Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 10. Januar 2011

Im Abseits: Daniela Schaaf über Vermarktung im Frauenfußball

 
"Ich versuche alle Perspektiven, alle Facetten aufzunehmen, damit ein ganzes Bild entsteht. Bis Ende 2010 habe ich sämtliche Sponsoren aus dem Frauenfußball interviewt."
Am 28.10.2010 trafen wir uns auf Einladung mit Dr. Daniela Schaaf, promovierte Kommunikationswissenschaftlerin, um unseren Beitrag zu diesem Bild zu leisten, in dem es um die Frage von Frauenfußball und seiner Marktförmigkeit geht.

Sie hat mit sämtlichen nationalen Sponsoren gesprochen. Was denken diese über den Frauenfußball? Das herauszufinden hat sich Daniela Schaaf vorgenommen. Sie ist die erste deutsche Stipendiatin des João-Havelange-Forschungsstipendium der FIFA. »Einzelsportler-Vermarktung im Profifußball der Frauen. Eine Analyse der Selektionskriterien von Massenmedien und Sponsoren im Hinblick auf die FIFA-WM 2011« lautet der vollständige Titel ihrer Studie, die sie an der Kölner Hochschule erarbeitet, an der auch Dr. Tritschoks lehrt.

Wir gehen in dieses Gespräch mit gewissen Vorurteilen: Ist es nicht die Marktförmigkeit von Frauen, gegen die wir anschreiben? Ist dies eine Studie, deren Ziel es ist, normierende Verhaltensformen für Spielerinnen in das WM Jahr zu implantieren? Und auch ganz selbstkritisch: Warum werden wir gefragt? Sind wir denn schon der Markt oder schreiben wir noch über ihn?

Doch zunächst, stellen wir fest, geht es um Informationen und Austausch. Auf beiden Seiten. "Es war schwierig“ so Daniela Schaaf, „die Sponsoren zu den Gesprächen zu bewegen. Ich musste allen Befragten absolute Anonymität zusichern."

Daniela Schaaf hat sowohl Sportredaktionen sowie bestehende und potentielle Sponsoren befragt. Die Ergebnisse aus diesem ersten Einblick in das mediale und kommerzielle Interesse am Frauenfußball fließen dann in die Erstellung eines Fragebogens, der an rund 3000 SportjournalistInnen und Sponsoren geht. Zu dem Input für den Fragebogen zählt die Befragung sämtlicher großen und kleinen Zeitungen, Sportmagazine und Rundfunkanstalten. "Mit einem der großen deutschen Sportmagazinen war es komplizierter zu sprechen. Die meinten ganz klar, wir berichten nicht über Frauenfußball. Aber wir würden gerne mit Ihnen über Spielerfrauen reden."

In ihren Gesprächen hätten sich schnell Diversitäten aufgetan, so Schaaf: "Unter den Journalisten gibt es viele, die sich sehr für den Frauenfußball engagieren und in der Redaktion für das Thema kämpfen. Bei den Sponsoren läuft das eher so: ach ja, machen wir mal Frauenfußball, weil die WM jetzt ins Haus steht. Aber wir gucken uns das auch nur bis zur WM an, wenn das dann nicht unseren Erwartungen entspricht, dann nehmen wir eben eine andere Sportart." Man kann nur vermuten, mit welch unterschiedlichen Haltungen und Vorurteilen Schaaf zu dem Thema konfrontiert wurde. Klar aber scheint: Frauenfußball ist medial vermintes Terrain (immer noch und immer wieder: alles Lesben) und gleichzeitig surft die Frauen-Nationalmannschaft dank der WM im eigenen Land auf der Popularitätswelle: "Frauenfußball ist die nächsten 10 Monate hoch attraktiv, weil es das einzige Sportevent 2011 ist. Da werfen sich jetzt alle drauf. Da kommen Unternehmen um die Ecke, bei denen wir nicht gedacht hätten, dass die irgendwas mit Frauenfußball zu tun hätten."

Daniela Schaaf fragt: Wie kann sich eine Spielerin denn am besten einen Marketingvertrag an Land ziehen? "Bei den Sponsoren steht die sportliche Leistung und die Sportlichkeit im Fokus. Man versucht über die Leistung und das Event an sich das Produkt zu positionieren." Wichtig sei vor allem die Kontextualisierung: die Spielerinnen sollen am liebsten im Sportdress werben, damit die KonstumentInnen sie schnell und sicher dem Profisport zuordnen können. Wenn nichts mehr hilft, wird eben der Name der Spielerin noch eingeblendet: so durch die Blume geschehen bei Birgit Prinz in der BahnCard Werbung. Am Ende ist sie es (nicht Michael Ballack), die ihre BahnCard ins Bild hält. Doch mittlerweile gibt es auch Sponsoren, die gerne eine persönliche Nuance der Spielerin in der Werbung zeigen würden. "In so einem narrativen Sinne ist Bajramaj beliebt. Die hat eine interessante Geschichte mit ihrem Migrationshintergrund, über die sie auch gut sprechen kann. Dazu sieht sie auch ganz hübsch aus. In Kombination mit der sportlichen Leistung hilft das enorm bei der Vermarktung weiter."

