Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 18. Mai 2009

denk.anstoß: das war's dann heute mit Fußball

Der Uefa-Cup ist bekanntlich ein großer europäischer Wettbewerb, dem viel Aufmerksamkeit zuteil wird. So nicht im Frauenfußball. Obwohl der Uefa-Cup hier sogar der höchste europäische Wettbewerb ist, kämpft man mit niedrigen Zuschauerzahlen, sperrigem Hin- und Rückspiel (nicht ein Spiel!) und schlechten Übertragungszeiten. Das ist im Frauenfußball zwar nichts neues, trotzdem darf man sich langsam fragen, ob sich nicht eine behindernde Differenz zwischen der Entwicklung des öffentlichen Interesses am Frauenfußball und seiner Repräsentation in den Medien einschleicht. Dass sich das Interesse am Frauenfußball deutlich vergrößert hat, erkennt man an der wachsenden Zahl Fußball spielender Mädchen und Frauen und denjenigen, die ihnen dabei Zuschauen (bis hin zu neuerdings Stadien füllende Topspielen). Aber auch die Vorgänge hinter den Kulissen lassen ahnen, dass es im Frauenfußball nicht mehr nur um Kaffeeservices geht: das Tauziehen um Nachwuchstalent Kim Kulig und die einhergehende Diskussion um die Doppelrolle von Siegfried Dietrich (Spielerberater/Manager) erzählen vielleicht am Rande von dem leise eingeschlagenen Weg ins “Geschäft Frauenfußball”.

In Vorbereitung einer WM im eigenen Lande mag das wachsende Interesse nicht verwundern. Umso mehr darf es dann aber die Diskrepanz, mit der dieses Interesse von den Medien bedient, durch die Medien unterstützt und weiterentwickelt wird. Das Spiel vom FCR Duisburg gegen den russischen Meister Perm kann dafür gut Beispiel stehen: die um 17:30 Uhr versammelten Frauenfußballfans mussten sich bis zum Spielanpfiff des Uefa-Cup Finales noch eine geschlagene Viertelstunde männerdominierte Werbung ansehen. Warum die Übertragung des Spiels nicht einfach auf die richtige Zeit angekündigt war, bleibt ein Rätsel. Genauso rätselhaft die Ankündigung des Eurogoals Moderators um 17:36, der sich verabschiedete mit: “Das war´s dann heute mit Fußball...” und die kurze Angst der Frauenfußballfans, dass die Übertragung mal wieder verlegt wurde oder ganz ausfällt.

Eurosport übertrug dann aber doch und zwar überpünktlich zum Anpfiff, die Halbzeit wurde mit Werbung perfekt ausgefüllt und der Schlusspfiff leitete das Abendprogramm ein. Keine Berichte, nur schlichter Kommentar auf Bild in Realzeit. Ob man sich damit als Zuschauer vernachlässigt fühlt, oder es als Erleichterung betrachtet, ist wahrscheinlich Geschmacksache. Doch dürfte das Interesse des Publikums hier doch eigentlich über das Spiel hinaus gehen. Und selbst wenn es dafür jetzt keine Studie und keinen Quotenbeweis gibt: die Berichterstattung rund um die Live-Übertragung herum gestaltet das Ereignis nicht nur mit, sie konstituiert sie sogar als Spektakel, als Ereignis über das eigentliche Spiel hinaus (Netzer/Delling und Kerner/Kahn stehen als das Sinnbild für die identifizierende Berichtserstattung). Eurosport dagegen verzichtete auf alles abseits den 90 Minuten (die Gründe können nur erraten werden: so wenig Frauenfußball wie möglich, mehr als ein Moderator war zu teuer, man wollte kein Kamerateam nach Russland schicken etc.) und verkannte dann auch noch das Publikum: der Kommentator des Spiels schien streckenweise vorgeschriebene Texte vorzulesen und verpasste dabei wichtige Szenen des Spiels. Seine Ausführungen über den Frauenfußball gegen Ende des Spiels sprachen eher zu dem Frauenfußball-laien, von denen wahrscheinlich eher wenige das Spiel verfolgten.

