Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Samstag, 26. September 2009

My b/log has something to tell you about... 11 Freundinnen müsst ihr sein!


Es lebt sich schwer nach großen Erfolgen bei internationalen Turnieren. Der gemeine Fan, fast schon verwöhnt von regelmäßigen Live-Übertragungen und Beiträgen in den Printnachrichten, muß wieder große Anstrengungen aufwenden, um rund um den Lieblingssport Frauenfußball auf dem Laufenden zu bleiben. Erst nach mühsamen Internetrecherchen gibt es neues aus der Bundesliga und von den Idolen der EM. Von heilsamen Livebildern ganz zu schweigen.

Die Post-EM Depression konnte dieses Jahr aber noch gerade erfolgreich abgewendet werden: Es gibt ein neues Magazin für den Frauenfußball! Es kommt aus der 11 Freunde Redaktion und heißt passenderweise 11 Freundinnen. In der Oktoberausgabe des hervorragenden Magazins für Fußball-Kultur findet man es als Beilage, doch es soll auch unabhängig von dem (noch) seitenstärkeren 11 Freunde Hefts zu kaufen sein. Alle drei Monate gibt es jetzt also endlich gute Reportagen, interessante Interviews und ansprechendes Layout zu haben. Die erste Ausgabe des Magazins bietet ein sympathisches Interview mit Europameisterin Kim Kulig und gute Reportagen über die Position des Frauenteams des FC Bayern Münchens im Schatten der Männermannschaft sowie über den Verlauf und Ausgang der US-Profiliga WPS. Mit einer von Leichtigkeit und Unaufgeregtheit durchzogenen Sprache schaffen die MacherInnen ein Gefühl von humoristischer Ernsthaftigkeit. Dabei zeigt sich, dass man sich (auch) ohne lästige Zweideutigkeiten und absolut selbstbewusst (anders als man das vom DFB gewöhnt ist) mit dem Frauenfußball beschäftigen kann. “Eben ein eigenständiges Magazin für einen eigenständigen Sport.” Ein längst überfälliger Geschmack im Gewürzregal und daher umso gefeierter!

Und als ob das nicht schon genug des Guten wäre, gibt es im Zuge dieser tollen Premiere auch für uns etwas zu feiern: als einziges Blog wird im 11 Freundinnen Magazin das Projekt Spielfeldschnitte vorgestellt! Eine tolle Bestätigung und eine große Ehre! Wir sagen Danke und auf zu einer tollen Frauenfußballprintmagazin-Zukunft!

Online Auftritt des 11 Freundinnen Magazin

Dienstag, 15. September 2009

Die Ecke des Monats: Und wir waren alle dabei!

"Thousands, maybe millions."
(The Log Lady, Twin Peaks)

Freitag, 11. September 2009

Coaching Zone: EM Deutschland – England

Deutschland ist Europameisterin!

Das Projekt Spielfeldschnitte gratuliert den Frauen der deutschen Nationalmannschaft zu diesem furiosen siebten Sieg in Folge!

Wer wissen möchte, worum es im Fußball geht, der sollte sich die Performance „22. Juni 1974, 21 Uhr 03“ anschauen, wozu wir jüngst im Millerntor-Stadion in Hamburg die Gelegenheit hatten. Der italienische Tänzer Massimo Furlan spielt eines der ganz großen Spiele: Für 90 Minuten (plus Nationalhymne) schlüpft er in die Rolle von Jürgen Sparwasser, der mit seinem Treffer 1974 die Begegnung BRD gegen DDR zu Gunsten der DDR entschied. Jeden Schritt, jede Geste seiner Figur hat Furlan aus Videoaufzeichnungen rekonstruiert. Er rennt, gestikuliert, schießt. Und ist doch ganz allein auf dem Feld. Einen Ball gibt es auch nicht. Und die Zuschauer? Jeder hat ein kleines Radio bekommen und kann sich entscheiden zwischen den original Kommentaren von seinerzeit aus BRD und DDR. Man mag es nicht glauben, aber die Stimmung ist phantastisch. Jeder weiß, wann das Tor fallen wird, doch wird jeder Sprint auf das Tor von großem Jubel begleitet. Man lacht über die erhobenen Hände beim Foul an einem imaginären Gegner. Man freut sich, wenn man durch den Radiokommentar zu imaginieren im Stande ist, wo Beckenbauer gerade steht. Und wenn es doch langweilig wird, unterhält man sich eben mit den Banknachbarn.

