Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Mittwoch, 31. März 2010

denk.anstoß: Wann ist der Mann ein Mann?

In der ZEIT Nr. 12/2010 war zu lesen: Der Berliner Fußballclub Türkiyem Spor ist für sein „Konzept zur Entwicklung und Installation von Mädchenfußball“ mit der Berliner Tulpe 2009 ausgezeichnet worden. So war es zumindest auf der Homepage des Vereins zu lesen. Tatsächlich aber hatte die engagierte Pressesprecherin und Vorstandsmitgliedin Susam Dündar-Isik im Namen von Türkiyem Spor das Berliner Bündnis gegen Homophobie unterschrieben. Unter ihrer Schirmherrschaft hatte der Club die Austragung des schwul-lesbischen Sporttuniers Respect Gaymes übernommen und von einem schwulen Anti-Gewalt-Projekt einen Toleranzpreis erhalten. Inzwischen ist auf der Homepage des Vereins auch nachzulesen, dass dieses Engagement gegen Homophobie nachhaltiger Grund für die Auszeichnung gewesen ist. Doch die Frau hinter diesem Engagement ist inzwischen von ihren Aufgaben entbunden.

In der gleichen Ausgabe der ZEIT wartete das Feuilleton mit einer provokativen These im Zusammenhang der Missbrauchsfälle in Kirche und Reformschule auf: Statt sexuellen Missbrauch auf das Konto homosexueller Männer zu buchen, situiert Susanne Mayer ihn direkt im Herz der heterosexuellen Männerbünde. Es gehöre zum Wesen des Patriarchats zitiert sie Pierre Bourdieus Die männliche Herrschaft, dass es sich nicht bekennt. Gerade im Schweigen liege seine Macht. „Männlichkeit steht, im doppelten Sinn, nicht zur Diskussion. In dieser Kopplung von Macht und Schweigen findet sich eine beklemmende Nähe zum Geschehen des Missbrauchs.“ Die pädophilen Übergriffe von Männern auf männliche Kinder begreift Mayer am Ende ihres Artikels als Abwehr des homophilen Elements, „was noch jedes Foto einer Vorstandssitzung gnadenlos outet.“ Männliche Kinderschänder verführten mit Nähe, mit dem Versprechen der Männlichkeit und verdammen ihre Opfer zum doppelten Schweigen, weil sie diesen Jungen eine homosexuelle und damit gesellschaftlich abgewertete Sexualität überstülpen würden. Im Kern patriachaler Institutionen, die ihre ganze Macht aufwenden, um homosexuelles Begehren lächerlich zu machen, abzuwerten oder zu bestrafen scheint als Kehrseite eine sich in Innere dieser Institutionen richtende Aggressivität zu verbergen, die zum Schweigen zwingt. Die provokante Beschreibung Mayers versteht also nicht den Schwulen als „schwarzen Mann“ gegenüber dem weißen heterosexuellen Max Mustermann. Vielmehr versteht sie das Männlichkeitsverständnis von Max Mustermann als Zwangsprodukt von institutionellen Machtstrukturen.

Wagen wir einen dritten Blick: Die DSF Dokumentation Tabubruch – Der neue Weg von Homosexualität im Fußball von Aljosch Pause ist mit dem Fernseh-Grimme-Preis ausgezeichnet worden. Zwei eindringliche Filme über das große Tabu des, ich schreibe es groß, DES Männersportes in Deutschland, ein Blick in DIE Arena der Männlichkeit. Wenn Susanne Mayer von Vorstandsbildern schreibt, die das homophile Moment von Männergruppen outet, sollte sie mal einen Blick in die deutschen Fußballstadien werfen. So mancher Fußballer betont in der Dokumentation, er würde sich vor einem homosexuellen Mitspieler nicht mehr „nach der Seife bücken“ - damit der Zuschauer überhört, dass Fußballer nackt zusammen duschen? Wenn Fans homosexuellenfeindliche Sprüche rufen, tun sie das, damit niemand darüber nachdenkt, dass sie mit ihren Blicken jede Woche 22 muskelbepackten, schwitzenden Männerkörpern folgen?

