Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Donnerstag, 30. Juli 2009
Coaching Zone: Deutschland – Japan
Ich muss gestehen, die Bildqualität (nachmittägliches Licht ist dem Fußball nicht zuträglich) sowie die asiatischen Namen haben es mir schwer gemacht, die einzelnen Spielerinnen der japanischen Mannschaft gut zu unterscheiden. Doch es scheint auch nur konsequent, dieser kompakten Mannschaftsleistung Tribut zu zollen. Durch ruhiges Pass- und sicheres Stellungsspiel, gutes Zweikampfverhalten und vor allem das Gespür für den richtigen Moment gelang es ihnen, die Spielfreude der Deutschen immer wieder zu unterbinden und dem Spiel ihre Dynamik aufzudrücken. Ganz im Gegensatz zu den Deutschen: Hier ragten deutlich zwei Spielerinnen aus dem Kader heraus. Nadine Angerer (im Dunstkreis ihrer Abwehr) und Inka Grings waren hoffentlich ganz oben mit dabei, als die Bundestrainerin den Korrekturstift zückte. Ich meine, Nadine Angerer ist zu Recht Welttorhüterin. Doch, wie es in Ernst Lubitschs „Sein oder Nicht-Sein“ heißt, welcher widrige Wind hat denn gestern in ihre Pantoffeln geblasen? Streckenweiße geradezu peinliches Hin- und Hergeschiebe des Balles vom kompletten Abwehrstab im 16 Meter Raum, bedrängt von abschlusswütigen Japanerinnen und schließlich ein bemüht wirkender Heber des Balles von Angerer über den Kopf der ersten in die Beine der zweiten Angreiferin. Immer wieder lässt Angerer ihr Klasse in Einzelaktionen aufscheinen, doch als Gefüge knirscht der Spielaufbau durch die Abwehr im deutschen Team noch gewaltig. Auf der anderen Seite des Platzes: Der durch Inka Grings personifizierte Deutsche Abschluss. Was den Moderater des ZDF dazu bewogen hat, Grings zu seiner persönlichen Spielerin des Tages zu nominieren, ist mir immer noch schleierhaft und zeigt wieder mal, wie man durch subtile Kommentare einen Sachverhalt völlig verkehren kann. Denn obwohl Grings eine Rakete und eine Vollblutstürmerin ist, deren Wichtigkeit für das deutsche Team nicht unterschätzt werden darf, so darf doch auch nicht übersehen werden, wie viele ihrer Großchance durch mangelnde Übersicht oder egoistische Alleingänge vergeben werden.
Trotz eines müden 0 – 0, das im Ergebnis müder wirkt, als das Spiel tatsächlich war, hatte und hat die Bundestrainerin allen Grund, in der abschließenden Spielanalyse entspannt zu sein. Sie hat eine starke Truppe mit routinierten Älteren und talentierten Jungspielerinnen, denen der Ehrgeiz auch in jedem dieser Testspiele anzumerken ist. Doch es ist auch spürbar, dass das beste Gemisch, die beste Zusammensetzung noch nicht gefunden ist und so freuen wir uns auf das nächste und letzte Testspiel gegen Russland am 6.8. in Bochum.
Mittwoch, 29. Juli 2009
Schnittini: das erste Sammelposter im Frauenfußball, exklusiv für die EM 2009
Pünktlich zum Ende des Panini Bundesliga Sticker Heft präsentiert das Projekt Spielfeldschnitte
Nachdem jahrelang kleine Mädels und Jungs und manchmal auch Große kleine Tütchen aufgerissen haben, nur um dann traurig die doppelten zu den dreifachen zu legen, bietet "Schnittini"
Bildchen No°1
Bildchen No°2
Bildchen No°3
Bildchen No°4
Bildchen No°5
Bildchen No°6
Bildchen No°7
Bildchen No°8
Bildchen No°9
Bildchen No°10
Bildchen No°11
Spielplan
Sonntag, 26. Juli 2009
Coaching Zone: Deutschland - Niederlande
Das 6 - 0 Endergebnis steht dabei zwar nicht für die Gesamtqualität des Spiels, wohl aber für höchstqualitative Phasen im deutschen Spiel, auf deren Grundlage man sich keine Sorgen machen müsste, würde morgen das Finale um die Europameisterschaft anstehen. Dass insgesamt die ersten 30 Minuten die besten und effektivsten waren, liegt vor allem an einer neuen und einer alten Stärke der Nationalmannschaft.
Die alte Stärke kommt über die Außen: das Deutsche Angriffsspiel ist immer dann besonders effektiv, wenn Behringer und Garefrekes die Flügelwege dominieren und durch das Vorstoßen von der Grundlinie in die Mitte jede Abwehrkette aushebeln. Die ersten 30 Minuten des gestrigen Spiels kannte unzählige solcher Duelle, bei denen die Niederländischen Außenverteidigerinnen meist das Nachsehen hatten. Gerade Behringer zeigte eine allumfassende Leistung von fragilem Duell an der Strafraumgrenze bis linienartigen Distanzschuß aus der zweiten Reihe.