Wir fragen: Warum ist eine solche Frage relevant und was verbirgt sie? Wer dem Frauenfußball nicht als Witz gegenübertritt, sieht sich schnell in einen Zwiespalt gebracht: Mangelnde Professionalität (und damit ist zuallererst auch die Finanzkraft gemeint) ist Topic Nummer Eins, wenn es um Kritik an der derzeitigen Situation geht. Wie sollen Spielerinnen zu Hochleistungssportlerinnen werden, wenn sie gleichzeitig jobben müssen, um zu überleben? Und daran schließt sich sofort die Frage an: Wie soll ein Sport monitär flüssig werden, wenn er nicht marktförmig ist? Kurzum: Man tut in Zeiten des gesellschaftlichen Spektakels gut, um sein Funktionieren zu wissen.

Doch was verbergen jene Marktgesetze? Erinnern wir nur an das Gesetz gegen den Frauenfußball, das bis 1970 gültig war – wo kommt es her? Der deutsche Frauenfußball erfreut sich während des 2. Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit eines Rekordpublikums (mehrere tausend Zuschauer). Doch kaum sind die Männer aus dem Krieg zurück, lässt sich hören: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Sinnlichkeit und Anstand.“ (11 Freundinnen / #5 / Kein Frauensport) Das Märchen von Bern re-installiert die männliche Nationalherrschaft und fortan schlagen sich fußballspielende Frauen mit dem Attribut „Mannsweib“ herum. Heute würden wir wohl Lesbe sagen.

"Ich habe einmal eine Vertreterin eines Sponsors gefragt, was denken sie, warum wir so wenig Fußballerinnen in der Werbung sehen? Wir als Medienwissenschaftler erwarten dann so was wie: der Bekanntheitsgrad ist nicht so hoch, wir brauchen jemanden, der sehr bekannt ist. Aber die Person antwortete: das ist doch total klar, warum die keine Werbepartner haben. Das sind doch alles Lesben und wer will schon Lesben in der Werbung sehen. Ich habe dann gedacht, ist das jetzt die persönliche Meinung? Wird erst auf die sexuelle Orientierung geschaut und dann ein Vertrag verhandelt? Aber sie meinte dann: Nein, nein, meine persönliche Meinung ist das nicht, ich habe überhaupt kein Problem damit. Aber ähnliches haben auch andere Sponsoren gesagt, dass sie selber kein Problem damit haben, aber von anderen Kollegen wissen, dass es ein Problem für die Konsumenten ist."

Gerade gibt es eine Plakatkampagne: „Diskriminierung muss man nicht hinnehmen. Lassen Sie sich beraten.“ Auf diesem Plakat sind vermutlich zehn Menschen zu sehen, die entweder ein Kopftuch tragen, schwarz sind oder das Downsyndrom haben. Doch wie erkenne ich hier die Lesbe? Ist Lesbe eine Frage der sexuellen Orientierung oder ist das – und ganz besonders im Bereich Frauenfußball – längst ein Signum für jede Frau, die nicht bei Germanys next Topmodel mitmachen kann? Einfacher gefragt: Geht es hier noch um Sexualität oder einfach um den Anspruch, jenseits der Erwartungen des Marktes die Frau zu sein, die man sein will? (Sind es nicht gerade die Lesben, die sich – wenn sie nicht „entdeckt“ werden wollen – besonders gut „tarnen“ können?)

Schaaf wird auch mit den Spielerinnen sprechen, um deren Erwartungen denen der Sponsoren und Medien gegenüberzustellen. Sie weiß aber schon, dass es vor allem noch an der gezielten Schulung mangelt, sowohl im Umgang mit den Medien als auch in den Verhandlungen mit Sponsoren. Die Art von Interviewtraining, die etwa Lukas Podolski bekommen, gibt es bei den Frauen nicht. „Man muss die Spielerinnen besser vorbereiten, auch auf die unangenehmen Fragen." Das sei ein Kritikpunkt von Seiten der Medienschaffenden: "Sobald man eine Frage privaterer Natur stellt, sei es nur profanes wie wohin es in den Urlaub geht, oder ob man einen Hund hat, machen die Spielerinnen total zu. Die haben Angst, dass es zu schnell um ihr Intimleben geht. Dabei will die Presse nur mal eine Anekdote hören. Wenn man zu abweisend ist, dann haben die auch keine Lust mit einem zu sprechen. Es wäre sinnvoll jemanden zu haben, der den Spielerinnen erklärt, was die Medien erwarten."