Es ist an der Zeit, dass Männer sich fragen, was sie zum Mann macht. Wenn die Macht der männlichen Herrschaft darin besteht, sich nie selbst in Frage zu stellen, dann ist Männlichkeit ein totalitäres System, dass auch seinen Trägern gegenüber tendenziell gewalttätig ist. Wann fangen Männer an, das nicht mehr zu akzeptieren? Die ganze Frage nach dem ersten Fußballer, der sich outet, nach der ersten Fußballerin, die mit Spielerfrau vor die Kamera tritt, kreist nämlich gar nicht so sehr um die Frage, wer das ist. Das es diese Menschen gibt, wissen wir alle. Die Frage zielt in den Kern des patriarchalen Zuschauertums und ihre Fähigkeit, die Wahrheit über Kaderschmiede der Männlichkeit zu verkraften, die Wahrheit, dass es zwischen IHNEN und DENEN gar nicht so viele Unterschiede gibt.

Sonntag, 28. März 2010

Der Schnitte zum Geburtstag (Des Manifests 2. Teil)

Liebe Spielfeldschnitte. Vor einem Jahr, genau an diesem Tag, warst du gebacken. Gestehen wir ein, es war tatsächlich ein wenig später, doch gezeugt warst du an diesem Tag aus zwei Gedanken, die sich blitzartig trafen.
Lass uns rekapitulieren, wie es dazu kam: Zwei Frauen stellten fest, es wird nur über den Frauenfußball gelacht, doch niemals mit ihm. Wir attestierten Ernsthaftigkeit und Unauffälligkeit als Taktik Nummer Eins, wenn es um den Kampf um Anerkennung und gegen Vorurteile geht. Bierernst. Die Notwendigkeit dieses Kampfes leugnen wir nicht, ja, wir wollen gerade unser Augenmerk auf sie richten.
Was hast du, liebe Schnitte, seit einem Jahr nicht alles gesehen, was bist du geworden! Wir glauben, dass die Kraft in diesem Kampf im befreienden Lachen liegt, in der Befremdung und Infragestellung, im Niemals-ankommen, im Projekt. Niemals von Anfang an dabei, niemals bis zum Schluss, stehen wir am Rand, statt mittendrin zerquetscht zu werden, wir schreiben über die Darstellung, statt Informationen zu vermitteln.
Dies ist auch eine Liebeserklärung. Denn, liebe Spielfeldschnitte, du bist nur eine, wenn du zwei bist.
Deine Mayte

P.S. Zur Feier dieses und weitere Tage möchte wir euch, all unsere Leserinnen und Leser, zum gemeinsamen Fußballschauen in die Astra Stube nach Hamburg zu Spielfeldschnitte und Alstawasser einladen! Das ganze findet am 22.4. ab 15.30 Uhr statt.

Dienstag, 23. März 2010

My b/log has something to tell you about... Theo, spann den Wagen an. Denn der Wind treibt Regen übers Land.

Theo kann hart sein. Und hart durchgreifen. Wenn zwei seiner Söhne sich kebbeln, dann greift er sofort ein. Und ergreift meistens auch sofort Partei.

Wenn einer seiner Söhne ein Problem hat, dann hat Theo immer ein offenes Ohr.
Man kann immer zu ihm kommen.

Manchmal passiert es aber auch, dass der Sohn nur mit Theo reden wollte. Nur mal erzählen. Und nicht, dass Theo irgendwas tut. Doch da hat Theo meist schon den Vater des anderen Jungen angerufen.

Theo ist auch sehr herzlich. Ein liebevoller Familienvater. Der der Tochter bald auch mal peinlich ist, weil er für sie einen Glücksbringer mitgebracht hat. Er kann auch überbesorgt sein. Trotzdem findet sie es auch insgeheim gut, dass sie seine Aufmerksamkeit bekommt. Theo ist gut darin seinen Kindern an den wichtigen Stellen Aufmerksamkeit zu schenken. Auch wenn man mal einen Kollegen von der Arbeit im Park trifft, wendet Theo sich nicht von seinen Kindern ab.

Einmal hat Theo etwas zu schnell den anderen Vater angerufen. Und jetzt hat er einen ganzen Haufen von Vätern an der Backe. Er versucht trotzdem hart und bei seiner Meinung zu bleiben. Ein paar seiner Kinder bekommen plötzlich Angst, dass er in den nächsten Wochen weniger Zeit für sie haben könnte.
Theo telefoniert jetzt immer soviel und manchmal, wenn er etwas sagt, hat es den Anschein, dass ihn dann nur noch mehr Leute anrufen.

Seine Tochter fragt sich bald: was mache ich eigentlich, wenn er nicht mehr da wäre?