Warum erzähle ich das alles?

Beim Fußball geht es nicht nur um das Spiel, Fußball ist eine Erzählung, ist großes Drama. Nicht von ungefähr findet es in den architektonischen Überbleibseln der antiken Tragödien statt. Die Gesten, die Tore... doch das ist nichts ohne die Erzählungen, die Kommentare, die Stimmung im Publikum, das gemeinschaftliche Erleben. Eine kathartische Reinigung.

Die tragische Heldin dieser EM war Birgit Prinz. Über keine wurde soviel gesprochen, diskutiert, gerätselt, gewütet. Die Frauenfußballcommunity glaubte sich ihrer Ikone beraubt oder fühlte sich berufen, sie selbst zu stürzen. Gestern schoss Birgit Prinz in der 20. Minute das 1:0 gegen England. Es war neben dem Anschlusstreffer von Simone Laudehr gegen Norwegen meiner Meinung nach das wichtigste Tor in diesem Turnier. Doch niemand hat so gut wie Birgit Prinz verstanden, dass es hier nicht um Tore geht. Im Interview direkt nach dem Spiel sagte sie, Tore wären für sie nicht der Gradmesser, ob sie gut oder schlecht gespielt habe.

Worum also geht es im Fußball? Es geht darum, dass wir als Zuschauende gemeinschaftlich an einer ganz einfachen wie unglaublich komplexen Geschichte teilhaben können, die für uns geschrieben wird und die wir selbst schreiben. Deswegen widmet sich diese Coaching Zone auch keiner eigentlichen Spielanalyse, sondern blickt vielmehr auf die Geschichte und die Geschichten der EM, um die es im gestrigen Spiel auch und eigentlich ging. Birgit Prinzist die kantige Heldin dieser Geschichte(n), die immer wieder betont, dass sie keine Projektionsfläche sein möchte. Sie würde nie ihre schwarz-rot-gold lackierten Fingernägel in die BILD halten (Bajramaj/Mittag) und gleicht auch sonst wenig den inzwischen herangewachsenen Vorzeigefrauen des deutschen Frauenfußballs. Das scheinen Gründe, weshalb zwischen Presse und ihr, Zuschauern und ihr eine Art Hassliebe existiert, die mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlägt. Doch das sind die wirklichen Helden.

Ob sie bei der WM noch einmal dabei sein wird? Eins ist jedenfalls klar: Eine wie sie wird es so schnell nicht mehr geben.

Es gibt nur eine Birgit Prinz. Das soll mein Schlusspunkt hinter dieser EM sein.

Dienstag, 8. September 2009

Coaching Zone: Deutschland - Norwegen

Mit einem 3:1 hat die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gegen Norwegen gewonnen und wird im Finale England gegenübertreten. Gestern um 19:45 konnte man sich endlich froh erschöpft zurücklehnen und sagen:
das hat wirklich Spaß gemacht!

Sicher mag mancher einwenden, dass die Titelverteidigerinnen ihr Potential nicht ausschöpften, insbesondere die ersten 45 Minuten sahen nach allem anderen als gutem Fußball aus. Und doch war dieses Spiel so anders als die letzten. Es war nicht mehr so sehr ein Arbeitssieg als ein emotionaler Kampf (ein bißchen auch gegen sich selber).

Vielleicht verdankt sich der Spaß an diesem Spiel etwas, was man mit einer guten Dramaturgie beschreiben könnte. So ähnlich wie ein spannender Bogen von Qual, Elend und Antipathie zu Freude, Ekstase und Sympathie. Unglück, Glück und sogar ein glückliches Ende - das ist echte Katharsis!

Was an diesem Spiel soviel Freude machen konnte: es hatte einfach alles!

Eine Halbzeit lang konnte man sich leidenschaftliche ärgern über die vielen Fehlpässe, die unnötigen Ballverluste in der eigenen Hälfte. Man konnte den Sympathieschmerz fühlen, wenn Inka Grings den zu steil gepassten Bällen hinterher sah. Man konnte sich lautstark fragen, wo eigentlich die Doppel6 und Birgit Prinz, wo Behringer und Garefrekes steckten. Das Herz blieb stehen bei jeder Standardsituation der Gegnerinnen in Furcht vor eklatanten Abwehrfehlern. Und zum ersten Mal seit sehr lange wurde einem wieder bewusst, was es heißt, wenn das eigenen Team unter Druck steht.

