Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Freitag, 8. Juni 2012

Im Abseits: Ein Jahr danach



Heute beginnt die Europameisterschaft der Männer, die nächste Hoffnung der deutschen Fußballfans auf ein Sommermärchen. Vor einem Jahr war dies die von uns sehnlichst herbei gewünschte WM der Frauen im eigenen Land – die im Viertelfinale für die deutschen Frauen ihr jähes Ende fand.
Vor einem Jahr wurden wir im Vorfeld dieser WM von Dr. Daniela Schaaf (Sport- und Medienwissenschaftlerin, Köln) kontaktiert, die nicht nur mit den Sponsoren und den Verbänden, sondern auch mit Journalisten über den Frauenfußball und seine spezifisch (deutsche) Situation sprechen wollte.
Und diese Fragen enden nicht im Viertelfinale. Jetzt, ein Jahr nach dem verpatzten Sommermärchen, haben wir unsererseits Daniela Schaaf kontaktiert und nach der Auswertung ihrer Studie Einzelsportler-Vermarktung im Profifußball der Frauen. Eine Analyse der Selektionskriterien von Massenmedien und Sponsoren im Hinblick auf die FIFA-WM 2011 befragt.

Zum Zeitpunkt des Interviews (Mai 2012) hatte Daniela Schaaf gerade die Arbeit an einem Artikel beendet, der sich auf die Ergebnisse ihrer Studie bezieht: »„Lieber Barbie als Lesbe?“ – Dispositionen von Sportjournalisten und Sponsoren zum heteronormativen Körperideal im Frauenfußball.« Die kursiv gedruckten Textteile sind Auszüge aus diesem Artikel, der im Sommer in dem Sammelband »Spielen Frauen ein anderes Spiel? Geschichte, Organisation, Repräsentationen und kulturelle Praxen im Frauenfußball« (herausgegeben von Gabriele Sobiech & Andrea Ochsner) erscheinen wird.


Spielfeldschnitte: Frau Schaaf, als wir das letzte Mal sprachen waren Sie u. a. mitten in der Befragung von potentiellen Sponsoren für die WM 2011. Wie bewerten Sie retrospektiv das Engagement von Sponsoren? Ist es unter den Erwartungen geblieben? Bzw. was können wir insgesamt aus ihren Beobachtungen über Sponsorenverhalten während der WM 2011 ablesen?

Daniela Schaaf: Man kann nicht sagen „unter den Erwartungen“, weil die Erwartungen von vornherein sehr gering waren. Der DFB hat sich wahnsinnig schwer getan im Vorfeld Sponsoren zu generieren, obwohl die WM in Deutschland stattgefunden hat. Viele Sponsoren wie z.B. Alno sind wieder abgesprungen und man musste um neue Hauptsponsoren werben. Bei einer Männer WM hingegen rennen die Sponsoren dem DFB fast die Türe ein...
Die Sponsoren, die schlussendlich die Frauen WM unterstützten und mit denen ich gesprochen habe (die Telekom, die Deutsche Post, die Deutsche Bahn), standen allerdings tatsächlich sehr ehrlich für dieses Ereignis ein und haben die Spielerinnen nicht nur als Weiblichkeitsstereotypen zu inszenieren versucht.
Aber es war auch von vornherein klar, dass die Verträge der Sponsoren alle befristet waren - und zwar auf den letzten Tag der WM. Es gibt einige Verträge die noch länger gelaufen sind - allerdings von Unternehmen, die vorher auch schon im Frauenfußball aktiv waren: Hyundai oder die Commerzbank. Die meisten Förderer aber haben gesagt: wir schauen uns erstmal an, wie erfolgreich das Unternehmen wird und welches Feedback wir von diesem Event bekommen, also wie viel Medienpräsenz wir kreieren können. Daran wird sich bemessen, ob wir im Frauenfußball aktiv bleiben.
Und dann hat die deutsche Nationalmannschaft die an sie gestellten Erwartungen nicht erfüllt, sie konnten den Titel nicht verteidigen. Dadurch sind ungefähr 80 Prozent der Sponsoren wieder abgesprungen.

Spielfeldschnitte: Ist die sportliche Leistung tatsächlich der Hauptgrund dafür?

Schaaf: Der Hauptgrund war jedenfalls nicht die mangelnde Medienpräsenz. Die Spiele hatten bis zu 18 Millionen Zuschauer. Das ist durchaus vergleichbar mit der Männer-WM. Die WM wurde ja insgesamt von den Rezipienten positiv aufgenommen. Der Knackpunkt war tatsächlich, dass das Team die Erwartungen nicht erfüllt hat, nämlich die sportliche Leistung. Und sportliche Leistung ist das elementare Auswahlkriterium für Sponsoren. Ich bin fest davon überzeugt, dass das ganz anders aussähe, wenn sie Weltmeisterinnen geworden wären.

Spielfeldschnitte: Aber ist diese Kritik bzw. dieses Sponsorenverhalten Frauenfußballspezifisch?

Schaaf: Diese Kritik wäre auch gekommen, wenn die Männer ausgeschieden wären. Ich glaube die Kritik der sportlichen Leistung ist nicht Frauenfußballspezifisch. Das Problem ist aber vielmehr, dass niemand, nicht die Medien, nicht die Sportjournalisten, daran geglaubt haben, dass sich die Aufmerksamkeit, die man zur WM generiert, irgendwie dauerhaft in die Bundesliga, also den nationalen Frauenfußball, transportieren lasst. Diese Einschätzung ist durch die sportliche Niederlage bestärkt worden.

