Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 2. Mai 2011

Platzverweis: Rudi Völlers verbales Foul

 
Bayer Leverkusens Sportchef Rudi Völler hat sich im Rahmen der 2:0 Niederlage gegen Köln nicht gerade beliebt gemacht: Weil er sauer über die Leistung des Schiedsrichters war (der Leverkusen anscheinend um den Sieg gebracht hat. Ja, Ja, wenn der Müller nicht schwimmen kann ist natürlich die Badehose schuld) beschuldigte er diesen in der falschen Liga zu arbeiten: "Pfeif doch Frauenfußball! So ein Mist, jeden Mückenstich pfeift der, das ist unfassbar."

Daraus lernen wir von Fußballkenner Rudi zwei Dinge: In den Regelheften für den Frauenfußball zählen Mücken als SpielteilnehmerInnen und ergo ihre Stiche als Fouls. Und wenn man Mist pfeift ist man anscheinend für den Referee-Job im Frauenfußball geschaffen.

Das mit dem Mücken, so müssen wir gestehen, wussten wir vorher noch nicht, danke Rudi. Aber das es immer noch zur gehobenen Kunst der Pressekonferenz im Männerprofisport dazu gehört, dass die eigene Position als Macho durch frauenfeindliche Äußerungen gestärkt und aufpoliert wird, ist uns leider allzu bekannt. Von Spieler bis Trainer bis Funktionär wird sich allzu häufig ein Sport daraus gemacht, die Leistungen auf dem Platz mit Aussprüchen von "wie Mädchen" oder "wie im Frauenfußball" abzuwerten.

Diese offenen Diskriminierungen werden noch dazu in der Öffentlichkeit kaum als solche rezipiert und selten angemahnt. In Rudi Völlers und allen anderen diskriminierenden Äußerungen über Frauenfußball schwingen die immer noch andauernden Abwertungsmechanismen, denen sich Fußball spielende Mädchen und Frauen tagtäglich ausgesetzt sehen; von "Mädchen dürfen nicht mitspielen" über schlechteste Trainingsbedingungen bis hin zu sexistischen Phrasen am Spielfeldrand (siehe auch dieses Interview mit Tanja Walther). Wir fordern eine öffentliche Entschuldigung und Rechtfertigung von Rudi Völler, denn Diskriminierungen ob im Privaten oder im Öffentlichen sind nicht akzeptabel und in der Öffentlichkeit noch dazu ein Vorbild dafür, dass machistischen und partiarchalen Strukturen im Sport schon zwischen Kindern nachgeahmt und festgesetzt werden! Solche Vorbilder kann wirklich niemand gebrauchen.

9 Kommentare:

  1. Naja, aber genau genommen liegt Völler ja nicht falsch - auch wenn sein Horizont offenbar gerade weit genug reicht, um Frauen an ihrem Vorbau zu erkennnen, und er das daher kaum so gemeint haben kann: Die "Leistungen" Deniz Aytekins liegen oft genug auf dem Niveau, das wir beim Frauenfußball oft beklagen. Und da der DFB sich beinahe weniger als überhaupt keine Mühe gibt, daran etwas zu ändern, wird Aytekin sich auch weiterhin eher für den Frauenfußball qualifizieren...

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  2. Fuxi hat recht, denn das Niveau der pfeifenden Frauen ist oft genug unterirdisch.

    Da ich aber Herrn Völler unterstelle, daß er noch nicht viele Frauenspiele gesehen hat, gebe ich auch der Verfasserin des Artikels recht, die ihm eine herablassende Machomasche bescheinigt.

    Ich hoffe sehr, daß die Spielerinnen und der Trainerstab, seines Vereins Bayer Leverkusen, ihn zur Rede stellen, und eine Entschuldigung fordern.

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  3. Hallo Fuxy und Dexy,
    danke für Eure Kommentare!

    Die Frage nach Leistung steht auf gewisse Weise für uns am Rande dieser Äußerung. Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter üben auf dem Feld auch eine Sportart aus, das heißt sie sind ebenso fehlbar wie eine Spielerin oder ein Spieler, was ja auch gut ist, denn ein gottgleicher Unparteischer oder Unparteiische hat wenig mit dem Reiz des Spiels zu tun, das doch von vielschichtigen subjektiven Erfahrungen geprägt wird. Dass man nach dem Spiel dann auch mal in Richtung Referee Dampf ablässt, so wie man mit der Leistung der SpielerInnen unzufrieden sein kann, ist ja völlig normal, auch wenn sich eine gewisse Schuldzuschiebung auf die Pfeifenden leider immer wieder zum einzigen Grund für Niederlagen stilisiert. Wenn man grundlegend was an der Leistung dieser Sportreibenden auszusetzen hat, dann sollte man vielleicht nicht SportchefIn sein, sondern als Funktionär oder Funktionärin im Schiedsrichterbereich selbst versuchen was daran zu ändern (wenn man denkt, dass man weiß wie das ginge).

    Frappant ist aber neben dieser kleinen Seitennotiz, dass Leistung mit Geschlecht gleichgesetzt wird. Schlechte Leistung bedeutet Weiblichkeit? Und ergo gute Leistung Männlichkeit? Man könnte denken, dass hier kurz wieder mal das Mittelalter vorbeigeschaut hat, doch Vergleiche dieser Art sind selbst im 21. Jahrhundert immer noch weit verbreitet. Und weil das Sprechen über die Dinge immer auch daran beteiligt ist die Dinge zu konstruieren, führen Äußerungen wie die von Rudi Völler zu dem absurden Verständnis von Leistung=Geschlecht.