Silvia Neid sorgte nach Halbzeitpause höchstpersönlich dafür, dass man sich von aller Aufregung nicht so schnell erholen konnte und überforderte, indem sie die vertraute Aufstellung änderte: Garefrekes wechselte auf die rechte Abwehrseite, Mbabi ging ins rechte Mittelfeld, Schmidt wurde ausgewechselt. Garefrekes in der Abwehr? Das hätte man sich nicht träumen lassen. Und doch fühlte es sich sofort erfrischend an, das Ungewohnte, vielleicht weil es sich gen Risiko bewegte und man Risiko von Silvia Neid eigentlich nicht gewöhnt ist.

Mit der Einwechslung von Laudehr und Bajramaj konnte das Gefühlskarussell in Hälfte Zwei gleich weitergehen. Doch jetzt war es leidenschaftliches Anfeuern bei jedem schönen Sprint der Neuen nach vorn. Aufgeregte Freude bei den gelingenden Zusammenspielen, die sich endlich mutiger gestalteten. Und wahre Glückseligkeit über die wunderbar herausgespielten Tore und Torchancen, bei denen auch die passiven Spielerinnen mit exzellentem Raumgefühl glänzten, wie etwa Kulig, die beim 1:1 von Laudehr geistesgegenwärtig den Kopf zurückzog, sowie Grings, die mit derselben Aktion den Raum für Birgit Prinz in der 73. Minute öffnete, die leider ihre guten Chancen heute wieder nicht nutzen konnte.

Man könnte vielleicht auch von einem Einstellungswandel der deutschen Elf sprechen. Von einem kalkulierenden Drang nach Perfektionismus, oft Befindlichkeitsfixiert, gab es gestern einen Wechsel zu aufreibendem Gruppenkampf im Sinne des "Alle für Alle". Metaphorös gesprochen: ein Wandel vom Kapitalismus zum Sozialismus? (Was für ein Zeichen, so kurz vor der Wahl!)

Am Ende müssen wir uns trotzdem zwei Sorgen machen: einmal um Nadine Angerer und desweiteren um Kirsi Heikkinen. Angerer hielt so schlecht wie lange nicht mehr, sah beim Gegentreffer und den anderen Standardsituationen nicht gut aus. Plötzlich konnte man sich auf die einzig wahre Konstante nicht mehr uneingeschränkt verlassen. Positiv an der defensiven Schwäche ist höchstens, dass dadurch mehr Erfolgsdruck auf der Offensive liegt. Die zweite Sorge ist die finnische Schiedsrichterin Kirsi Heikkinen. Vielleicht aus nordischem Freundschaftsgefühl zerpfiff sie stellenweise das Spiel, ließ klare Tätlichkeiten unbeachtet, bestrafte kleinere Nicklichkeiten umso härter und entschied mehrfach wenn der Ball ins Aus ging in die falsche Richtung. Und zwar sehr viel öfter gegen die Deutschen. Positiv an ihrer schlechten Leistung: Silvia Neid zeigte sportlichen Einsatz bis an den Rand der Coaching Zone, sprach die Schiedsrichterin bei Fouls an ihren Spielerinnen immer wieder lautstark an. Solche Emotionen stehen der Bundestrainerin gut, finden wir.

Und für das Finale wünschen wir uns ein deutliches Schack! im deutschen Spiel (Kombination von Zack und Schuß). Und das es wieder so einen Spaß macht.

