Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Dienstag, 20. September 2011

My B/log has something to tell you about: Vorwärts in die Vergangenheit oder: als Bratwurst in die Zukunft

     
"Der Sieger ist der King. Der Verlierer ist die Bratwurst" philosophierte jüngst Bundestrainerin Silvia Neid. Die Grillsaison ist zwar lange vorbei und Neids Team hat das erste EM-Qualifikationsspiel sicher nach Hause gebracht. Und doch fühlt man sich nach der WM als Frauenfußballaffine irgendwie dazu eingeladen sich mit Neid&Co. auf den Grill legen zu lassen.

Theo Zwanziger beschwor noch vor, während und nach der WM den Kampf für mehr TV-Präsenz. Beim regelmäßigen Herrengedeck mit ARD Sportchef Axel Balkausky wurde dann schnell klar, wer King und wer Bratwurst ist: Das Spiel gegen die Schweiz durfte auf keinen Fall „ihre Heiligkeit“ die Sportschau torpedieren und über Roland Kaiser, Gaby Albrecht und Konsorten vom Musikantenstadl – die unverwüstlichste Konservendose unserer Zeit – wurde gar nicht erst diskutiert. Anpfiff also am Samstag um 15:45, parallel zu sämtlichen Konkurrenzveranstaltungen dieser Welt. „Fehlt nur noch, dass Frauenländerspiele im Pay-TV oder in einem Spartensender mit geringer Reichweite verklappt werden.“ schrieb die
Taz.

Aber wären wir dann wirklich schlechter dran?


Nach dem oftmals überengagiertem audio-visuellen Vulkanausbruch zur WM 2011 liegt jetzt eine abgekühlte Gesteinsmasse auf dem Frauenfußball. Ein bisschen
Wim und Thoelken steckt wohl immer noch in den Altherrenverbünden der Öffentlich-Rechtlichen. ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz versprach gleich nach der WM, dass man „sicher nicht regelmäßig“ zur Bundesliga berichten werde. Wir sind ihm irgendwie ein bißchen dankbar für seine Ehrlichkeit. Von der Bundesliga also weit und breit nichts, oder nicht mehr als noch vor der WM zu sehen und die Länderspiele werden sich wohl auf ewig zwischen den eingetrockneten Dauerbrennern der Ersten und Zweiten tummeln.

„Der Spielbetrieb der Bundesliga wird von den Sendern weitgehend ignoriert. Dabei besitzen ARD und ZDF über ihre Agentur SportA die Senderechte. Rechte, die kaum genutzt werden. Der Hessische Rundfunk, dessen Berichterstattung über Frauenfußball nach Aussage von Sportchef Ralf Scholt »einzigartig im Verbund der ARD« ist, sendet im Jahr gerade mal »250 bis 280 Minuten«. Fünf Minuten wöchentliche Sendezeit sind damit offenbar der Spitzenwert.


Warum aber sichern sich ausgerechnet diejenigen die Übertragungsrechte an sämtlichen Spielen des Nationalteams wie auch der Bundesliga, wenn der Drang zu einer unterstützenden Berichterstattung so marginal nur vorhanden ist? Nach der WM sind „35,9 Prozent aller Interviewten »sehr stark« oder »stark« daran interessiert, dass das Fernsehen künftig auch über die Frauenfußball-Bundesliga berichten wird.“


So heißt es jedenfalls in der Statistik.

Wahrscheinlich überwiegt die Sendezeit aller „Warum-tun-sie-das-nur?“
Reportagen (und hier) über Frauenfußball-Vereine die Sendezeit der eigentlichen Bundesliga Partien.
 

„Wir sind nicht die Anschieber für eine größere Akzeptanz des Frauenfußballs. Das muss die Bundesliga von sich aus schaffen.“ erklärt sich ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Und außerdem: "Der Frauenfußball wird wieder von der Bildfläche verschwinden."

Naja, ist ja auch kein Wunder, weil er nicht mehr auf der (TV-)Bildfläche auftaucht. Sportchef Gruschwitz, der besser in die Bunte passt als sonst wohin, hat entweder vergessen oder nie gewusst, dass die Stärkung eines Sports (oder auch jedes anderen Formats oder Phänomens) zwar auch aus sich selbst heraus erwirkt wird, aber zum selben Anteil wenn nicht sogar mehr aus der Art der medialen Vermittlung entsteht.

„Studien über die Telepräsenz direkt vergleichbarer Männer- und Frauensportarten (etwa U.S. College-Basketball und Profi-Tennis; Duncan/Messner 1998) belegen eine ganze Reihe qualitativer Differenzen, die zur Trivialisierung des Frauensports beitragen. So ist die technische Qualität der Übertragungen von Frauensport oftmals schlecht, und es wird weniger Audience Building (Werbung für das Spiel, Vorberichterstattung etc.) betrieben, so dass die Wettkämpfe von Frauen vergleichsweise unbedeutend erscheinen.“ (Medienimpulse)

Gruschwitz spricht von Akzeptanz und meint damit zwischen den Zeilen wohl, dass er selbst davon auch nicht viel übrig hat. Akzeptanz oder Toleranz „sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ hatte einer der größten Dichter schon vor langer Zeit festgestellt. Gruschwitz duldet und ordnet die Spiele der Frauen lieber in Kategorien wie „attraktive Programmware“.

Und attraktive Programmware hat wohl nichts mit grillbar zu tun.


Hier gibt es eine Petition für die Übertragung der Frauen-Bundesliga im TV.

1 Kommentar:

  1. anderes thema.. http://tv.dfb.de/index.php?view=3751 .."St.Pauli ist anders, wir auch!"..soso..

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