Bei dieser Analyse soll eines noch schnell eingeschoben werden. Hier soll keine Weiterführung des Gejammeres über die niedrige und unprofessionelle Repräsentanz des Frauenfußball in den Medien betrieben werden. Vielmehr soll ein Erstaunen darüber geäußert werden, dass so wenig die Chance ergriffen wird, die Komponenten einer Medienlandschaft rund um den Frauenfußball mitzugestalten. So könnte etwa Eurosport mit jeweils 10 Minuten Berichtserstattung vor, in der Hälfte und nach dem Spiel die Kommentatorin Eva Musterfrau nicht nur als kompetente Journalistin, sondern auch als ein Gesicht der Berichtserstattung zur WM 2011 etablieren. Dazu wäre die politische Implikation viel weitreichender: eine weibliche Stimme im Sportjournalismus mehr, differenziertere Recherche (allein durch mehrere Betrachterstandpunkte) und vielleicht mal nicht immer die selben Gesichter bei Sportgroßevents (Kerner, Beckmann etc...). Ob Eva Musterfrau bei der WM 2011 überhaupt noch auf den Bildschirmen erscheinen wird, ist eine andere Frage. Aber eigentlich müssten neue Gesichter jetzt eingeführt werden, bei Frauenfußball-Topspielen im Jahr 2009. Eurosport scheint zur Zeit diese Chance der Mitgestaltungsmöglichkeit noch nicht zu sehen. Wir hoffen das wird sich noch ändern.

8 Kommentare:

  1. Vielleicht sollte man zur Abwechslung auch mal Dankbar sein, das es überhaupt Livebilder gegeben hat. Offensichtlich hatte ja wohl kein Deutscher Fernsehsender wie z.b. Wdr oder Ard Intresse daran dieses Spiel zu übertragen ( als Turbine International gespielt hat wurde es z.b. immer vom Rbb übertragen ). Sicherlich ist deine Kritik an der alles andere als perfekten Übertragung gerechtfertig......aber doch nicht Ernsthaft bei einem Französischem Sportsender.

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  2. Dankbarkeit finde ich hier falsch: Sind wir ARD oder Eurosport dankbar dafür, dass sie sich mit Männerfußball Milliarden in die eigene Tasche spielen? Ich finde es total toll, dass der UEFA Cup übertragen wurde, aber warum sollte man nicht kritisieren dürfen, dass das tatsächlich nur ein mittelprächtiges Medienspektakel war? Ich als Zuschauer möchte mich doch auch dem gegenüber verhalten können, was mir gezeigt wird und nicht immer nur dankbar sein müssen.

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  3. Tja weisst du, man kann sich vieles Wünschen....man wird aber noch lange nicht alles bekommen.
    Bisher schaut die Breite Unterstützermasse wohl ehr selten über den Tellerrand der A-Nationalmannschaft unserer Ladies.....was erwartest du also von Eurosport? Sollen die Berichterstatter vor Ort für Luft und Liebe arbeiten?

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  4. Natürlich ist es nicht einfach für den Kommentator das Spiel vor dem Fernseher zu kommentieren, dafür hat er es gar nicht schlecht gemacht. In Telefonaten mit Martina Voss und dem Präsidenten Lutz hat er ausserdem interessante Details erfahren und weitergegeben.
    Die Beschränkung auf das eigentliche Spielgeschehen finde ich prima, da die nichtsaagenden Interviews von Selbstdarstellern beim Männerfussball zum Kotzen langweilig sind.

    Laßt den Frauenfußball wie er ist, macht keine Events daraus. Mir grauts schon jetzt vor dem Rückspiel in Duisburg und demnächst vor dem inszenierten Sommermärchen 2011, alles vor Zuschauern die Frauenfußball eigentlich nicht interessiert.

    Ein begeisterter Besucher des Hinspiels in Kazan.

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  5. Liebe anonyme Schreiber/innen,

    dass nun gerade Eurosport hier Beispiel steht für eine gewisse Ignoranz in der Frauenfußball-Liveübertragung ist natürlich, wie bei den meisten empirischen Untersuchungsgegenstände, von Mängeln im Sinne einer ausfüllenden Beispielhaftigkeit gekennzeichnet. Dennoch denke ich, dass man die Übertragung des Hinspiels als aktuell exemplarisch sehen kann, wie (auch ARD, WDR und andere) Produktionsfirmen sich dem Frauenfußball zuwenden. Eurosport legt sicher seine Schwerpunkte unterschiedlich, beim Frauenfußball liegen sie vielleicht nicht so stark, wie beim Kampfsport und Pokern. Warum sollte man aber daran nicht auch Kritik üben? Und nur wenn Interesse an den Live-Bildern und Bildern darüber hinaus sichtbar, also geäußert wird, denken vielleicht auch bald mehr deutsche Fernsehsender öfter über eine Übertragung nach.