Dienstag, 9. März 2010

denk.anstoß: Der (Tipp-)Kick meines Lebens

Während sich allerorts über die dramatischen Szenen hinsichtlich der Spielausfälle in der 1. Frauenfußballbundesliga die Finger wundgetippt werden, möchten wir dem Komplex "Schröder gegen Rest", oder "Keiner gegen den DFB", oder "Alle gegen den HSV", an dieser Stelle nichts weiter hinzufügen. Stattdessen nutzen wir die Vorkommnisse um auf eine interessante Entwicklung im Bereich Indoor-Sport hinzuweisen. Gegen frustrierende Spielausfälle hilft bekanntlich vor allem der Rückzug ins Warme.

In 85 Jahren Tipp-Kick-Kultur gibt es jetzt die Premiere für die erste weibliche Tipp-Kick-Figur. Das war auch den Kollegen der Taz und der Zeit eine Erwähnung wert. Die Zeit führte schon im letzten Jahr in der Ausgabe vom 22. Dezember ein Gespräch mit Firmeninhaber Mathias Mieg. Die Taz schreibt am 23.Februar über die neue Figur, die ab September 2010 erhältlich sein soll. Bei beiden Artikeln liegt der Fokus auf der äußerlichen Erscheinung der Figur. Die Fragen der Zeit-Redakteuren drängen Mieg förmlich dazu, die Größe der Oberweite und die Haarfarbe genau zu erklären und zu rechtfertigen. Irritieren tun vor allem die braunen Haare - man hatte wohl eher blond erwartet - und die kleinen Brüste, "vermutlich trägt sie einen Sport-BH, der etwas zu stramm sitzt und den Oberkörper daher ungünstig verflacht. Vielleicht hat sie aber auch einfach nicht soviel Holz vor der Hütte" (Taz).

Dass die Figur aber kein neues Objekt für den männlichen Blick sein soll, muss wohl der ein oder andere erst noch verstehen. Es ist auch völlig egal wie die Figur genau aussieht. Wichtig ist doch vor allem das arg verspätete Statement ("damit habe man zu lange gewartet, bereut Mieg") eine weibliche Figur einem weit verbreiteten Spiel mit einer langen Tradition zuzumuten. Dass die Figur schwerlich der durchschnittlichen Fußballerin gleichkommen kann, ist nur logisch, schließlich haben auch nicht alle Männer eine Frisur wie die männliche Figur. "Tipp-Kick darf nicht sexistisch sein", sagt Mathias Mieg. Und in der Diskussion um die Figur über Frauenfeindlichkeit zu spekulieren hat auch weniger mit der Figur zu tun - egal wie sie aussehen würde, allein dass es eine gibt, erzeugt schon den Fokus auf den Umgang mit den Geschlechterkategorien. Das finden wir ziemlich gut, solange die Diskutanten nicht wie automatisiert davon ausgehen, dass Frauen im Allgemeinen und Fußballerinnen im Speziellen große Baumvorräte mit sich herumtragen. Schwach ist auch vor allem so eine Aussage wie aus der Süddeutschen Zeitung: dort wird leichtfertig die Überfälligkeit der Figur damit begründet, dass die Zeit der Männervorherrschaft im Fußball schon längst vorbei sei (und Birgit Prinz übrigens mit "Kapitän" betitelt).

Das Schöne an der Figur: sie hat einen Dialog möglich gemacht. Der vielleicht dann hoffentlich über dem 126x86 cm Filzrasenstück auch weiter und über Äußerlichkeiten hinausgeht.
Es soll übrigens zwei Trikot-Designs geben: schlichtes schwarz-weiß und bunter Brasilien-look. Damit man schon vor der WM das Finale durchspielen kann!

