Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 6. Oktober 2014

Im Vereinshaus: Auf der Hantelbank der Liga

  
Ein Ordner für zwei potentiell gewaltbereite Fans - das Spiel anschauen darf er trotzdem nicht. Wir lieben dich, Ordner! Auf das wir ewig sicher und ohne Pöbel das Spiel Frankfurt - Herford genießen können!

Der 1. FFC Frankfurt, Rekordmeisterin der Liga - die sich schamlos an die Allianz hat verscherbeln lassen - eben jener Verein hat bisher die Hausaufgaben durchschnittlich bis ordentlich gemacht. Gegen Potsdam wurde man zwar mit null Punkten heim geschickt, aber die Underdogs, die Außenseiterinnen der Liga wurden amtlich und wie es sich für einen Topclub gehört vom Brentanobad verabschiedet. Gegen Duisburg mit 6-0. Gegen Sand mit 3-0. Gegen den Herforder SV mit 6-1. Jeweils noch höher hätten die Ergebnisse ausfallen können, behauptet jedenfalls Trainer Colin Bell und der Ballbesitz. Gefühlte 80 Prozent der Spielanteile trugen die Frankfurterinnen auf den Füßen.

Besonders Sand, aber auch Herford hielten aufopferungsvoll dagegen. Herford führte sogar nach 23 Minuten aus Versehen mit 1-0 und war darüber selbst so erschrocken, dass 52 Sekunden später der Ausgleich im Netz zappelte und die Ordnung wieder hergestellt war. Sechs zu Eins schmeckt gemessen an dem ordentlichen Kampf, den die Herforderinnen hier ablieferten dann doch sehr nach kaltem Kaffee, ergo gar nicht.

Die Ergebnisse erzählen kühl koffeiniert noch von den alten Zeiten der Zweiklassengesellschaft der 1. Liga. Die eine Hälfte der Clubs hatten nicht annähernd das Niveau der anderen Hälfte der Clubs und von überall her schrien die Funktionär_innen und andere Wissenden nach einer Verkleinerung der Liga oder nach einem Play Off System. Der Wind hat sich zwar nicht gedreht, weht aber durchaus in einer neuen Brise daher. Diese lässt sich vielleicht nordisch kalt und klar folgendermaßen umschreiben: Zwischen Aufsteigerinnen und alten Hasen gibt es zwar immer noch große Unterscheide in Punkto Technik und Fitness. Aber was die Spieltaktik, die Strategie, das Klemmbrett angeht ist man sich mittlerweile fast ebenbürtig. Ja, auch Clubs wie Herford und Sand haben das Klingeln gehört und sich professionalisiert, man lebt zwar fast auf dem Dorf, aber ein Brett vorm Kopf hat man deshalb noch lange nicht. Die Coaches und Co-Trainerinnen tüfteln längst wie ihre Kolleg_innen an der besten Philosophie und Gegen-Philosophie, an den Eröffnungen und Verteidigungen, an Rochaden und Gabelangriffen. Das Team stellt sich gut auf, hinten rein, haut raus was geht und lauert auf Konter. Ihre Hausaufgaben haben alle gemacht.


Wissen ist Macht und die halbe Miete. Die andere Hälfte wird dann zum Kampf gegen den inneren Schweinehund. Sand, Herford und Co. müssen sich bei jedem Spiel gegen ein Team aus dem oberen Tabellendrittel wie bei einer Strafrunde auf der Hantelbank fühlen. Da wird nicht gelaufen, sondern gerannt, nicht gesprintet, sondern gehechtet. Das kleinste konditionelle Einknicken wird sofort bestraft. Die Angst vor dem individuellen Fehler ist riesig, denn nach einem Fehlpass grätscht keine der Kolleginnen noch auf dem letzten Zentimeter die Kugel ins Aus, dafür fehlt allen die Luft. Und die Torfrauen der Aufsteigerinnen avancieren ungewollt zu Heldinnen, wenn sie sich an so einem Spieltag in fünfmal mehr Torschüsse werfen müssen. Die Frankfurterinnen hingegen sehen manchmal die Füße vor lauter Bällen nicht und verstolpern dann das Monopol, zuviel Ballbesitz macht nicht immer Spaß.

Spaß hingegen macht das Zugucken. Früher gähnte man schon mal heimlich in sich hinein, wenn da eine Aufsteigerin am Brentanobad deklassiert wurde. Heute lässt sich unverblümt mitfiebern mit jenen, die dort unten nicht aufgeben und sich immer wieder kurz Räume erkämpfen und Talent aufscheinen lassen und den Ball wieder aus den Maschen friemeln und auf den Mittelpunkt legen und weiter machen und sich vor jeden Ball schmeißen und wirklich kämpfen, kämpfen bis zum Ende. Und in deren Augen man diesen Traum sieht, den Traum von der Überraschung, die es vielleicht eines Tages geben wird, von der Überraschung, dass hier die kleine Aufsteigerin gegen den großen FFC etwas wuppt, vielleicht ein Unentschieden erkämpft, oder sogar einen knappen Sieg. Und dann erwischen wir uns selbst mit diesem Traum in den Augen und können gar nicht mehr wegschauen.

Eine ausführlichere Ode an die Ordner, die ihren Kopf nicht bewegen dürfen, gibt es hier.

1 Kommentar: