich fragen, ob sie tatsächliche Alternative oder eine eher taktische Auswechslung war (Kulig war gelb gefährdet). Wie an Kuligs Stelle holte sie sich sofort die gelbe Karte ab und fiel danach eher durch ihre Fehlpässe auf.

Doch halt, ein paar Schritte zurück. Es war ein gutes Spiel, abwechslungsreich und unterhaltsam. Spielschwächen führen ja manchmal auch zu interessanten und fruchtbaren Gedankenspielen. Ein solches Spiel wie heute schürt das Interesse an dem Weg der Frauenfußball-Nationalmannschaft mehr als ein ungefährdeter und unaufgeregter Arbeitssieg.

Trotzdem hoffen wir auf etwas mehr Leichtigkeit, etwas mehr Spielfreude, etwas mehr Mut in der taktischen Starre im Spiel gegen Island und allem, was danach kommt.

P.S. Was ich noch (zum letzten Spiel) zitieren wollte:
“Neids schönste Joker! Am Vorabend hatten sich die Mädels auf dem Hotelzimmer noch gegenseitig die Fingernägel lackiert. Gestern gab es Lack für Norwegen...”
(Bild, 25.08.09)

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