Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Mittwoch, 19. Juni 2013
Deutschland - Kanada
Fragezeichen bei noch besserem Wetter in Paderborn: Wer fährt mit nach Schweden? Wird es noch mehr Verletzte geben? Und wen interessiert eigentlich die erste Runde des Männer-DFB-Pokal?
Die Hiobsbotschaften im Verletztenlager reißen nicht ab. Nachdem schon Faißt, Odebrecht, Popp, Bresonik und Kulig für die EM absagen mussten (alles Kandidatinnen für die Startelf), gesellt sich auch noch Babett Peter (Ermüdungsbruch) ins Lazarett dazu. Besonders in der Viererkette muss also umgestellt werden. Beim Test heute gegen Kanada also Cramer links in der Abwehrkette, Maier in derselbigen auf der rechten Seite. Außerdem neu: Lotzen im rechten Mittelfeld von Anfang an.
Nachdem Claus Lufen und Nia Künzer das Losmalheur für eine bekannte und uninteressante Spielrunde endlich ausgiebig aufgearbeitet haben, kann das heutige Startelfpuzzle beginnen. Bislang gesetzt sein sollten: Kessler und Goeßling auf der Doppel-Sechs, da Mbabi im Sturm. Eigentlich auch Marozsan. Alle anderen Positionen können mehr oder weniger als noch offen bezeichnet werden. Unsere Prognosen liegen zwar fast immer knapp daneben (hatten wir vor zwei Jahren nicht behaupet, dass Anja Mittag und Annike Krahn es nicht mehr ins Team zurück schaffen?), das wird uns aber auch dieses Jahr nicht aufhalten. Hier also unsere Beobachtungen während des Tests gegen Kanada.
Beginnen wir einfach: Wetten, dass Nadine Angerer im Tor spielen wird? Auch noch leicht: Celia Okoyino da Mbabi als Spitze. Mit der Innenverteidigung geht´s dann schon los. Neid setzt zur Zeit auf das alteingesessene Duo Bartusiak/Krahn. Wir sind uns darüber noch nicht sicher - wird hier auf solide Erfahrung oder unzeitgemäße Bolzung gesetzt? Aber was wären die Alternativen? Wensing und Henning als Wolfsburger Paar (werden auch beide in Hälfte Zwei eingewechselt) oder doch Goeßling in Kombination mit...? Nein, Lena Goeßling gehört auf die Doppel-Sechs, auf ihre offensiven Impulse (wie in der 30. Minute mit ihrem Pass auf da Mbabi oder ihr Torschuss in der 49. Minute) möchte man nicht verzichten. Goeßling und Kessler scheinen sich eh recht gut eingespielt zu haben, Simone Laudehr wird hart an einer Empfehlung zu arbeiten haben, bekommt die letzten 20. Minuten Zeit dazu.
Aber nochmal zurück zur Abwehr. Leonie Maier beeindruckt auch in diesem Spiel. Immer wieder ist sie auf der rechten Seite in der Offensivbewegung, unterstützt Lena Lotzen im Angriff, bereitet selbst Torchancen vor und schießt in der 54. Minute völlig abgeklärt das 1 zu 0. Lotzen wirkt zwar im Vergleich zu Maiers Präsenz etwas unscheinbarer, macht aber ebenfalls ein gutes Spiel, zieht immer wieder auch in die Mitte um sich anzubieten und kommt kurz vor der Halbzeitpause noch zu einem gefährlichen und knappen Torschuss. Zwanzig Minuten vor Schluss macht sie Platz für das Comeback von Lira Bajramaj. Jennifer Cramer auf der linken Seite zeigt nicht unbedingt so viel Zug nach vorne, spielt dennoch ebenso sicher wie Maier und harmoniert gut mit Anja Mittag.
Was ist eigentlich mit Anja Mittag los? Erst Edelreservistin, 2011 als Panini-Bild gedruckt und dann doch nicht nominiert, jetzt ist sie plötzlich zurück und bietet gute Gründe für eine Startelfposition. Schweden scheint ihr gut zu tun, irgendwas hat sich verändert, oder das neue Selbstbewusstsein liegt doch an Kassette und Leuchtturm (neues Tatoo....). In der Halbzeit ist für sie aber Schluss, für sie darf zum ersten Mal Melanie Leupolz auflaufen. Die 19-jährige versteckt sich nicht und macht sofort Druck nach vorne. Insgesamt gibt das Spiel eine Ahnung von dem großen Potential des Nachwuchses im Kader.
Dzsenifer Marozsan hält immer noch die Position in der Mitte von der Mitte und Nia Künzer adelt sie in der Halbzeit wieder zum Großtalent. Schon seit Jahren wird sich viel von ihr versprochen, so richtig eingeschlagen hat sie aber irgendwie noch nicht. Nicht dass sie mal was so richtig verhauen hätte, sie ist auch die erste Wahl für Ecken und Standards und kann (laut Künzer) den entscheidenden Pass spielen. Wo ist aber dieser Pass, heute und in den letzten Spielen? Von ihrer Spielanlage scheint Marozsan den klassischen Spielmacherinnen à la Renate Lingor näher, in das Team von Tina Theune hätte sie gut gepasst. Kann sie auf dieser zentralen Position im Zusammenspiel mit der schnellen da Mbabi erfüllen, was alle sich von ihr versprechen? In der 65. Minute setzt sie prompt einen ganz starken Schuss an den Pfosten. Vielleicht reicht es auch erstmal, dass sie eine ballsichere, torgefährliche und schussstarke Spielerin ist. Die Wunder kann sie sich für Schweden aufheben.
Noch eine Fußnote zum Schluss. Beim Fußball tritt man und wird manchmal auch getreten und wenn es einem genug ist, dann tritt man manchmal zurück. Bernd Schmelzer kennt dergleichen wohl nicht und fühlt sich statt dessen an die schmerzhaften Tritte von gestern Abend zu erinnern. "Das ist Zickenalarm!" analysiert er jaulend. Die einzige Zicke weit und breit scheint er aber wohl selbst zu sein. Stell dich nicht so an, Bernd!
Wensing und Henning in der Innenverteidigung wären für mich die bessere Wahl. Krahn sah in der ersten Halbzeit bei einigen Situationen ziemlich schlecht aus (und das war "nur" Kanada...).
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