Nie mehr 1. Liga an der Hagenbeckstrasse? |
Lange brodelte es schon in der Gerüchteküche. Gestern gab der Vorstand des Hamburger Sportvereins dann bekannt, dass das Frauenteam weder weiter in der 1. Liga, noch in der 2. Liga spielen wird.
Finanzielle Gründe seien der Auslöser heißt es von offizieller Seite. Durch die Blume gesprochen bedeutet das: die Männer haben eine unterirdische Saison gespielt, sind knapp am Abstieg vorbeigeschlittert und haben im Millionengeschäft Bundesliga herbe Verluste verursacht. Und das Team, das seit Jahren solide den Bundesligabetrieb der Frauen bereichert muss dafür bluten.
Das klingt nach einer Sparpolitik, die lieber die Reichensteuer verhindert, als für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Deshalb ist es auch absurd, dass der Vorstand den Rückzug nicht als Anti-Frauenfußball verstanden haben will. Die waren dem blau-weißen Funktionärspatriarchat schon immer eher ein Dorn im Auge - viel Geld gab es nie und der hinterletzte Maulwurfsacker war gerade gut genug für´s Training.
Ausgerechnet jetzt die Mannschaft aus der Liga zurück zu ziehen macht so wenig Sinn wie ein Kühlschrank am Nordpol. In den letzten Jahren wurde endlich mal ein wenig in die Frauenabteilung investiert, neue Stellen geschaffen. All das wird einfach in die Tonne gekickt. Man kann es Kurzsichtigkeit nennen, aber auch einfach Dummheit. Angekündigt hatte sich die absolute Abwesenheit von Sinn und Verstand schon vor einem Jahr, als der Vorstand es für überhaupt nicht im mindesten für fragwürdig hielt, das 2. Team der HSV-Frauen vom Ligabetrieb zurück zu ziehen - unmittelbar nachdem diese äußerst erfolgreich die Meisterschaft in der 2. Liga gewannen. Auch hier das Argument: sparen. Das alles ruft böse Erinnerungen an die Vereinspolitik des FSV Frankfurt hervor, als das Traditionsteam von Prinz, Smisek und Co. vor sieben Jahren zugunsten des Männerteams die Treppe hinunter gestoßen wurde. Sollte man hier wie da über Diskriminierung sprechen?
Auch für den Raum Hamburg sind das alles schlechte Nachrichten. Wenn es nun kein Hamburger Team mehr in der Bundesliga gibt, fehlt die Perspektive für talentierte Nachwuchsspielerinnen. Es wird wahrscheinlich lange dauern, bis einer der Vereine nachziehen kann, die sich wirklich für den Frauenfußball einsetzen. Ähnlich kommentiert es auch Norman Girbardt, der sportliche Leiter des Frauen- und Mädchenfußballs des aufstrebenden Clubs Altona 93:
Mein aufrichtiges Beileid, den Spielerinnen und Trainern des HSV. Ein Todesstoß für den Hamburger Frauenfußball. Auf nicht absehbare Zeit, wird es in Hamburg keinen Bundesligafußball mehr geben. Ambitionierte Spielerinnen werden ihrer Träume beraubt, oder müssen die Stadt und damit ihr soziales, berufliches und familiäres Umfeld verlassen. Eine ungeheuerliche Ignoranz der Verantwortlichen in diesem Verein, die sich offensichtlich nicht ein Stück bemühten, diesen Worst Case zu verhindern. Alleine mit dem Hintergrund “das Herz des Hamburger Frauenfußballs” zu erhalten, hätten sicher mehrere Vereine der Hamburger Ligen Unterstützung zum Erhalt der Bundesliga Frauen gegeben. Dieses bedarf neben dem Willen diese Mannschaft zu erhalten nachhaltige Planung, Seriosität , Zeit und vor allem Achtung und Respekt. Während über Jahre Unsummen verschleudert werden, der ach so große Dino der Bundesliga sportlich jämmerlich daher dümpelt, spart man sich jetzt mit einer 6 stelligen Summe, die man den Frauen entzieht, gesund. Viele kleine Vereine im Hamburger Frauenfußball erledigen ihren Job deutlich besser, zum Wohle ihrer Spielerinnen.
Die Fanseite Die Torjäger stellt die Frage nach dem menschlichen Schaden:
Gedanken mache ich mir insbesondere um die betroffenen Spielerinnen. Denn etliche haben ihren Lebensmittelpunkt, Ausbildungsplatz oder das familiäres Umfeld in Hamburg. Gerade sie trifft es besonders hart.Auf der selben Seite kommentiert Stefanie Vogelwiesche, langjährige Spielerin beim HSV, wie mit der Entscheidung des Vorstands ein soziales Netzwerk, wenn nicht sogar eine Familie zerstört wird.