Mittwoch, 3. März 2010

My b/log has something to tell you about... Portugal Adè

Kerstin Garefrekes scheint das neue Multi-Talent der Nationalmannschaft zu sein: mitte, hinten, außen, vorne - egal wo grad Bedarf ist, KG wirds schon richten. Würden sich alle Torhüterinnen auf einen Schlag verletzen; kein Problem, KG ist ja da. Für sie eigentlich gut, sie ist gefragt und wird oft aufgestellt.
Vielleicht kann man Urgestein Garefrekes als Symbol der plötzlich frisch ausgerichteten Aufstellungsphilosophie sehen. In vier Spielen an der Algarve wurde der Kader so flexibel eingesetzt, wie all die Jahre zuvor zusammengenommen.
Extremer Wermutstropfen bei aller Freude über die tollen Experimente: auch im Finale keine Live-Übertragung. Und die Mühe der oder des eifrigen Twitterers des DFB in allen Ehren, aber bei einem solch spannenden Spiel (jedenfalls in der Vorstellung) sind die Möglichkeiten dieser Übertragungsweise viel zu eingeschränkt. Vor allem wenn dann auch noch in der Schlussphase der Server überlastet ist.
2:3 verliert die deutsche Elf gegen die USA. Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Spiel mal verpassen würde. Vor allem nicht aus Nicht-Selbstverschulden. Die Zusammenfassung des Finales läuft erst um 24h auf DFB-TV. Das ist wirklich unverschämt spät. Schade, dass es keine Live-Übertragung gab, DFB-TV rechtfertigt das übrigens auf Twitter mit einer zu großen Datenmenge. Es wird wohl eher an einer mangelnden Ausgabewilligkeit einiger Funktionär/innen liegen.

Dienstag, 2. März 2010

My B/log has something to tell you about... Ich wär so gern an der Algarve!

(In ganz eigener und persönlicher Sache): So, nun möchte ich wirklich mal was sagen: ich bin frustriert. Zur Zeit findet an der Algarve wahrscheinlich das interessanteste was die Frauenfußball-Nationalmannschaft im Jahr 2010 zu bieten hat statt und nichts, rein gar nichts davon ist zu sehen. Ich gebe ja zu, dass man schon im vornherein wusste, dass es in der Sonne Portugals viele Spiele geben würde, bei denen nur auf ein Tor gespielt wird. "Ein besseres Trainingslager" nannte so manch einer das. Ich bin auch bereit einzugestehen, dass solche Spiele nicht unbedingt in die Must-See Kategorie fallen. Und trotzdem sind die ungesehenen Spiele an der Algarve das Spannenste Nationalteam-Geschehen seit der Europameisterschaft 2009. Man könnte fast meinen, dass Silvia Neid nur auf den Moment gewartet hat, in dem ganz Frauenfußball-Deutschland von der Bildquelle abgeschnitten ist, um die verrücktesten Sachen in Punkto Aufstellung zu probieren! Wir sprechen hier von Silvia Neid, die Bundestrainerin, die sich vor jedem größeren Experiement seit dem WM Beginn 2003 hütete und Stammkräfte wie Bresonik und Bartusiak noch so viele Bälle in den Orbit schießen konnten, sie würden niemals aus der Startelf gestrichen. Jetzt, wo sich kein Schwein für die Spiele interessieren kann, packt Neid die Experimentierlust. Goeßling auf der Sechs schießt ihr erstes Tor für die Nationalmannschaft und man kann noch nicht mal bewerten, ob oder wie sie Kim Kulig nacheifert. Prinz macht plötzlich eine Umschulung auf die Sechs, ein Neid`scher Schachzug, den man ihr bis zuvor nicht mal in kühnsten Träumen zugetraut hätte. Alle Spielerinnen kommen zu Einsätzen auf den unterschiedlichsten Position und das Team erreicht trotzdem mit links das Finale.
Und all das wird uns einfach vorenthalten. Stattdessen blödes Vancouver, wo die Kanadier doch eh den Sieg nach Hause tragen werden. Mein Gefühl sagt mir, dass ein Umbruch stattfindet im deutschen Team. Und das einzige, was man davon mitbekommt sind Ulrike "Uli" Ballwegs Kommentare zur Aufstellung. Sogar die TrainerInnen der Bundesligavereine sind an der Algarve versammelt, um zu schauen und zu tagen. Muss es noch mehr Gründe für eine umfassende Berichtserstattung geben?
Und wäre das Verpassen der größten Umbrüche im Jahre 2010 nicht schon genug, ist die einzige Informationsquelle zu den Spielen der DFB-Frauen Twitter. Die knappen Sätze zu Spielsituationen machen das Nicht-Sehen noch schwerer. Es ist einfach nicht zu fassen, dass ich verpasse wie Saskia Bartusiak sich schon beim Aufwärmen die Nase bricht (gute Besserung an dieser Stelle) und Kerstin "KG" Garefrekes Flanke von rechts ins Tor geweht wird. Allemal dramatischere Szenen als aller Wirbel um Bierhoff & Co.s Vertragsnichtverlängerung! Die frische Brise von der Algarve... auch im Finale brist sie ungespürt. (Naja, solange sie KG und Friends dabei hilft die USA vom Platz zu fegen soll sie weiter brisen. Trotzdem eine große Ungerechtigkeit!)