Die neue Stärke ergab sich aus einer überraschenden Entscheidung der Bundestrainerin. Es war abzusehen, dass Neid jede Hälfte mit einer anderen Aufstellung absolvieren würde und dass es bei dieser Gegenüberstellung eher nicht um die Torwartfrage ging (bei der Ursula Holl wirklich nicht schlecht abgeschnitten hätte). Anstatt, wie erwartet, sich zwischen Birgit Prinz und Inka Grings entscheiden zu müssen, probierte Neid es einfach mit beiden zugleich - eine Variante, die besser klappte, als man es erwartet hätte. Grings, teilweise leider zu ballverliebt, übernahm den offensiveren Part und brachte mit ihrer Beweglichkeit und geschickten Laufwegen die Innenverteidigung durcheinander. Prinz, als hängende Spitze, zeigte sich als geschickte Ballverteilerin mit selbstloser Übersicht, ganz entgegen der früheren Rolle als Torjägerin. Eine Front mit diesen beiden Offensivkünstlern, gestützt durch die entzerrende Flügelarbeit könnte in so leichtfüßigen ersten 30 Minuten auch mehr Tore erzielen, als es gestern der Fall war.
Warum das Spiel dann später an Tempo und Sicherheit verlor? Es mag an der ungefragten Vormachtstellung der deutschen Mannschaft liegen, die auch nach der Halbzeitpause eindrücklich demonstriert wurde. Die Beweglichkeit der Spielerinnen auf dem Feld nahm deutlich ab und auch wenn die Niederländerinnen auch dies nicht zu ihrem Vorteil nutzen konnten, offenbarte diese zweite Phase des Spiels doch einige Fragezeichen der deutschen Truppe. Bresonik wieder in der Viererkette, oder doch auf ihrer Spezialposition vor der Abwehr? Was ist die Alternative für die rechte Außenverteidigerposition? Kerstin Stegemann? Und werden Hingst (einige Stellungsfehler) und Krahn rechtzeitig zu ihrer Form zurückfinden? Einzig Babett Peter scheint wohl hinten links als sicher. Der Rest der Defensive wird sich in den nächsten zwei Tests noch finden müssen. Birgit Prinz hat es nach dem Spiel richtig formuliert: Noch ist es zu früh, Spekulationen über die EM anzustellen. Es scheint jedoch, als bräuchten die Spielerinnen keinen Angriffs-Lehrgang mehr, sondern sollten lieber noch ein paar Lektionen in “Abwehr und Stellungsspiel” absolvieren.
Mittwoch, 8. Juli 2009
My b/log has something to tell you about... Fußball ist auch Frauensache.
Die Plakatserie zur WM 2011 lenkt die Aufmerksamkeit auf die Sache der Frau. Sache der Frau ist auch Fußball. Oder Fußball auch Sache der Frau. Sachte gesagt ist die Sache aber nicht einfach. Denn den Fokus auf die Sache zu lenken, also auf den Kern der Sache, den Sachinhalt oder die Sachaussage, führt meist, wie auch hier, zu gehobener Mehrdeutigkeit. Welche Art der Inspiration hinter dem Motto der Frauen WM steht, bleibt Sache der Werbeagentur. Der Leser sollte sich aber nicht auf eine hermeneutische Lesart zurückziehen. Denn was der Autor uns damit sagen will, ist alles andere als im Kern der Aussage verankert.
Zunächst fällt der Blick gar nicht auf des Pudels Kern. Vielmehr ziehen die Plakate Aufmerksamkeit durch die prominente Überschrift und Prominenz – immerhin freuen sich hier Michael Ballack, Joachim Löw und Bastian Schweinstieger neben und mit Anja Mittag, Silvia Neid und Steffi Jones auf das Sommermärchen, die WM 2011. Die Stimmung auf den Postern ist gut und vermittelt Integrativität. Ein großes Familienevent eben.
Betrachten wir die Plakate jedoch in Serie, kriegen wir den roten Faden der Sache zu fassen. Dass es hier gerade nicht um sächliches geht, ist offensichtlich. In der Äußerung steckt der Versuch der Emanzipation: Frauen können Fußball spielen, viel besser auch, als gemeinhin angenommen und viel zu gut, um weiterhin im Schatten der männlichen Stars zu stehen. Daher versucht man es auf den Postern eben mal nebeneinander. Doch wie so oft kommt der Emanzipationsversuch nicht ohne Paradox daher: Selbst wenn die Männer sich freundschaftlich neben ihre Kolleginnen stellen, wirft dies(es) auch seinen langen Schatten über die Frauensache. Überhaupt, ein Begriff des inhaltlichen Tiefgangs! Eine kurze Suche zur Sache der Frau ergibt Kosmetik, Make-Up, Figur, Partnerschaft, Schönheitsfarm, Ernährung, Lifestyle- und Wohlfühlprodukte.
„Webstühle sind Frauensache, Gemeindeversammlungen nicht.“ sprach der griechische Komödiendichter Menander zu einer Zeit, als Frauen und Sklaven im Theater zusammen in den hintersten Reihen sitzen mussten. Und mit dem französische Historiker Jules Michelet (1798 - 1874) fügen wir hinzu: „Des Mannes Sache ist es, zu verdienen, Sache der Frau, richtig auszugeben.“
Was des einen und was der anderen Sache ist, haben unsere gesellschaftlichen Stereotype längst festgeschrieben. Wer verdient und wer ausgibt, wenn es auch noch so unverdient ist. So bleibt dem Manne die Pogo-Rausch-Arena und dem Weibe das Fußballfamilienfest. Dem Manne bleibt, das Bild zu zeichnen, dass die Frau dann auch mal borgen darf.