Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Mittwoch, 14. April 2010

my blog has something to tell you about... Zusammen schauen ist doch am schönsten!

Fußball schauen steht besonders in einer Tradition: dem zusammen schauen. Und das nicht, wie fälschlicherweise oft behauptet, erst durch den überschätzten Public-Viewing-Wahn des Jahres 2006. Zusammen schauen macht schon die Situation in den Fußballarenen aus - seit der Antike ging es darum, sich im Zuschauerraum als Gemeinschaft zu positionieren. Zur WM 1954 trafen sich die Menschen schon in den Kneipen um sich das Fernsehbild und die gegenseitige Gesellschaft zu teilen. Heutzutage flackert jedes Wochenende in jeder zweiten Bar das Fernsehlicht.

Und warum? Um des Zusammen-seins-Willen. Scheinbar erst zusammen kann man wissen, welche Spieler man gut oder faul findet, welche Schiedsrichterentscheidung völlig an den Haaren herbei gezogen war, und vor allem: nur zusammen jubelt man lauthals, wenn Favoriten Tore schießen. Zusammen ist es halt am schönsten!

Zusammen Fußball schauen ist an fast jeder Ecke möglich. Aber Frauenfußball gemeinsam schauen ist viel schwerer. Natürlich auch vor allem, weil nur wenig Sender noch weniger Spiele zeigen. Wenn dann schon mal die Nationalmannschaft spielt, da fehlt es direkt wieder an der richtigen Kneipe, die das Einschalten wagt. Zugegebendermaßen haben die meisten zu den Kindergartenfreundlichen Spielzeiten noch gar nicht auf. Trotzdem muss sich auf dem Gebiet ein Jahr vor der WM im eigenen Lande jetzt etwas ändern!

Deshalb startet das Projekt Spielfeldschnitte eine Art Pilotprojekt Abseits vom Wohnzimmer und Vereinsheim. Wir laden am 22. April ab 15:30 in die Astra Stube in Hamburg um gemeinsam das Spiel Deutschland gegen Schweden zu gucken. Inmitten von Hamburg wollen wir uns treffen und zusammen zu Betrachtern werden.

Schon Vitruv wusste um den hohen Stellenwert der Wahl des Platzes für die Versammlung: "Denn die Männer, die mit ihren Frauen und Kindern ununterbrochen dasitzen, werden durch die Freude (am Spiel) gefesselt, und ihre Körper, die infolge der Spannung bewegungslos sind, haben offene Poren, in die der Luftzug eindringt, der wenn er aus sumpfigen oder anderen ungesunden Gegenden kommt, in ihre Körper schädliche Dünste eindringen lässt."
Die Gegend um die Astra Stube ist selbstverständlich sumpffrei und es weht ein angenehm frischer Stadtwind. Optimale Bedingungen also für Spannung und Freude. Auch vor den von Vitruv gefürchteten südlichen Einflüsse ist man hier bei optimaler westlicher Öffnung geschützt. Der Betrachter ist in seiner Situation vor allem Gefäß für die Substanzen des Universums. Und was bedeutet das in der Astra Stube? Klar, ein schönes kühles Astra. Prost!

"Man kann heutzutage (Männerfußball) und (Frauenfußball) visuell nicht mehr eindeutig unterscheiden. Über eine solche Unterscheidung entscheidet vielmehr der Ort, an dem der bestimmte (Fußball) ausgestellt wird." (Boris Groys)
Die Unterscheidung probieren, austesten, befragen. Frauenfußball in der Astrastube. Das ist wie Astra zum Kuchen. Oder Picknick unter der S-Bahn. Oder einfach nur zusammen schauen.

1 Kommentar:

  1. "Wer den Ball nicht in geselliger Runde unterhalb donnerndem Getöses in verruchter Geborgenheit beobachtet, wird nie das sentimentale, melancholische des ewigen Zweiten verstehen" (Peter Karamello)
    In diesem Sinne freuen wir uns auch auf Lokomotive Leipzig.

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