Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 28. Mai 2015

Coaching Zone: Schweiz - Deutschland

  
1-3 ist ein sehr schmeichelhaftes Ergebnis, bedenke man die erste Halbzeit dieses Testspiels. Die Schweizerinnen beginnen mit einem Selbstvertrauen, als wäre sie die Favoritinnen dieser Partie. Anpfiff und sofort ein Angriffspressing vom Feinsten, Bartusiak und Co. völlig verdutzt, wurschteln in der eigenen Hälfte den Ball herum, klären zur Ecke. Die kommt dann gewitzt kurz, wird vors Tor weitergeleitet und landet abgefälscht direkt vor den Füßen von Ana Crnogorcevic. Und die lässt nicht lange auf sich warten und ballert das Ding Nadine Angerer einfach unter die Latte. Das muss man sich auch erstmal trauen und sie selber scheint beim Torjubel auch fassungslos. Das alles nach anderthalb Minuten.

Ist aber auch nicht so, als würden die Underdogs da aus Versehen ein Tor gemacht haben und jetzt die Klatsche kriegen. Die erste Hälfte fühlt sich einseitig an und besteht aus folgenden Szenen: Nadine Angerer, Fußballerin des Jahres, hebt suchend nach einer Anspielstation die Hände. Ramona Bachmann, Multitalent auf Drogen, rennt von links nach rechts nach vorne nach hinten und bekommt dann auch noch den Ball. Martina Voss-Tecklenburg, eine der am meisten unterschätzten Trainerinnen, wandert die Seitenlinie auf und ab,  hat immer noch einen Mittelscheitel und die besten Taktiktricks. 15 Minuten gespielt, die Schweiz spielt überragend und man fragt sich nur - wie lange werden sie das durchhalten? So ein geschicktes Pressing spielen die wenigsten nach 70 Minuten noch mit genügend Luft.



Die Luft geht schon früher raus. Silvia Neid hat ja schließlich auch zugeschaut und anscheinend keinen Bock auf eine Niederlage vor der WM. Sie bringt zur zweiten Halbzeit Behringer und Maroszan und verstärkt so das Mittelfeld, in dem Leupolz und Mittag etwas hilflos geackert hatten. Und in der 58. Minute wird die nachlassende Aufmerksamkeit der Schweizerinnen (die wohlgemerkt zuvor auf 150% stand) bestraft: irgendwie trudelt der Ball nach einer Reihe Verwirrungen vor die Füße von Simone Laudehr und auch die weiß, wie man Tore schießt - Ausgleich! Der Rest ist schnell erzählt, die Schweizerinnen bauen etwas ab und lassen Behringer und Co. mehr Freiräume. Gefährlich, denn das Team von Silvia Neid weiß ganz genau, wie es diese Freiräume nutzen muss. Immer wieder kommen die langen Bälle in die Spitze und immer wieder kommen sie an. So auch in der 63. Minute, Pauline Bremer zieht im Sprint über die rechte Seite Richtung Tor, die Torfrau Thalmann kann ihren Schuß noch abwehren, aber gegen den Nachschuss von Maroszan hat sie keine Chance. 1-2! Sehr schön an dieser Torszene übrigens wie Pauline Bremer von der Seite aus Maroszan pantomimisch beim Schuss unterstützt. In der 70. Minute setzt Maroszan noch einen drauf, läuft geschickt in die Spitze und schiebt den Ball im richtigen Moment an Thalmann vorbei. Das 1-3 ist dann auch der Endstand.

Alles in Allem hätte Hopp Schwiiz (Klatschpappenalarm) wohl die erste Hälfte klar gewonnen, Deutschland dafür die zweite Hälfte. Summa Summarum kann man Claudia Neumann zitieren: "Der Inhalt kommt vor der Form" (zur Stadiongröße) und sich überlegen ob alle auf Kunstrasen lieber mit Multinoppen spielen sollten (Tausendfüssler). Plastik gibt übrigens nicht nach, hatten wir das schon erwähnt? Pro Grashalm Hashtag auf Twitter: #keepitreal.

Zuletzt noch folgende zwei Gedanken:
Das neue Auswärtstrikot sieht ja - mal richtig gut aus! Voll Spiderwomenmäßig. Schlicht und einfach purpurrot. Was ist los beim DFB? Kein fescher Gürtel und kein sexy Lifestyle? Aus Versehen jemanden mit Hirn eingestellt?
Und natürlich: Der FIFA Skandal. Gähn. Ist ja wohl wirklich nichts neues, dass Sepp Blatter mächtiger ist als der Papst und ergo in dieser Institution die Millionenbeträge freudig herumgeschoben werden wie man´s gerade braucht. Manche wünschen sich wohl, dass das der Wiederwahl Blatters im Wege steht, dass da heute in Zürich 7 hohe Funktionäre von der Polizei eingesammelt wurden. Wir glauben es erst, wenn wir live dabei waren. Die nächsten Tage werden es zeigen. Derweil bringt Blatter höchstwahrscheinlich noch ein paar Dollars, die für Mädchenfußballförderung in Argentinien gedacht waren, schnell in Trockene. Schon anstrengend hauptberuflich Korrupt zu sein.

Neben all der tiefsinnigen Politik aber zum Schluss noch ein kleiner sportlicher Ausblick: Wird sehr interessant diese WM, die einzigen wirklichen Favoritinnen sind die USA, weil Abby Wambach den Titel mehr will als alles andere. Alle anderen werden sich ebenbürtig durchbeißen müssen, auch Silvia Neids Team. Ist doch super, was will man mehr bei so einer WM!

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