Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Mittwoch, 1. Juli 2015

Coaching Zone: USA - Deutschland



Um es gleich kurz und möglichst schmerzlos zu sagen: Das DFB-Team ist verdient im Halbfinale gescheitert. Wenn man über neunzig Minuten nur eine einzige Torchance hat, die auch noch ein Elfmeter ist und man den dann zur Feier des Tages auch noch verschießt - dann hat man im Finale einer WM nichts zu suchen.

Aber um ehrlich zu bleiben: Die Leistung des Teams im Halbfinale spiegelt vielleicht das gesamte Turnier ein Stück weit wieder. Begeisterungsstürme hat da niemand losgetreten, eher immer wieder mit-ach-und-krach die aktuelle Hürde genommen. Das funktionierte ganz gut gegen Thailand und die Elfenbeinküste und so mittelgut gegen Norwegen und kurz unkonzentrierte Französinnen. Aber ach-und-krach kann den US-Spielerinnen, trotz Hymnen-Fauxpas, verständlicherweise nur ein müdes Lächeln abringen.

Die spielen von Anfang an sehr unterhaltsamen Fußball, schnell und offensiv, brandgefährlich über die Außenbahnen, wo zum Beispiel eine Meghan Klingenberg unermüdlich Leonie Maier in Atem hält. Die Pässe kurz und präzise, die hohen Bälle unberechenbar und die steilen Pässe in die Spitze ein Augenschmaus. Es steht so lange 0-0, weil Angerer ihr Bestes gibt und irgendwo noch die Zehenspitzen stehen lässt. Zum Beispiel gleich in der 6. Minute mit einem Weltklassereflex gegen den Kopfball von Julie Johnston. Oder in der 14. Minute, allein auf weiter Flur gegen den Weltklassepass von Heath auf Alex Morgan. Die Verteidigung wollte wohl heut nicht mit Natze Abendbrot essen.

Nach vorne geht bei den DFB-Ladies so gut wie gar nix. Sasic mit übermäßig vielen Fehlpässen, einzig Laudehr und Popp mit Ambitionen. Popp bekommt in der 27. Minute eine Kopfnuss und blutet alles voll - aber Haare waschen, weiter geht´s. Sie holt auch den Elfer in der 58. Minute raus, wobei wir uns da auch nicht so sicher waren. Klar, die Hand von Johnston liegt auf Poppis Schulter, aber wurde der Schwerkraft da auch ein wenig voreilig nachgegeben? Ist ja aber auch egal, Hope Solo zögert mit ein paar Vorwänden die Ausführung raus und in der Ausführung zielt Sasic lediglich fünf Zentimeter zu weit nach links. Alle wie betäubt, einzig Bernd Schmelzer auf Speed, kreischt mit den US-Groupies auf den Rängen um die Wette.

Nur acht Minuten später, in der 66. Minute dieselbe Szene auf der anderen Seite. Leider auch hier eigentlich kein Elfer, weil Krahn sich zwar schon mit allem drum und dran in Morgan reinstellt, das aber recht deutlich knapp vor der Strafraumgrenze. Egal, Elfer it is, und Carli Lloyd verwandelt souverän, da hat auch eine Angerer keine Chance. Und der Rest des Teams erst recht nicht, wie soll man mit einer so schwachen Offensive auch noch einen Rückstand aufholen. Jetzt also ein guter Zeitpunkt und wie es sich gehört nach einer Halbfinal-Niederlage, die obligatorische Kritik an der Trainerin: Silvia Neid wechselt erstaunlich spät - weil ihr die Alternativen fehlten? Klar, wir waren bei den Trainings nicht dabei, aber wenn nach vorne so wenig geht, warum Marozsan erst so spät? So mies kann die doch gar nicht trainiert haben? Wenn der dreizehnte fast-Torschuß wieder ins Nirvana fliegt und zugleich Distanzschüsse das einzige Mittel zu sein scheinen, warum dann keine Melanie Behringer? Und obwohl Sasic in großem Stil mit Fehlpässen spekuliert, Leupolz sich als Kunstrasen tarnt, ausgerechnet Anja Mittag, die noch halbwegs was zustande brachte, in der 78. Minute auswechseln?

Fragen über Fragen, die Amis fackeln hingegen nicht lange und durchbrechen unseren grüblerischen stieren Blick (manchmal auch Gucker genannt) mit dem 2-0. Diesmal aus dem Spiel heraus und wirklich toll aufgebaut. Carli Lloyd spielt sich links vom Tor lässig an der Abwehr vorbei und spielt den Ball halbhoch vors Tor. Und Kelley O'Hara ist schneller als Leonie Maier. War Brandi Chastain eigentlich auch da?

Und selbst wenn Saskia Bartusiak antreibend die Handflächen zusammenschlägt, ab da hätte man schon ausschalten und schlafen gehen können. War klar, dass da keine Luft mehr ist, dass da nichts mehr geht. Silvia Neid danach: "Niederlagen können sich auch positiv auswirken. Man kann nicht durchs Leben gehen und jedes Spiel gewinnen." Zen my ass. Das Spiel ist aus, das Stadion kreischt und wir fürchten uns vor dem Arbeitstag, der in sechs Stunden beginnt. I-believe-that-we-will-win schallt unheimlich in unseren Träumen nach. #titelschaum erscheint hinter unseren Augenlidern, während wir schon heimlich unterm Kissen den ersten Kaffee von den 10 Litern trinken, die uns heute durch den Tag tragen sollen.

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