Dem ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen. Außer eindrücklich und einstimmig: Carl Jarchow, wir fordern Sie auf mit sofortiger Wirkung von Ihrem Amt zurück zu treten!Ich habe fünf Jahre bis 2006 für den HSV Frauenfußball gespielt! In der zweiten und auch mal kurz in der ersten Mannschaft. Dann hat im Okt. 2006 eine Herzmuskelemtzündung meiner Laufbahn und auch meinem bisherigen normalen Leben ein jähes Ende gesetzt.
Ich hatte trainiert und wohl eine Erkälltung oder Infektion verschleppt. Das hätte mir beinahe das Leben gekostet. Ich lag ca. fünf Monate im Koma!(Wen die Geschichte interssiert kann sie Googeln!)
Heute nach über fünf Jahren fange ich langsam wieder an zu laufen. Ich habe gekämpft. Jeden Tag gekämpft. Und ich habe es bis hierher auch mit der Hilfe der HSV Damen geschaft, die mich in jeder Hinsicht unterstützt hatten. Durch Besuche auf den verschiedenen Intensivstartionen der Kliniken oder durch ein Benefizspiel oder einfach nur in dem sie mir zeigten , wir sind für dich da!! Wir lassen dich nicht im Stich!! Und jetzt, jetzt sind die Damen verschwunden!! Einfach so!
Ich war am letzten Sonntag beim letzten Heimspiel der Damen gegen Bad Neuenahr. ICh habe einige Bekannte wieder getroffen. So auch meine Freundin Frederike Engel, mit der ich seinerszeit zum HSV wechselte. Ich war stolz, dass ich wieder am Spielfeldrand stehen konnte und nicht nur im Rollstuhl sitzen musste.
Alle die Menschen die mich so sehr unterstützt hatten, werden jetzt in die Wüste geschickt! Warum?
Ich verstehe das nicht! Warum wird Erfolg beim großen HSV bestraft?
Mir ist klar, dass Herr Jarchow meine kleine Geschichte nicht interessieren wird!
Aber, ohne die Damen der ersten und zweiten Mannschaft des HSV, hätte ich die Entwicklung zurück ins Leben, wie sie mir nun zum großen Teil gelungen ist, nicht geschaft!
Ich hoffe, dass der HSV seine Entscheidung noch einmal überdenken wird und wünsche meinen ehemaligen Mitstreiterinnen und Freundinnen alles Gute für ihr zukünftiges Leben. Gerne würde ich euch etwas von dem zurückgeben, was ihr für mich getan habt!
Ich habe diesen Text mit Hilfe meines Vaters geschrieben, weil ich dazu leider noch nicht in der Lage bin!
Stefanie Vogelwiesche
Stellungnahmen des DFB und des HFV
AntwortenLöschenhttp://www.hfv.de/frauen-und-maumldchen_82/stellungnahmen-des-hamburger-fuszball-verbandes-zum-ruumlckzug-der-frauen-bundesliga-mannschaft-des-hsv_16818.htm
Außerdem noch Beiträge vom langjährigen Begleiter der HSV-Frauen Fuxi:
AntwortenLöschenhttp://fuxionline.wordpress.com/2012/05/22/ich-hab-die-schnauze-voll/#more-1317
Der Kommentar von Kim Kulig:
https://twitter.com/#!/kim_kulig/status/204647568012083200
Ansich ein ganz guter Bericht....aber wieso vermischt man Sport mit Politik: "Das klingt nach einer Sparpolitik, die lieber die Reichensteuer verhindert, als für soziale Gerechtigkeit zu sorgen."?? Aber wo wir schonmal dabei sind, erlaube ich mir doch als Deutscher Staatsbürger zu behaupten, das wir auch ohne Reichensteuer einer der besten Sozialsysteme haben ( was daran nicht sozial gerecht? ). Da braucht mir kein Pseudorobinhood einzureden.....wir stehen, in der Verantwortung, den Welternährer spielen zu müssen.
AntwortenLöschenIch verstehe auch nicht, wieso nicht erwähnt, das der Hsv vor der Saison schonmal dem Etat gekürzt hat.
Den letzten Abschnitt kann ich nur zustimmen, ein Grund mehr wieso ich behaupte....das die Mädels die fast täglich trainieren, nur eine Führung verdient haben die 100% hinter ihnen steht und das ist nur ein reinen Frauenvereinen gegeben. Da können sich Vereine wie Leverkusen und Wolfsburg noch so Anstrengen diese Abteilung werden immer das "fünfte Rad am Wagen bleiben".