Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Sonntag, 21. Juli 2013

Coaching Zone: EM Italien - Deutschland

  
Sportjournalist_innen in Schweden unterhalten sich über den bisherigen Verlauf des Turniers und Claudia Neumann bekommt einen Hustenanfall. Das ZDF gibt sich wieder mehr Mühe und wir hoffen, dass das zu einer Serie wird. Bei der Gelegenheit kurz ein Vergleich der übertragenden ZDF/ARD und Eurosport: Eurosport gewinnt, denn es gibt da nicht einfach nur zwanzig Minuten mittelinteressante Konversation, sondern eine Stunde mit guten Beiträgen zum Turnier und beiden Teams. Wenn Thomas Berthold noch dazu sympathisch wäre und die Leute nicht dauernd unterbrechen würde, dann hätte man die perfekte Sportsendung. Aber Sven Voss und Claus Lufen... ? Auch nicht besser.

Das Neid-Bashing ist im Vergleich zum Prinz-Bashing 2011 eher harmlos verlaufen. Interessant aber die Arbeitsverweigerung: "Die müssen sich da selbst rausholen", deshalb Freizeit zum Nachdenken, Outsourcing auf hohem Niveau und mehr Ferien für Silv und Uli. Weitere Verschwörungstheorie: Die Niederlage gegen Norwegen war geplant und mit einem komplizierten Algorhythmus errechnet. Nun gut.

Viertelfinale also gegen Italien und leider hat sich auch die lokale Sambagruppe trommelnd im Stadion eingefunden - schlimmer als die Vuvuzela-Epedimie. Und warum eigentlich? Wir befinden uns in Schweden und es spielt nicht Brasilien. Nach 15 Minuten erbarmt sich wahrscheinlich Steffi Jones und fesselt die Truppe wie Troubadix vor dem Stadion an einen Baum, Ruhe kehrt wieder ein.

Während der Dauerbeschallung geht das Spiel zügig los und wird dann zäher und zäher wie ein riesiger fleischfarbener Kaugummi. Gleich am Anfang knallt ein Ball auf die Latte des deutschen Tors, die Italienerinnen sind keineswegs in Lauerstellung sondern höchst aktiv. Laudehr (statt Leupolz) und Lotzen machen viel Druck über die Außen, Mittag (auf der zentralen Position im Mittelfeld) bleibt unauffällig. In der 25. Minute, wir stecken bis zum Hals im alten Kaugummi, kann Simone Laudehr schießen und der Ball stochert sich irgendwie selbst ins Netz.

Aber so richtig Fahrt nimmt das Spiel nicht auf, spannend bleibt es nur, weil die Führung knapp ist. Es gibt weniger aber immer noch zuviele Fehlpässe. Die "geübten" Freistoßvarianten werden wieder peinlich verpatzt, generell wird der ruhende Ball nicht effektiv verwertet. In der zweiten Hälfte kommt Marozsan und erhöht immerhin die Torschussquote und setzt in der 88. Minute einen schönen Freistoß an die Latte. Die Spielzüge wirken hektisch und teilweise fast panisch, nur in der zweiten Hälfte ab der 60. Minute kommt es für eine Weile zu flüssigen und überlegten Ballwechsel.

In der Abwehr glänzen Krahn und Bartusiak immer wieder mit Unsicherheiten, wir haben diesen Satz übrigens nicht vorinstalliert. Aber auch in diesem Spiel wieder: Diese vermaledeiten hohen Bälle, einfach nur hoch nach vorne und ankommen tun sie aber fast nie. Dann Fehlpässe und Querschläger, den Italienerinnen den Ball direkt am Strafraum in den Fuß spielen - mehr Konzentration bei diesen Szenen darf doch nicht zuviel verlangt sein.

Besonders auffällig ist Simone Laudehr, nicht nur wegen des Tors, während des ganzen Spiels sorgt sie für den Zug nach vorne. Celia Okoyino da Mbabi kann heute wenig von ihrem Können zeigen und wird in der 67. Minute wegen Muskelproblemen ausgewechselt. Nadine Keßler spielt eine solide Partie wie schon während der gesamten EM - sie macht unauffällig ihren Job, eher gen Defensive und ist immer wieder auch vorne mit dabei. Die zweite Hälfte ist geprägt von Offensivaktionen der Italienerinnen und Kontermöglichkeiten für die Deutschen, die irgendwann das Ergebnis nur noch über die Zeit bringen wollen. Das Kaugummi dehnt sich weiter und am Ende steht der Einzug ins Halbfinale gegen Schweden. Da muss dann nochmal mehr kommen, wenn die Ambitionen aufs Finale noch da sind, einiges mehr.

2 Kommentare:

  1. Was für ein komischer Sieg! Alle sind irgendwie trotzdem ein bisschen köpfchenunterwassermäßig unterwegs, vermutlich weil man weiß, dass die Schwedinnen uns am Mittwoch ordentlich in den Fjord schubsen könnten. Ich hoffe sehr, dass Krahn und Bartusiak oder diese ganzen auffällig Unauffälligen sich jetzt nicht direkt mit einem Hubbabubbaklotz am Fuß in den Trummen-See schmeißen, schließlich sind bei so einer jungen Mannschaft auch ein bis zwei Trainerinnen gefragt, die nicht nur taktisch, sondern auch technisch schlaue Hausaufgaben geben und zur Not vielleicht sogar in der Halbzeitpause Kaugummiverbot aussprechen. Ich glaube übrigens, dass Celia Okoyino da Mbabi nicht wegen ihres hinteren Oberschenkelmuskels, sondern aus Verwirrung über die neue Unauffälligkeitstaktik vom Platz gegangen ist. Gehts denn hier darum, auf dem Spielfeld möglichst gar nicht in Erscheinung zu treten? Camouflagemäßige Verschmelzung mit dem Rasen - und dann beim Passspiel die eigene Mannschaft nicht finden können? Daumen hoch für den trotzigen Kugelblitz-Style von Leonie Maier, der ist vornehme Zurückhaltung ratzepiepegal, vielleicht macht da mal einer einen Trend draus.

    AntwortenLöschen
  2. Nadine Keßler ist bisher die, die mir am besten während der ganzen EM gefallen hat. Spielt zwar keine spektakulären Bälle, fabriziert aber auch kaum Fehlpässe, im Gegensatz zu den meisten anderen. Ich frage mich, warum Silvia Neid immer so spät wechselt. Lena Goeßling hätte man zum Beispiel gestern einfach mal zur Halbzeit erlösen können, ihr ist ja gar nichts gelungen...

    AntwortenLöschen