Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 7. Februar 2013

My B/log has something to tell you about... Letztens war der „Ball des Sports“ – der Johannes war mit der Britta da und die Steffi mit der Nicole oder: Outing mit BILD

 
Zum dritten Mal ziert eine deutsche Fußballerin das Titelblatt der BILD: Das haben vor Steffi Jones nur Nadine Angerer und Uschi Holl geschafft.* Ganz dunkel erinnern wir uns vielleicht, es gab da auch mal Fatmire Bajramaj und Anja Mittag mit schwarz-rot-goldenen Fingernägeln, aber davon will heute keiner mehr was wissen (zumindest nicht bei BILD), denn immerhin spielte die Lira bei der letzten WM trotz Nationen-Darling-Image halt leider richtig schlecht (oder gar nicht) – und wer ist schon Anja Mittag? Um aber doch dran zu bleiben an diesen Fußballerinnen, die trotz No-Money-Politik irgendwie immer noch Fußball spielen hat BILD eine neue Strategie ersonnen: Your own not so private Outing sponsored by BILD:

"Unsere Fußball-Kaiserin Steffi Jones (40) zeigt uns ihre große Liebe - es ist eine Frau!"

Oder: Es ist eine Titelseite!

Zwei Dinge sind an der Berichterstattung, die der BILD Titelseite folgte, bemerkenswert:
1.) Da es dann doch irgendwie gar nicht mehr so wahnsinnig bemerkenswert ist, wird wieder mal viel über die männlichen Fußballer gesprochen. Ob sie’s sollen oder wollen, können oder dürfen. Müssen oder lassen müssen.
2.) Die Berichterstattung war einheitlich: Tolerant, respektvoll, freudig, überrascht – huch!?! Ach, Steffi, wie schön, wir setzen dich und Nicole gleich in ein Herzchenpasspartout. Denn es ist ja alles so herrlich.

Fragen wir uns kurz:
Was hat es auf sich mit jenen Lesben, die aus der Kammer kommen und den Schwulen dieses Landes sagen, mach das mal lieber nicht? Sozusagen im gleichen Atemzug? Out-ing und In-ning als zwei Seiten einer Medaille? Und welche Rolle spielen dabei eigentlich wir Journalist_innen, als Medium zwischen Innen (Kennt denn nicht jede_r mindestens einen Namen?) und Außen (Sportsball)? Und wie kam es eigentlich, dass dem Frauenouting inzwischen so eine Patina der Heiligkeit anhängt, dass weder irgendjemand Steffi Jones danach fragt, wo ihre Homosexualität denn eigentlich in ihrer Biographie (Der Kick des Lebens) auftaucht, noch bei all der aufgeregten Unaufgeregtheit irgendwo thematisiert wird, dass Outings (ob bekannte oder nicht bekannte Personen) immer noch und aus vielfältigen Gründen nicht mal so eben aus dem Ärmel geschüttelt werden?

Man verstehe mich nicht falsch:
Ich freue mich erstens sehr für Steffi Jones, dass es ihr offenbar gut geht und sie diesen Schritt für sich und ihre Beziehung gehen konnte. Und vielleicht auch für "das große Ganze". Und obwohl man geneigt sein könnte zu sagen: war auch überfällig, ist dies schlussendlich nichts, was man irgendwem von Außen antragen und aufbürden darf.
Ich freue mich zweitens darüber, dass sich seit der sogenannten und sicherlich für alle Beteiligten ziemlich furchtbaren Liebesdreieck-Medienschlachtung 2006 und Steffi Jones´ Meinung zu dem Thema von vor zehn Jahren („Man wird keine Spielerin finden, die sich outet.“ Zu groß sei die „Angst, dass sie dann nicht mehr nominiert werden, keine Sponsoren mehr finden oder später Trainerlizenzen nicht erhalten.“) doch einiges verändert zu haben scheint.

Aber zugleich scheinen mir doch einige Fragen vor lauter Erleichterung ungestellt zu bleiben.
Z.B.:
Bietet BILD nach einem Testlauf diesen Service vielleicht auch bald für Männer an?
Und wie lange müssen solche boulevardesken Titelseiten noch erscheinen um nicht mehr erscheinen zu müssen?

*Zumindest auf diese Weise und im übertragenen Sinne.

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