Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Samstag, 5. April 2014

Coaching Zone: Irland – Deutschland


   
Unter dem Motto Vom Winde verweht traf frau sich heute in Dublin.

Die Irinnen hatten vorsorglich mit Flechtfrisuren reagiert, Silvia Neid aber musste nach kurzer Zeit vom Businessjacket auf Ösen-Jacke umsteigen, um nicht aus der Coaching Zone geweht zu werden.
Wofür musste das heftige Lüftchen heute nicht alles herhalten: Als Begründung für die Geschwindigkeit der irischen Spielerinnen, als Begründung für die Orientierungslosigkeit der deutschen, als Torvorbereiter (für Irland), Torverhinderer (im einzigen deutschen Angriff der ersten Hälfte), dann wieder als Torvorbereiter (für Irland). Schließlich im Stile eines deus ex machina als Engel der Gerechtigkeit: kurz vor Schluss schenkte der Wind Torhüterin Emma Byrne noch einen ein und pfiff sogleich ab.
Irland 2, Deutschland 3.
Spielführerin Hashtag Fragangerer: „Ich weiß nicht, ob man gesehen hat, dass es ein bisschen windig war.“

Um das Pferd von hinten aufzuzäumen: Die geringsten Probleme dieses Nachmittags bereitete den Protagonistinnen des deutschen Teams die Analyse des eigenen Spiels. Es war nicht das beste, naja, eigentlich war es sehr schlecht.
Doch warum?

Die Fakten sind kurz erzählt: nach einem langen Einwurf über das gefühlte halbe Spielfeld verlängerte Louise Quinn in der 2. Minute zur Führung (die zwar zu diesem Zeitpunkt noch nicht verdient sein konnte, sondern nur überraschend war, sich aber in den nächsten 45 Minuten amortisierte). Das deutsche Team schoss in dieser Zeit einmal mit Anja Mittags Hacke in Richtung Tor und wehte vom Platz.
In der zweiten Hälfte wechselte Neid die fahrig wirkende Tabea Kemme, die beim Algarve Cup Anstalten gemacht hatte, sich im verletzungszerlöcherten Nationalteam festzuspielen, gegen Lena Lotzen aus. Doch erst in der 65. Minuten fand das deutsche Team einen Fuß in die Tür und zwar den von Torschützin Louise Quinn, die ihn nicht rechtzeitig von Mittags Hacke (der deutschen Protagonistin der ersten Hälfte) entfernte. Foulelfmeter, Laudehr, Tor. Es wäre übertrieben, eine deutliche Leistungssteigerung zu konstatieren, aber in der 85. Minute kam es trotzdem zum Tor. Einem umstrittenen Tor von Lena Lotzen, dem eine Behinderung von Emma Byrne im Fünfmeterraum voranging. Doch kaum fünf Minuten später die Reaktion couragiertester Irinnen: Stephanie Roche, 89. Minute!
Der Rest war der Wind (aka Melanie Leupolz schießt den Siegtreffer).

Vor allem vor dem Hintergrund der irischen Performance wurden eklatante Mängel im deutschen Spiel auffällig. Spritzige und vor allem körperlich durchsetzungsfreudige Flügelflitzerinnen können die deutsche Abwehr mühelos aushebeln. Die langen Verletzungen von Bartusiak, Peter und vor allem Maier sind bisher nicht durch Spielerinnen wie Wensing, Henning oder auch Schmidt kompensiert worden. Die Schaltzentrale Doppelsechs konnte heute ebenso wenig überzeugen. Lena Gößling erinnert momentan an Spielerinnen wie Laudehr oder Bajramaj im Zustand physischer oder psychischer Ausgelaugtheit und obgleich Nadine Kessler unermüdlich war, konnte sie vor allem in der ersten Hälfte keinen sinnvollen Angriff nach vorne eröffnen. Zu gut waren die Irinnen räumlich auf die Deutschen eingestellt, aber auch im Gegenpressing so kompromisslos und engagiert, dass das deutsche Team die Bälle kaum gewonnen schon wieder verloren hatte. An dieser Stelle zeigt sich auch die Luft, die es für die zur WM Hoffnung erklärte Dzsenifer Marozsán noch nach oben gibt: Anbieten, Mitgehen, Entgegenkommen, Helfen, Ball fordern, Ball verteilen. Ihre technischen Begabungen stehen außer Zweifel. Aber die Irinnen haben heute vorgemacht, dass es manchmal wichtiger ist, es einfach unbedingt zu wollen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen