Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Freitag, 3. Juni 2011
Coaching Zone: Deutschland - Italien
Mit der WM ist das wie mit dem Grillen: Man spricht meist lange davon, bevor es wirklich los geht, dann gibt es ein oder zwei meist desolate Versuche, bei denen es ab acht Uhr abends eiskalt ist und dann gibt es diesen Abend, an dem die Grillsaison plötzlich begonnen hat – und meist ist man davon so überrascht, dass der Brennspiritus fehlt. Ein bisschen ähnlich das heutige Spiel: In den schönen Auswärts-grill-trikots (unten Kohle, oben glüht’s) schien die erste Halbzeit von der Suche nach dem Brennbeschleuniger bestimmt – in der zweiten Hälfte dann plötzlich: Strohfeuer! Der WM Countdown hat begonnen...
Das Spiel in seinem richtungsweisenden Charakter für die kommende WM hat sicherlich viele Fragen aufgeworfen. Für mich stellt sich fast als drängendste die nach der deutschen Abwehr. Es mag im besten Fall die taktische Vorgabe der Bundestrainerin gewesen sein, durch eine bewusst unterkühlte Spielweise das Bollwerk der Italienerinnen aus der Reserve zu locken – andernfalls wäre für mich nicht zu erklären, warum man den Ball minutenlang auf der Abwehrkette hin und her schieben muss. Doch selbst wenn diese Spielweise nicht Hilflosigkeit sondern Kalkül gewesen wäre, so erzeugte sie nichts als Bedrängnis und nahm dem Spiel nach vorne in der ersten Hälfte jedes Tempo. Simone Laudehr und Kim Kulig haben sich in diesem Spiel als „defensives“ Mittelfeld mit Ballverteilerqualität und hoher Bindung zum Sturm in Szene gesetzt – doch in der ersten Hälfte wurden sie durch die Abwehr nicht bedient. Mit Linda Bresonik und Babett Peter sind die Außenverteidigerposten durch Spielerinnen besetzt, die sowohl antrittsstark sind, als auch mit viel taktischem Gespür das Spiel dynamisieren können. Beides Qualitäten, die jedoch erst im zweiten Durchgang zur Entfaltung kamen. Und es macht einfach keinen Spaß, eine Innenverteidigerin zu sehen, die mit dem Ball zur Mittellinie aufbricht, von dort mit dem Ball wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehrt, um ihn sich dort von einer Gegnerin abnehmen zu lassen. Die erste Hälfte schaute sich wie das erste Tor – versucht, gescheitert, dann irgendwie noch durch den Fehler der Gegner profitiert.
Umso erfreulicher, ja fast euphorischer stimmte die Fußballfreude, die in der zweiten Halbzeit zelebriert wurde. Auch wenn die Medien sich auf Lira Bajramaj als Wunder der Prärie eingeschossen haben, so beherrschen doch viele andere die Kunst des knallharten Duells auf ähnliche Weise: Kim Kulig, Simone Laudehr, Celia da Mbabi, Martina Müller und nicht zuletzt: der Poppstar erarbeiteten sich mit wunderschönem, temporeichen Kombinationsfußball Chancen in einem Rhythmus, dass Silvia Neid mit dem Abklatschen aller Teammitglieder auf der Bank kaum noch hinterherkam.
Deutschland gegen Italien war ein Freundschaftsspiel. Auch wenn die Italienerinnen wenig freundschaftlich zu Werke gingen, so ist dies trotzdem noch eine Bühne für Probieren, Polieren und Posen. Nichts desto trotz erlaubt das Spiel sicherlich einen Ausblick auf die Taktik der WM – mit kleinen Abweichungen dürfte die Startelf bereits feststehen. Doch ähnlich wie bei der letzten WM wird Silvia Neid auch diesmal nicht auf Auswechslungen 10 Minuten vor Schluss setzen, sondern das Team gezielt durch Veränderungen bereits nach der Halbzeitpause immer wieder neu beleben. Hoffentlich stets mit einem Effekt wie heute.
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