Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 27. Juni 2011

Einwurf: Unsere Rhizom-Mädels, oder warum Margot Honecker nicht besser als Sepp Blatter war.

Von Andrė Schallenberg

Liebe Kolumnenleser und innen, hier wieder ein Einwurf. Mit einer Warnung. Wir müssen wohl - was sagt ihr, liebe Chefinnen? - die Rubrik "Platzverweis" sofortigst einstellen, wegen akuter Überfüllung. Es geht nicht mehr. Warum, fragt man sich, ist die Welt nur voll Dummbeutel, Eitelkrähen und selbstverliebter Machtsäcke? Zum Beispiel diese (ohne dem offiziellen Platzverweis vorgreifen zu wollen, aber wie gesagt, die verstopfen uns eines Tages unseren schönen Blog), also: sagte doch am gestrigen Sonntag anläßlich der Eröffnung der liebe Sepp "Breschnew" Blatter, der liebe Frauenfußball habe eine Art natürliche Altersgrenze, weil "die Frauen dann eine andere Aufgabe" hätten, die lieben Gebärmaschinen!


Da nickten die greisen Männerhäupter des FIFA-Politbüros, und das Imperium war wieder einmal gerettet. Steffi Jones wedelte schließlich das Thema hinfort. Wahrscheinlich ist sie doch vom Beckenbauer-Virus infiziert, und verdient damit ebenfalls einen Platzverweis (oh nein!).
Zu fragen bleibt natürlich, ob es einen Unterschied machen würde, wenn im FIFA-ZK lauter Frauen säßen. Immerhin hat es auch eine Margot Honecker gegeben und eine Maggie Thatcher. Zweifel sind also angebracht. ARD-Reporter Bernd Schmelzer brachte uns gestern mit einer kurzen Bemerkung auf die Spur zu möglichen Unterschieden: Trainerin Neid, sagte er, hätte Frau Popp in der 55. Minute mit der Bemerkung auf den Platz geschickt, sie solle doch einfach vorne tun, was ihr Spass mache. Sinngemäß. Und die tat es. Schickte zwar den Ball mehrmals an den Kasten, aber immerhin. Dazwischen rochierten und wechselten die Mädels die Seiten, dass den Kanadierinnen das Hirn ganz weich wurde. Und die Knie ebenfalls. Von starrer Taktik keine Spur, statt dessen eine frei flottierende, rhizomatische Netzwerkintelligenz. Wenn man das mal so nerdig-elitär sagen darf. Ist das das neue Fußballideal? Wird Sylvia Neid vielleicht Nachfolgerin von Jupp Heynckes, oder schlimmer: von José Mourinho? Denn ARD-Kommentator Bartels brachte im Nachgespräch eine weitere Komponente ins Spiel: auf die verwirrrende Vermutung des Interviewers, Frauen hätten ja irgendwie genetisch oder so ein besseres Raumempfinden, weil sie, ähhh, ihre beiden Hälften (des Hirns) besser, hmmm, koordinierten, oder so, da sagte Herr Bartels ganz trocken, das könne er sich nicht vorstellen, dann wäre Messi ja eine Frau. DAS haben wir allerdings auch schon vorher gewusst. Dann kann also jetzt Sylvia Neid auch den Jupp Heynckes machen.

5 Kommentare:

  1. Idlikeahookshot27. Juni 2011 um 15:04

    "Trainerin Neid, sagte er, hätte Frau Popp in der 55. Minute mit der Bemerkung auf den Platz geschickt, sie solle doch einfach vorne tun, was ihr Spass mache. Sinngemäß."

    Ich hab das zwar auch gehört, aber sprach er da nicht von Bajramaj?

    AntwortenLöschen
  2. Ja, er sprach von Frau Bajramaj.

    ...die meiner Meinung nach ziemlich absichtlich oder unterbewusst von ihren Mitspielerinnen ignoriert wurde. Ständig versuchten diese es über links und Lira bekam kein Ball...

    und (das ist aber nur eine Vermutung meinerseits) zu Poppi sagte Silvia Neid: " Triff bitte nur Pfosten, Latte oder Sepp Blatter zwischen die Augen und schieß keine 3 Tore. Sonst wackelt der Stammplatz meiner Prinzessin noch mehr"

    AntwortenLöschen
  3. oja, stimmt, ihr habt recht... bei der bajramaj hatte er's gesagt. sorry. kommt davon, wenn man sich keine notizen macht und nur kommentatorenfloskelsoße im kopf behält ("die schiedsrichterleistung war wirklich sehr zufriedenstellend bislang"). aber danke für den hinweis! grüße! andre

    AntwortenLöschen
  4. ahh, das positive Feeedback noch, André:

    ich verweile hier gerne und ergötze mich an Deiner präzisen Wahrnehmung und der hervorglänzenden sprachlichen Verarbeitung. Die wunderbare Mischung aus der verdienten Ernsthaftigkeit, mit der Du Dich des Frauenfußballs hier annimmst und der spitzzüngigen Sprache, die zahlreichen Lacher bei mir auslösen, sind wunderbar.

    Und generell finde ich, dass ihr mit Eurem Blog hier eine wirklich wichtige (gesellschaftliche) Funktion einnehmt!

    (schade, dass wenig kommentiert wird, ich habe schon Sorge, dass meine Kommentare bald nerven .o0( "muss der Typ denn zu jedem Eintrag seinen Senf geben???")

    AntwortenLöschen
  5. Lieber Michael,
    danke für das Lob! Wir finden es auch schade, dass wenig kommentiert wird, deswegen Danke für Deine Kommentare und gerne mehr davon!

    AntwortenLöschen