Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Freitag, 31. Oktober 2014
Coaching Zone: Schweden - Deutschland
Aufgrund von Lohnarbeitsverpflichtungen die Coaching Zone hier leider verspätet und verkürzt, aber manchmal fängt auch der späte Vogel einen Wurm. Beim Spiel Schweden gegen Deutschland am 29.10.2014 hat es der Vogel allerdings schwer: im Kunstrasen sind Würmer generell schwerer zu finden und die FIFA ließ auf Plastik spielen - kleiner Seitenhieb auf die Klage der glorreichen Vierzig? Neu mit dabei im Vergleich zum Spiel gegen Frankreich: die überzeugende Melanie Leupolz, dazu noch Jennifer Cramer, Tabea Kemme und Josephine Henning. Draußen blieben unsere Spielerinnen des letzten Spiels Behringer und Hendrich, außerdem Schmidt und Peter. Aber Tests sind Tests und kein Wunschkonzert, schon gar nicht auf Kunstrasen. Silvia Neid mit dem Teaser: "Wir waren heute von Anfang an wach im Kopf."
Maroszan und Leupolz in der Mitte jedenfalls recht solide, Maroszan mit deutlicher Steigerung im Vergleich zum anderen Spiel - fühlt sie sich vielleicht wohler mit Leupolz im Nacken? Die ackerte, verwickelte sich in viele Zweikämpfe, malochte um den Mittelkreis herum. Und Maroszan konnte sich prompt offensiv besser entfalten. Sind sich Behringer und Maroszan spielerisch dann doch zu ähnlich? Zu sehr auf einer Höhe? Braucht es eine deutlichere Hierarchie im Mittelfeld? Braucht Maroszan eher Zuarbeiterinnen als Kolleginnen auf Augenhöhe? Wir geben zu, alles wilde Spekulation, die noch empirisch untermauert werden müsste.
Alles unentschieden bis zur 67. Minute, als Nadine Angerer mal wieder für nix etwas kann, denn Jennifer Cramer - bis dato mit solider Leistung - spielt einen viel zu riskanten Rückpass, den man in Anwesenheit einer Lotta Schelin niemals spielen sollte. Lieber dresche man den Ball demütig ins Seitenaus, sei man noch so unbedrängt. Cramer spielt den Pass, Schelin lässt sich natürlich nicht zweimal bitten, ist schneller als die überraschte Angerer und schlitzohrig wie gewohnt. 1-0 für Schweden.
Knapp zehn Minuten später aber der Ausgleich durch Maroszan, ein Freistoß wie aus dem Lehrbuch: kurz vor dem Strafraum, mit kurzem Anlauf und Bremer duckt sich in der Mauer weg. Und wir sind sehr froh, weil wir jetzt endlich wissen, warum Neid und Co. so intensiv die Standards geprobt haben. Eine gelungene Vorführung bei der wir kurz wieder erahnen was das alles soll da auf diesem künstlichen Rasen, warum und wieso und weshalb überhaupt. Der Sinn des Spiels, verpackt in diesen kurzen Moment gnadenloser Großartigkeit. Im Echoraum dieses Gefühls wird selbiges drei Minuten später noch verlängert, denn Edeljokerin Alexandra Popp springt mit fragiler Leichtigkeit in den Pass von Luisa Wensing, Fuß trifft auf Ball, als wäre das niemals brutal sondern reine Anziehungskraft und der Ball fliegt nicht, sondern schwebt in luzidem Traum Richtung Tornetz. -- Okay, Schluss jetzt mit dem Gesülze, das hält ja kein Mensch aus, schon gar nicht auf Kunstrasen. Wensing passt, Popp springt, Ball fliegt, Netz zappelt. Ein Hoch auf künstliche Trockenheit! Oder doch lieber saftiges Grün? Picke sich jede_r was gerade gewünscht. Popp dazu: "Die Trainerin hat mir im Flugzeug noch gesagt: Versuch immer vor den Gegner zu kommen. Das habe ich mir zu Herzen genommen." So einfach ist das.
Das ist dann auch der Endstand und alle können sich wieder hinsetzen. Auf Kunstrasen sitzen macht zwar keine Rasenflecken, ist aber auch irgendwie nicht so gemütlich. Henning zum selben Thema: "Das Spiel wird einfach schneller auf dem Kunstrasen im Vergleich zum Rasen und wenn man nicht genau in den Fuß spielt oder nicht exakt spielt, dann läuft man gleich wieder dreißig Meter."
Damit verabschiedet sich der verhungerte späte und dreißig Meter zu viel gelaufene Vogel und wer gerne mehr über grünen Rasen und Pia Sundhages Gitarrenkünste wissen möchte, kann hier mehr erfahren!
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