Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Sonntag, 25. März 2012
My B/log has something to tell you about: Es gibt nur eine Birgit Prinz!
Es gibt nicht viele großartige Sportlerinnen, die einem wirklich ins Gedächtnis eingebrannt bleiben. Vor allem im verhältnismäßig jungem Frauenfußball gibt es noch nicht viele "damals, als..."-Mythen zu erzählen.
Damals, als ich zusammen mit meinem vier Jahre jüngeren Bruder anfing Fußball zu spielen, da war ich oft das einzige Mädchen - auf dem Bolzplatz (soweit man mich mitspielen ließ), im Verein sowieso. Die Vorbilder waren Männer, Platini, Figo, Thomas Hässler. Die meisten Mädchenteams waren noch nicht gegründet, bis zur C-Jugend spielte ich mit den Jungs, meistens in der Abwehr, im letzten Jahr auch im Mittelfeld. Am 28. März 1999 sah ich zum ersten Mal die großen Spielerinnen der Nationalmannschaft. Es war das Länderspiel gegen China auf dem Wolfgang-Meyer-Sportplatz in der Hagenbeckstraße. Ich erinnere mich nicht mehr, wie das Spiel ausgegangen ist. Aber ich erinnere mich, dass das "Stadion" damals total voll war und wir am Rand die Spielerinnen fast berühren konnten. Wieviele Zuschauer_innen waren wohl da, 1000 oder 2000 vielleicht? Ein paar Monate später brachte mein Vater mir aus den USA ein T-Shirt von dem "WSC" mit.
Damals schon seit fünf Jahren dabei: Birgit Prinz. Die Ausnahmesportlerin. Sie wurde, als ich schließlich in einer reinen Mädchenmannschaft im offensiven Mittelfeld eingesetzt wurde, mein und unser erstes weibliches Vorbild, zusammen mit Mia Hamm. Birgit Prinz hält soviele Rekorde, dass man sie fast gar nicht aufzählen kann. Rekordnationalspielerin. Rekordtorschützin. Rekord, Rekord. Sie hat wunderschöne Tore geschossen, wunderschöne Tore vorbereitet. Sie hat uns den Traum vorgelebt, den wir damals mit 14, 15 Jahren alle hatten. Sie spielen zu sehen war ein Erlebnis, dass wir immer genossen, auch wenn die Möglichkeit dazu nicht immer da war (keine Fernsehübertragungen, wir mussten zu den Spielen pilgern).
Birgit Prinz ist zu einer Legende geworden, ohne sich selbst vor ihren Sport zu stellen. Sie musste kein Buch schreiben, keinen Film drehen, keine Interviews geben um sich in unser Gedächtnis einzubrennen. Auch viele unserer Freunde, die keine fußballerische Sozialisation erlebt haben, nahmen sie als beeindruckende Persönlichkeit wahr: Riesig war der Jubel 2007, als sie zur Führung im WM-Finale gegen Brasilien traf, vielleicht ihr Karrierehöhepunkt. Genauso groß aber der Jubel, als sie zwei Jahre später bei der EM, schon von der Presse unter massivem Druck, "endlich wieder" traf. Vielleicht noch größer unser Respekt vor der mutigen Pressekonferenz während der WM 2011: "Besser ein beschissenes Karriereende, als eine beschissene Karriere".
Am Dienstag, den 27. März um 18 Uhr wird Birgit Prinz nun ihr Abschiedsspiel geben.
(Wir haben einmal den Versuch unternommen, den unterschiedlichen "Führungsstil" von Michael Ballack und Birgit Prinz zu beschreiben. Auch mit diesem Abschiedsspiel zeigt Birgit Prinz noch einmal, in welchem hierarchischen Verhältnis Fußballspielen und das Parkett der Eitelkeiten bei ihr stehen.)
Man hatte oft das Gefühl, dass Birgit Prinz sich ihre Bodenständigkeit auch dadurch bewahrte, dass sie dem Fankult um ihre Person lieber aus dem Weg gibt. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen wünschen wir ihr ein rauschendes Abschiedspiel.
Birgit Prinz, wir ziehen den Hut vor dir!
jepp!
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