    Dankbarkeit finde ich auch einen schwierigen Begriff. Natürlich freue ich mich über die Übertragung. Aber muss ich dafür auch dankbar sein, oder kann ich als Zuschauer nicht auch versuchen von einer medialen Unmündigkeit in eine Forderungshaltung überzugehen? In Dankbarkeit schwingt immer auch eine Art Stillstand mit. Man könnte ja auch immer noch dankbar sein, für das Kaffeeservice, dass die Nationalmannschaft für einen Turniergewinn bekommt, denn sie könnte ja auch leer ausgehen. So ein Denken kann aber eine Entwicklung nicht produktiv unterstützen.
    Der Ausspruch eines DFB Vetreters in der Dokumentation "Tabubruch - Der neue Weg von Homosexualität im Fußball" (http://www.sueddeutsche.de/t5m38l/2897019/Locker-machen.html) steht hier synonym für die Grundlage, von der die Kritik ausgeht:
    "Wir müssen uns ehrgeizige Ziele setzen, sonst verkennt man die Problematik insgesamt."

    Man würde den Frauenfußball gerne so lassen, wie er ist - aber er ist mittlerweile mehr wert, als das, zu was er gemacht wird. Dass 2011 ein Event werden wird, daran geht kein Weg vorbei, die Frage ist aktuell: wer gestaltet dieses Event? Wie wird es insziniert? Und dazu gehört auch Forderungen zu stellen, beziehungsweise die Chance zur Mitgestaltung zu ergreifen.

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  6. Irgendwie komme ich da nicht mit Rosa...sorry. Man muss sich doch Realistisch darüber im klaren sein, das weder die Medienlandschaft und erst recht nicht die Sponsorenlandschaft in der aktuellen Wirtschaftskrise unendlich sind. Mögliche Sponsoren Intressieren sich fast ausschließlich für Zuschauerzahlen ( falls man nicht gerade im selben Ort beheimatet ist ) und da konkurriert man knallhart mit anderen Sportarten wie z.b....Eishockey, Volleyball und Basketball, die in Deutschland garkeine Medienpräsenz auf Liga Ebene und das bei den Männern, die Oftmals 3000 bis 6000 Personen pro Spieltag in die Hallen locken. Insofern finde den Begriff "Dankbarkeit" gerechtfertigt. Ohne Frage wird 2011 ein Riesiges Event, aber ob der Schwung wirklich in die Liga mit herüber genommen werden kann, waage ich zu bezweifeln. Die breite Masse schaut sich doch diese Events nur an, weils eben fast jeder schaut ( Patriotismus eben ) aber doch nicht weils vordergründung um Frauenfussball geht.... traurig aber wahr. Rein sportlich gesehen sind die WM Erfolge von 2003 und 2007 eh nicht mehr zutoppen.
    Schwieriges Thema, irgendwie wird es schon voran gehen mit dem Frauenfussball....der erste Schritt hin zu den Vollzeit Trainern in der Liga ist schonmal getan.

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  7. Vielleicht muss man die Gedanken zur eurosportianischen Übertragungsphilosophie auch eher als Plädoyer für einen Gestaltungswillen in einem sich formierenden Medienumfeld nehmen. Was dabei realistisch sein kann, kann ich nicht beurteilen, Zäsuren gibt es zuviele um da positivistisch zu denken. Aber nur das Äußern eines Unmuts kann Sichtbarkeit erzeugen und vielleicht Brüche ermöglichen, die man so vielleicht nicht erwartet hätte.

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  8. Warum immer nur zum Männerfußball schielen? Kann man nicht die Übertragung eines Frauenfußballspiels komplett neu gestalten? Zum Beispiel mit tanzenden Männercheerleadern an der Seite, Spielunterbrechungen für den Auftritt von Heidi Klums Germanys Next Topmodels, rundes Spielfeld, bunter Rasen, einstudierte Choreografien nach Torschuss, spezielle Schminktipps für Fußballerinas, Kameras auf dem Spielfeld, die neben den Spielerinnen her laufen.
    Das könnte doch dem ganzen einen Auftrieb geben, oder?

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