    Deswegen haben wir Rudi Völler einen Brief geschrieben:

    Lieber Herr Völler,

    Sie haben im Rahmen des Spiels gegen den 1. FC Köln die Leistung des Schiedsrichter Deniz Aytekin als Mist bezeichnet und ihm angeraten angesichts dieser Leistung beim Frauenfußball zu pfeifen. Wir finden es sehr schade, dass Sie sich zu dieser diskriminierenden Äußerung haben hinreißen lassen, die sich einreiht in die immer noch andauernden Abwertungsmechanismen denen Fußball spielende Mädchen und Frauen tagtäglich ausgesetzt sind; von "Mädchen dürfen nicht mitspielen" über schlechteste Trainingsbedingungen bis hin zu sexistischen Phrasen am Spielfeldrand.

    Wir hoffen es ist Ihnen bewusst, dass solche Äußerungen in der Öffentlichkeit dazu führen, dass machistischen und partiarchalen Strukturen im Sport schon zwischen Kindern nachgeahmt und festgesetzt werden. Ein solches Vorbild, dass sehen Sie sicher genauso, kann keiner gebrauchen.

    Wir möchten Ihnen die Gelegenheit geben, sich öffentlich für Ihre Diskriminierung zu rechtfertigen und zu entschuldigen, der Sie sich sicher im Eifer des Spiels nicht bewusst waren. Wenn Sie also genauso leidenschaftlich gegen Diskriminierung eintreten wollen, wie Sie es für Ihren Verein tun, dann veröffentlichen wir gerne Ihre Antwort.

    Mit sportlichen Grüßen,

    Rosa Wernecke und Mayte Zimmermann

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  4. Mal abgesehen davon, dass Rudi Völler euren Brief überhaupt nicht verstehen wird, verstehe ich nicht, warum ihr euch so dermaßen darüber aufregt. Klar war das ein beknackter Kommentar von Rudi Völler aber das entspricht eben auch dem (berechtigten) Vorurteil gegenüber dem Männerfußball, dass die meisten dort nur Fußballspielen können und ansonsten Deppen sind.
    Vorurteile gibt es halt in jede Richtung und ab und zu sind sie dann auch berechtigt.

    Deswegen: freut euch doch darüber, dass der Männerfußball seinen Ruf als Sport für nicht so intelligente Menschen (Loddar, Franz uvm.) hat und der Frauenfußball (noch) für eine kunstvolle, faire Ballkunst steht.

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  5. Liebe Verena,

    klar kann man sich darüber monieren, dass wir diese eine Äußerung als Anlass für einen Platzverweis nutzen (oder, in deinen Worten, uns aufregen). Macht man damit Rudi Völler nicht wichtiger, als er ist?! Klar kann man jetzt auch anfangen, systematisch zu analysieren, ob die Schiedsrichterinnen im Frauenfußball nicht tatsächlich schlecht pfeifen - um der Bemerkung von Rudi Völler wieder Boden unter den Füßen zu geben.

    Ich habe mich aber tatsächlich geärgert und zwar vor allem über dieses Nebenbei, diese Wegwerfbewegung, mit der hier eine totale Abwertung vollzogen wird. Herr Völler mag ein "nicht so intelligenter Mensch" sein, aber er ist nunmal auch ein Vorbild und daher macht es mich wütend, dass er einen solchen Mist redet. Wir als Projekt Spielfeldschnitte mögen nicht das mächtigste Sprachrohr sein, den Herr zur Rede zu stellen - aber wir möchten unserem Unmut darüber wenigstens kundtun.

    Beste Grüße, Mayte

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  6. ich finde, man muss sich über jeden derartigen kommentar aufregen. sicher könnte es sein, dass der effekt bei rudi völler gering ist. aber wenn man bei so einem völlig blöden kommentar nichts sagt, bräuchte man auch gar keinen blog über frauenfußball-kultur betreiben. denn da geht es doch um sichtbarkeit. und positionierung. völler bleibt natürlich auch ein vorbild. deshalb: richtig so, klare kante zeigen.

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  7. Dass der Spruch vom Völler ein verbaler Amoklauf war, daran zweifelt wohl keiner - vielleicht hatte ER ja dieses Mal drei Weizen intus? (Insiderwitz...) Und dass er auch nur zwei Namen aus der Bayer 04-Frauen-Bundesligamannschaft nennen kann, ist auch ungefähr so wahrscheinlich wie die Veröffentlichung der FBI-Akten zum JFK-Mord.
    Aber es gibt mehr als nur eine Möglichkeit, mit so etwas umzugehen. Eine habe ich ja schon aufgezeigt...

    @Rosa
    Mal so ganz nebenbei: DIE Rosa, die dem 86/87er Jahrgang mit Fri, Knobi, Janina, Gina, Theo und Döner angehörte?

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  8. Hey Fuxi,

    mit diesen und einigen anderen, ja.
    Übrigens schön zu lesen, dass Du immer noch so aktiv bist!

    Gruß, Rosa

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  9. Wir haben zwar nie eine Antwort von Völler erhalten, aber dafür hat Völler eine Antwort auf seine Äußerung vom Sportgericht bekommen: Überweisungsaufforderung von 5000 Euro. Wem das Geld wohl zu gute kommt?

    Absatzkick

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