Freitag, 4. September 2009

Coaching Zone: EM Deutschland – Italien

„Und dann dieser Grosso, aus der Traum, oh Gott – Italien hat uns raus gehauen.“ So rappten seinerzeit Blumentopf nach diesem denkwürdigen Abend, als Italien das Sommermärchen zerschoss. Ehrlich gesagt haben mich im Vorfeld der heutigen Begegnung die ganzen ItalienerInnen genervt, Trainer und Spielerinnen, die verkündeten, es käme einer Mondlandung gleich gegen Deutschland zu gewinnen (Lechzte man da im Hinterköpfchen schon nach einer Berlusconireifen Schlagzeile?) Genauso wie all diejenigen (Experten?), die einen weiteren 4:0 Erfolg der deutschen Frauen zu erwarten schienen. Bekanntlicherweise wächst man an seinen GegnerInnen. Und ich muss Silvia Neid zustimmen, die vor wie nach dem Spiel attestierte, dass die Italiener, die Frauen wie die Männer, eine Form des Fußballs praktizieren, der nicht einfach zu spielen ist. Neid nannte das in einem Interview „destruktiven Fußball“. Destruktiv das ständige Zerren am Trickot an (von Zupfen kann da wirklich nicht mehr die Rede sein), das Lamentieren, die Schauspieleinlagen, vor allem aber natürlich die Taktik, das eigene Offensivspiel ausschließlich auf einige wenige Konter zu konzentrieren. Bis auf wenige Ausnahmen läuft das Spiel also wie ein Rammbock ausschließlich in eine Richtung und die einzige, die in der 90. Minute davon noch nicht vollkommen eingeschläfert war, war unsere Welttorhüterin Nadine Angerer. Ich persönlich kann einer solchen Spielweise wenig abgewinnen. Fußball interessiert mich als raumgreifendes Mannschaftsspiel und ich finde, dass ein Christiano Ronaldo auf dieser Welt reicht. Aber man muss das Ganze gar nicht moralisch diskutieren. Sondern auf dem Platz zeigen, wie leicht eine solche Mannschaft zu bezwingen ist. Das haben die Deutschen in der ersten Halbzeit eindrücklich mit ihrem präzisen, offensiven Pressing bewiesen, erzielten verdient das frühe Tor, konnten leider aber – wie es Theo Zwanziger nicht alleine wünschte – das zweite Tor nicht vor der Halbzeitpause schießen. Dann aber fiel den DFB Frauen ein Meniskus aus (der von Ariane Hingst) und schon humpelten sie gemeinschaftlich über den Platz. Wie gut die Startformation inzwischen aufeinander eingespielt ist und dass man eben nicht so ohne weiteres Bäumchen-Wechsel-Dich mit den Positionen spielen kann, zeigte Halbzeit Nummer zwei. Nehmen wir an dieser Stelle Linda Bresonik in den Blick, die die ausgewechselte Bianca Schmidt (warum?) auf der rechten Außenverteidigerposition vertreten musste, um Platz für Simone Laudehr auf der Doppel 6 zu machen (warum?). (Die verletzungsbedingte Auswechslung wurde durch Sonja Fuß abgedeckt.) Auch schon vor dem Anschlusstreffer der Italienerinnen war deutlich zu merken, dass die sechs defensiven Spielerinnen wie wild durcheinander purzelten. Eine klare Vierkette war weit und breit nicht in Sicht, Simone Laudehr ging immer wieder auf den Außenbahnen verlustig, was riesige Löcher ins defensive Mittelfeld riss. Sodann machte sich Linda Bresonik auf, diese zu stopfen, verließ die rechte Außenverteidigerseite und musste lautstark von Silvia Neid zurückbeordert werden. (Ein Problem, dass man bei der arrivierten Mittelfeldspielerin auch schon folgenschwer beim Algarvecup beobachten konnte. Einigen wir uns doch einfach mal, dass Bresonik KEINE Abwehrspielerin ist und man ihr spielrelevantes Potential auf dieser Position verschenkt.) Diese Lücken waren für die mental schon besiegten Italienerinnen die Einladung zur Wiederauferstehung. So fiel der Anschlusstreffer und beinahe auch der Ausgleich in der Schlussminute. Und plötzlich ging es nicht mehr um destruktiven Fußball, sondern man stolperte permanent über die eigenen Füße. Dass in dieser Situation die ambitionierte und kreative Martina Müller wieder mal erst 10 Minuten vor Schluss eingewechselt wurde, fand ich schade. Doch ich möchte es an dieser Stelle weiterhin mit Blumentopf halten und den folgenden, simplen Tipp für das Spiel gegen Norwegen oder Schweden geben: „Ob Hacke, Kopf oder reingeschlenzt – wir wolln Tore, denn wir sind Fans!“