Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Montag, 27. Juni 2011
Coaching Zone: Deutschland - Kanada
Eines muss nochmal kurz betont werden: Die WM 2011 hat begonnen! Wie es so meistens ist, man arbeitet 2 Jahre oder mehr auf etwas hin und dann hat es angefangen, ohne dass man es gemerkt hat. Aber diesmal nicht mit uns! Es ist jetzt wirklich losgegangen und wir kosten das aus, von Anfang an, ach was, von vor Anfang an. Nicht umsonst haben uns gestern seit 14:45 (als wir endlich die Wiederholung von dem einzigen Doku-Material der ARD durchstanden hatten - werden die das jetzt jeden Tag spielen?) die Knie geschlackert und sie tun es immer noch.
Man könnte tatsächlich auch einfach mal etwas Wasser trinken, dann geht´s bestimmt auch wieder, andererseits könnte die Aufregung von gestern uns noch über die nächsten Tage bringen und Begegnungen wie Japan-Neuseeland noch verschönern. Wie eigentlich auch gestern bei der Partie Nigeria-Frankreich. Das seltsame, doch-irgendwie-erste-Spiel der WM erschien über weite Strecken wie ein Kick bei 50°C im Schatten, die Spielerinnen in Sinsheim taten einem schon etwas leid und dazu noch Franziska van Almsick. Sinsheim, das Retortenbaby, ist sicherlich das Stadion Nummer Eins für die Mission "Familienevent", das Chrom überall so blank, dass die Säuglinge sich gerne daran festsaugen mögen. In Punkto Eröffnungsfeier, so muss man eingestehen, erlangt Sinsheim einen kleinen Sieg über Berlin: weißangezogene Menschen, die ein paar Runden um den Mittelkreis rennen! Wer diesen choreographischen Schachzug eingeleitet hat, der sollte mal ein ernstes Wörtchen mit den Gestaltern von der Fußballblase in Berlin reden. Vielleicht können die beiden das auch gleich bei ein paar Schnäpsen klären.
Wie ist Nigeria-Frankreich ausgegangen? Egal! Um 17 Uhr fiel das Atmen schon schwer. Unter Sauerstoffmangel dann das Einlaufen der Teams. Dramatische Musik. Was geht jetzt in diesen Spielerinnen vor? Wie würde man sich selber fühlen? Breitner hilft weiter: "Alle hatten die Hosen voll, aber bei mir lief´s ganz flüssig." Ach, Paul, wir sind so froh, dass wir nicht selbst auf den Platz müssen.
Was soll man sagen? Das Spiel war nervenaufreibend und seien wir mal ehrlich: es wird in den nächsten Tagen noch um einiges spannender. Was kann dann erst das Viertelfinale mit unseren Nerven anfangen? Die Leute im Stadion haben ihre Nerven anscheinend vorher bei der Garderobe abgegeben, es wird ge-Laola-d bis Tante Karla Kick vorbeikommt - dann sitzt auch die Kleinste der Familie ruhig auf ihrem Schemel. Zum Glück schien es in der ersten Hälfte wirklich nicht, als sei ein Sieg des Deutschen Teams im Eröffnungsspiel gefährdet. Kerstin "KG" Garefrekes ließ sich nicht lange bitten und nickte in der 10. Minute zum 1:0. Oder sie schraubte ihren Teleskop-Hals aus. Kann auch sein, dass Babett Peter mit einer Räuberleiter etwas nachgeholfen hat. Wie auch immer: Ganz Ibbenbüren ist außer sich! Heißt KG in echt KopfballunGeheuer?
Man kann jedenfalls sagen, dass Kanada ganz gut (und gelassen) in Schach gehalten wurde, bis dann kurz vor Halbzeitpfiff Mbabi zum 2:0 aufstockt. Mbabi, die sich in den letzten Testspielen zur absoluten Goalgetterin entwickelt hatte und vor allem den versteinerten Offensiv-Mienen von Prinz und Grings mal ein Tüpfelchen Wärme hinzufügt, trifft im Eröffnungsspiel und zeigt, dass sie zu recht die Startelfdiskussion links-vorne etwas aufgemischt hat. Darüber kann Grings wahrscheinlich auch nicht lächeln. Kann sie eigentlich lächeln? Kommt auf die Recherche-Liste.
In der zweiten Hälfte kristallisierte sich schnell die Hauptfigur heraus: Das Aluminium wollte auch etwas Aufmerksamkeit. Zeitlose Kopfbälle knallten an den Pfosten, leichtfüßige Distanzschüsse an die Latte. Nicht zum aushalten, aber immerhin war die Führung sicher. Die weiteren Highlights: Popp kam für Prinz (die wenig zeigen konnte, hinter den quirligen Mbabi und Garefrekes fast verblasste). Grings kam für Mbabi. Bajramaj für Behringer. Weiter im Mittelpunkt stehen wollte Garefrekes und semmelt den Ball drei Meter vor dem leeren Tor einfach mal drüber. Wann hatten wir das schon mal? Ach ja, der Gomez damals. Also Kerstin, jetzt bitte kein jahrelanges Selbstmitleid und vor allem nicht ähnliche Frisurentscheidungen. Hast Klasse gespielt, den Luftschuss vergessen wir schnell!
Silvia Neid hatte Fatmire Bajramaj "fehlende Leichtigkeit" bescheinigt und sie deshalb vorerst auf der Bank gelassen. Als sie dann kam machten sich die Betonklötze um ihre Füße deutlich bemerkbar: viele Bälle wurden verstolpert und einige Fehlpässe verpasst. Aber ist ja auch kein Wunder, das Mädel muss zur Zeit schließlich die gesamten Erwartungen einer Nation auf hyperfemininen heterosexuellen Frauenfußball auf ihren Schultern, bzw. ihren Fingernägeln tragen. Da kann schonmal einer abbrechen.
In der Zwischenzeit hat sich Christine Sinclair den Ball zum Freistoß zurecht gelegt und abgekühlt in den rechten Winkel gedroschen. Ungeachtet der Luftsprünge von Krahn und Popp und erst recht unbeeindruckt von Nadine Angerers wahnsinnigen Froschperformance. Der Ball ist drin. Unhaltbar. Chancen auf das Tor der WM 2011. Angerers Rekord von wievielauchimmereswaren-Minuten ohne Gegentor gestoppt. Schock? Es geht. Letztenendes ist es gut mal mit diesem, "wie lange hat sie nun kein Gegentor bekommen" aufzuhören. Am Ende zählt nur das Ergebnis. Und das wurde gehalten, auch wenn es auf einmal wieder spannend wurde. Aber was hat man auch von Fünf zu Nulls oder gar Elf zu Nulls? Ein hart erkämpftes 2:1 ist einem allemal lieber.
Kerstin Garefrekes ist unser Liebling des Spiels. Auch gut gefallen hat uns Melanie Behringer, denn man braucht auch eine Spielerin im Team, die immer wieder die Linie rauf und runter rennt und mit Wumms die Bälle vors Tor bringt. Gerade fällt uns auf, dass wir fast gar nichts über die Viererkette gesagt haben, eigentlich doch das vorprogrammierte Problemkind. Es gab aber eben auch keine erwähnenswerten Schnitzer, Krahn und Bartusiak haben in altbekannter Manier die Bälle auf die Tribünen gedroschen und Bresonik und Peter sind immer wieder in der gegnerischen Hälfte aufgetaucht. Nichts zu meckern also für heute. Ist ja auch einfach alles zu schön um schlechte Laune zu kriegen. Kommt in die Gänge und freut Euch mit uns an den nächsten Tagen über noch mehr und immer mehr WM!
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