Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 22. Februar 2010

denk.anstoß: Kicker - Birgit Prinz, eine starke Frau, die was zu sagen hat.


Lothar Matthäus - Rudi Völler - Sepp Maier - Bastian Schweinsteiger - Uwe Seeler - Birgit Prinz.

"1:1 Mit Fußballidolen im Gespräch" heißt die Serie im kicker, bei der nach 5 Männern eine Frau auftaucht. Pünktlich zum Wirbel um Birgit Prinz´ 200. Länderspiel interviewt Mounir Zitouni, gelernter Gemanist und ehemaliger FSV Frankfurt Spieler, in der aktuellen Ausgabe (Nr.16) die Nationalspielerin. Ein erwähnenswertes Interview, eine ganze Doppelseite ist das dem kicker wert, der sonst eher mehr über Äußerlichkeiten im Frauenfußball berichtet. Und nicht nur das, auch der Chefredakteur höchstpersönlich kündigt das Interview schon im Editorial an. Er verspricht "ungewöhnlich offene und höchst bemerkenswerte Einblicke in ihre Gedanken über Starkult und Stellenwert des Fußballs". Show, Spektakel und Starkult gehöre im Jahre 2010 eng zum Fußballgeschäft. Prinz mit ihren Erfolgen passe dabei nicht in das gängige Schema des Business.

Dass Birgit Prinz ein ambivalentes Verhältnis zur Medienwelt des Fußballs und "keine Lust" sich "zu verkaufen" hat ist kein Geheimnis. In Interviews deutet sie immer wieder an, dass sie auch schlechte Erfahrungen mit der großen Aufmerksamkeit hatte. An der entsprechenden Weggabelung entschied sie sich dann gegen eine Komplett-Vermarktung ihrer Person und für ihre Privatssphäre. Auch Zitouni kommt schnell auf Prinz´ Erfahrungen mit der Medienwelt zu sprechen. Und das weit inhaltsvoller, als es sonst oft der Fall ist. Statt sich gegenseitig Platitüden hin und her zu schieben, sprechen Zitouni und Prinz über Vorbilder, Geld und die Schwächen einer/s Spitzensportler/in. Prinz etwa gesteht zu, dass sie mittlerweile die Erfahrung macht, dass man sich über Schwächen auch mitteilen kann und dabei auf Verständnis trifft. Das hätte sie sich früher nie zugetraut. Und auch auf Kritik und Titelgewinne kommt man zu sprechen: Prinz will sich nicht an ihren Titeln messen lassen, für sie bedeutet Fußballspielen eher transzendentalen Gewinn (wenn man das so überschreiben mag). Kritik trifft sie deshalb auch nicht an Stellen des verpassten Titels, sondern an Momenten des Selbstzweifel oder der Selbstkritik. Man muss sagen, eine sehr reflektierte Frau. Erfrischend, dass sie sich damals nicht für die Fußballplatitüden entschieden hat.

Trotzdem bleibt das Interview unter seinen Möglichkeiten. Ob das an Zitounis Fähigkeiten oder an Prinz´ Wollen liegt, kann man natürlich schwer sagen. Die im Editorial groß angekündigten Gedanken über Starkult und Showbusiness bleiben doch an der Oberfläche. Dabei lohnt es sich gerade bei Birgit Prinz den Begriffen "Idol", "Vorbild" oder "Ikone" (ein Begriff, den zum Beispiel Niels Barnhofer benutzt) Raum zu geben. Es wird im Interview zwar darüber gesprochen, wie wichtig es gerade für Mädchen ist Vorbilder im Frauenfußball zu haben, die im Editorial angedeutete Sonderstellung von Prinz bleibt aber unbesprochen. Prinz ist die erste "öffentliche Person" des Frauenfußballs, die dem Begriff "Vorbild im Frauenfußball" eine Substanz gab. Sie selbst hatte dafür keine Vorbilder. Sie wurde quasi zwischen den Bildern des Männerfußballs, Bildern aus anderen Frauensportarten und allgemeinen Bildern des Starkultes hin und her gerissen, bis ein gezeichnetes Bild von ihr vorhanden war. Dass sie bei einem solchen Druck dennoch so weit in ihrer Karriere gekommen ist, ist erstaunlich. Sie musste dafür eine Rolle lernen, wie sie selbst sagt. Wie sie das wohl im Kontext ihres Psychologie-Fachwissens betrachtet? Für diese Frage müsste das entsprechende Interview sich noch etwas weiter vor trauen. Soweit Birgit Prinz das zulässt.

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