Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Samstag, 31. Dezember 2011

My B/log has something to tell you about: 20Elf von seiner Zurückblick-Seite

   
Wir schreiben das Jahr 2007. Einen Monat nach ihrem großen WM Erfolg werben Birgit Prinz und Fatmire Bajramaj zusammen mit Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach bei der Fifa für den Spielort Deutschland und rufen "Wiedersehen bei Freunden - Welcome back". Sie erhalten den Zuschlag und das Marketing-Gemetzel beginnt. Die beliebteste Platitüde: „Mit dem Slogan / dem Logo / dem Song ist es uns gelungen, die wunderbaren Emotionen und den einzigartigen Charme des Frauenfußballs zu übermitteln“

2009 wird die Flagge gehisst, unter der die WM rezipiert werden soll: „20Elf von seiner schönsten Seite“. Vorhang auf.

Spielerinnen spielen enorm guten Fußball? Egal, es interessiert wer am besten aussieht! Tolle Technik, Torschüsse, Tore? Nein, Nagellack, Frisuren, Privatleben! Sportliches konnte nur wenig aus dem Hintergrund heraustreten. Die Feuilletons dagegen liefen quasi über an Diskussionen über den FRAUENfußball. Bei einem Fußballturnier der Männer fragt sich keine Kolumnistin oder Journalistin ob und warum man sich diesen Sport anschauen sollte. Diesen Sommer stürzten sich dagegen sämtliche Männer der Schreibwelt auf genau diese Frage.

Warum ist die Frage warum Frauen Fußball spielen und warum man sich das anschauen sollte soviel Papier und Webspace wert? Die Antwort liegt doch auf der Hand: Weil sie es können, weil es ihnen Spaß macht und weil es anderen Spaß macht ihnen dabei zu zuschauen. Muss ja nicht jeden interessieren, aber dann können diejenigen, die es nicht so interessiert doch lieber über etwas nachdenken und schreiben, was sie interessiert. Naiv? Vielleicht.



Vielleicht wollte man es diesen Leuten, die sich plötzlich interessieren müssen auch leichter machen. Erst kam also die schönste Seite, dann Karla Kick, dann die Barbie. Lira Bajramaj war ja schon da, aber sie wurde noch mal geschminkt und in die Rampenlichter gesetzt. Weil Bajramaj dann nicht so oft spielte, wie sich die Medien das erhofft hatten, stürzte man sich auf das Formtief von Birgit Prinz. Und als das deutsche Team dann rausflog war Silvia Neid dran.

Abseits davon erzählte die WM aber auch von vielen Entwicklungen und Errungenschaften: Die Spitze rückte enger zusammen, überdurchschnittlich viele Spiele besonders in der KO Runde waren nervenzerreißend spannend. Das Tempo hatte sich merklich erhöht, viele Einzelspielerinnen machten auf sich aufmerksam. 2003 gab es Angerer, Laudehr, Prinz, Garefrekes, Hingst und so weiter. 2011 gab es Solo, Marta, Wambach, Anonma, Sawa, Miyama, Garefrekes, Necib, Rapinoe, Schelin, Lindahl, Cristiane und so weiter. Es gab Überraschungen mit Japan und Australien und es gab Enttäuschungen mit Deutschland, Brasilien, Norwegen. Es gab unterirdische Schiedsrichterinnenleistungen genauso wie perfekte. Es gab Claudia Neumann, Nia Künzer, Silke Rottenberg.

Letztendlich hatte diese WM alles, was jemand, der das Turnier tatsächlich verfolgen wollte, sich wünschen konnte.

Und trotzdem sah man sich überall genötigt dieses tolle Turnier zu erdrücken. Das deutsche Team wurde erdrückt von den Erwartungen, eigentlich von dem Glauben an den sicheren Titel. Die sportlichen Leistungen wurden erdrückt, von den tausend wichtigeren Themen und Fragen rund um den Frauenfußball. Die Stimmung im Stadion wurde erdrückt, von der Laola Welle. Einzelne Spielerinnen wurden erdrückt, weil man sich nur und ausschließlich für ihr Privatleben interessierte. Die Bundesliga wurde erdrückt, durch die lange Vorbereitungszeit des Nationalteams und dem fehlenden Willen sich auch nach der WM für sie einzusetzen. Der Kampf gegen Homophobie und für Respekt wurde unterdrückt, als die Fifa Plakate mit der Aufschrift „Fußball ist alles – auch lesbisch“ konfiszieren ließ. Sexismus auf eine neue Ebene gehoben, als einige Spielerinnen aus der U19 Nationalmannschaft sich für den Playboy auszogen und behaupteten damit mit den alten Klischees der zu männlichen Fußballerinnen aufgeräumt zu haben.

Jetzt ist das WM Jahr fast vorbei. Nach dem Vulkanausbruch liegt jetzt erstmal abgekühlte Gesteinsmasse über dem Frauenfußball. Die Bundesliga mit ihren irgendwie besseren Zuschauerzahlen und irgendwie doch gleich gebliebener Nischenposition ist in den Winterschlaf gegangen. Ein guter Zeitpunkt also sich an die warmen Tage zu erinnern. Drei Wochen lang haben wir im Gängeviertel Hamburg mit vielen anderen jedes Spiel der WM gesehen. Künstlerinnen und Theoretikerinnen haben die Räume mit Fotos, Installationen, Texten bestückt. Wir haben zusammen gejubelt, gebangt, gefeiert, geweint. Und da jetzt dieses Jahr noch mal symbolisch auch die WM beendet, blicken wir in einem kleinen Video darauf zurück, mit Bildern von der Ausstellung und Stimmen von BesucherInnen.

Und sagen noch mal: Danke für diese tolle und unvergleichbare Zeit!

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