In den Medien geht es nicht um „die Wahrheit“. Es geht um das Spiel mit der Maske, um das Spiel mit den Bildern. Wenn man mit diesen Bildern souverän spielen möchte, wenn man mit normierenden Zuschreibungen spielen möchte, dann müssen vor allem junge Spielerinnen zunächst verstehen, was sie in diesem Mediendschungel erwartet. In Die besten Frauen der Welt spricht Birgit Prinz sehr offen über den schweren Weg, der neben der Option "Everybodys Darling" liegt. Und doch zeigt uns gerade Birgit Prinz: Es gibt diese Wege und man kann sie beschreiten. Ein Beispiel für uns ist der wunderbare Werbeclip des 1. FC Köln.

Da es dem Frauenfußball aber eine Ellen deGeneres noch mangelt, hat der DFB im Hinblick auf das nächste Jahr die Lifestylestrategie ausgerufen: „Man will die Spielerinnen auch außerhalb der Sportberichterstattung platzieren, zum Beispiel in Unterhaltungsmedien. Dazu zählen sportaffine Sendungen wie Wetten das...? und Stefan Raab." Auf dfb.tv versucht man vermehrt private und unverfängliche Portraits der Spielerinnen zu senden. Auch die Vereine merken, dass sie mehr in den Umgang mit den Medien investieren müssen. Der Frauenfußball-Marketingleiter des FC Bayern hat schon bei Daniela Schaaf angefragt um sich von ihr ein paar Tipps zu holen. Daniela Schaaf "Ich finde die Vereine bräuchten mehr Unterstützung!" Auch, wie sie uns zustimmt, in puncto Kreativität. Da die meisten Medien auf Männerfußball spezialisiert sind, tun sie sich aus oben genannten Gründen schwer mit dem Thema Frauenfußball. Das läge auch an den Reaktionen der LeserInnen. Als eines der großen deutschen Sportmagazine mal eine halbe Seite zum Frauenfußball gemacht hatte, wären sofort 200 wütende Leserbriefe gekommen. "Auch die Redakteurin eines anderen Sportmagazins muss regelmäßig dafür kämpfen, dass sie ein halbe oder ganze Seite für den Frauenfußball bekommt." Andererseits gibt es aber auch eine Nachfrage, auf die derzeit reagiert wird. So hat etwa das Onlineportal transfermarkt.de aufgrund der Anfragen vor kurzem eine eigene Frauenfußball-Seite mit dem fragwürdigen Namen soccerdonna.de eingerichtet.

Am Ende ihrer Studie möchte Daniela Schaaf einen Maßnahmenkatalog erstellen, der es den Spielerinnen im Bereich Marketing und Medien einfacher macht. Basierend auf ihren bisherigen Ergebnissen aus den Interviews hat Sie bereits den Fragebogen erstellt, der derzeit von SportjournalistInnen ausgefüllt werden kann.

Wer diktiert die Gesetze des Markes? Schlussendlich wir. Ein undefiniertes wir, das sich aus heterogenen Ansprüchen zusammen setzt, die keineswegs dem Einheitsbild „Frau“ entsprechen, das Nike, Puma, die Commerzbank oder Rewe zu kennen meinen. Es ist sicher gut, wenn Fußballerinnen in Zukunft besser wissen, wie sie mit der Maske spielen können, die jede und jeder aufsetzt, wenn sie oder er sich in den Medien präsentiert. Jede und jeder muss für sich selbst entscheiden, ob man politisch werden oder nur Sport treiben möchte.

Das Projekt Spielfeldschnitte aber vernimmt einen klaren Ruf nach alternativen Bildern im Blätterwald (vor allem des Jahres 2011), wir möchten weiterhin unlackierte Fingernägel in die Kamera halten und das Theater der Heterogenität um den Frauenfußball aufführen, welches ihm gebührt.

Behind the make up, we do not find truth but true make up.

3 Kommentare:

  1. Danke für den Artikel :)

    AntwortenLöschen
  2. Dem schließe ich mich an, ein außerordentlich guter Artikel!

    AntwortenLöschen
  3. Sehr, sehr guter Artikel! Lese euren Blog sehr gerne.

    AntwortenLöschen