Spielfeldschnitte: D. h., diejenigen, die den Frauenfußball vorher finanziell unterstützten oder über ihn schrieben, tun dies weiterhin, alle anderen haben einmal den Fuß ins Wasser gehalten und haben ihn schleunigst wieder rausgezogen?

Schaaf: Genau. Es gibt ja ein gutes Dutzend an FrauenfußballexpertInnen in Deutschland, die überwiegend bei den Qualitätszeitungen arbeiten: bei der FAZ, bei der SZ. Die werden auch weiterhin über Frauenfußball berichten. Aber diese große Masse, die zur Frauenfußball-WM aufgesprungen ist, ist auch wieder abgesprungen. Es ist für die jetzt einfach kein Thema mehr, da passiert ja auch nichts Spektakuläres mehr auf längere Sicht: Die Frauen haben auch die Olympia-Qualifikation nicht geschafft. Die Bundesliga war eh schon immer uninteressant.
Dieses mangelnde Medieninteresse allerdings hat andere Gründe als rein sportliche:
Sportredaktionen sind dominiert von Männern – es gibt nur etwa 8% Frauen in den Redaktionen. Das, was dort ausgewählt wird, erfolgt nach männlichen Präferenzen. Frauensportarten sind generell nicht so präsent. Man kann sagen, dass der Anteil von Frauensportberichtserstattung in keinem tagesaktuellen Medium bei mehr als 15 Prozent liegt.
Bei der WM im eigenen Land „mussten“ die über den Frauenfußball berichten, weil es politisch erwünscht war. Die Bundeskanzlerin hat das Event in ihrer Neujahrsansprache erwähnt. Der damalige Bundespräsident Wulff war im Trainingslager medienwirksam. D.h. es bestand ein gewisser gesellschaftlicher Druck für die Sportredaktionen über dieses Event zu berichten.
Meine Interviews haben aber ergeben, dass die meisten Redaktionen – abgesehen von den überregionalen Qualitätszeitungen – gar keine Experten dafür einsetzen konnten. Die, die für Männerfußball zuständig waren, haben sich oftmals geweigert über den Frauenfußball zu berichten. Dann wurde die Berichtserstattung meistens dem schwächsten Redaktionsmitglied zugeschoben. Das war entweder die einzige Frau in der Redaktion, auch wenn die sich vielleicht gar nicht so sehr dafür interessiert hat. Oder es wurde dem jüngsten Redaktionsmitglied zugeschoben. Nach dem Motto: soll doch der Volontär was über Frauenfußball berichten. Wenn ich bei meiner Befragung dann gesagt habe: „Sie wurden mir als Experte vermittelt“, kam oft: „Naja, ich bin ja gar kein Experte, ich muss das jetzt hier machen, weil ich der Jüngste bin. Aber ich bin froh wenn das vorbei ist, dann kann ich wieder über richtigen Fußball berichten.“ Dann hab ich gefragt: „Was ist denn richtiger Fußball?“ „Männerfußball.“

Freitag, 1. Juni 2012

Coaching Zone: Deutschland - Rumänien



Deutschland gegen Rumänien, was soll man von so einem Spiel halten. Es ist ungleich von vornherein, jedoch ist diesen aufstrebenden Fußballnationen nicht so ganz zu trauen – weder ihren angeblichen Stärken noch Schwächen. Rumänien hat es in die Qualifikationsrunde geschafft, das ist ein Kampfgeist, den muss sich Deutschland nicht mehr beweisen – das kann auch gefährlich werden.

Heimspiel für die deutsche Elf in Bielefeld. Der Regenschauer setzt pünktlich zum Anpfiff ein und hält sich tapfere 91 Minuten. Die Neidfraktion mit vielen Kranken und Verletzten tritt mit dem „B- Sturm“ (O-Ton von Kommentator Bernd Schmelzer) auf: die Jungen Alexandra Popp und Jennifer Marozsan dürfen von Anfang an ran. Noch macht man es sich gemütlich vor dem Livestream, holt sich schnell ein Wasser und schon ist das erste Tor verpasst: nach nur 46 Sekunden und einer wunderschönen Flanke von Popp köpft Bresonik das 1:0. Ein Auftakt, den sich Silvia angeblich wünschte. Ganz ehrlich, welcher Trainer wünscht sich das nicht. Die Deutschen nun motiviert – man hätte noch nicht merken können, ob sie es davor nicht waren. Doch nun erhofft man sich weitere Brillanz. Über die Flanken kommt ordentlich Druck. Bresonik hat nun wirklich „etwas verstanden“, denn sie spielt ein Spiel ihres Lebens, das hat man lange nicht mehr von ihr gesehen. Mal rechte Seite, mal linke. Behringer und Bresonik wechseln sich stetig ab, zusammen mit Laudehr. Zur Flexibilität der Einsätze hat sich wohl eine Flexibilität der Positionen gesellt, die mit jedem Wechsel die komplette Aufstellung umstellt. Man sollte bei diesem Spiel eher von Umstellung als Aufstellung sprechen. Ein Trend, dem vom Trainergespann schon seit längerem gefolgt wird. Soll die „wer kommt mit“ Frage dadurch warm und spannend gehalten werden? Hat Silvia zu viele Gute und weiß nicht recht, wie zu verteilen und wohin zu stellen? Neben möglichen Vorteilen, nimmt sie sich durch das viele Rotieren auf jeden Fall auch Spielerinnen von ihren starken Positionen. Ein Beispiel wäre hier Simone Laudehr. Die eigentlich in ihrem Spiel zuverlässige routinierte Spielerin hat seltene gute Situationen und kommt durch die Positionsrotation nicht in ihr Spiel. Eine in die Offensive ziemlich schwache Partie zeigte auch die Doppelsechs Viola Odebrecht.