Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Freitag, 7. August 2009

Coaching Zone: Deutschland - Russland

Das letzte der drei Testspiele vor der EM 2009 gestern gegen Russland musste notwendigerweise zu einem allgemeinerem Fazit im Hinblick auf die Europameisterschaft führen. Die Frage nach dem “unterm Strich” sozusagen und ein Ausblick auf das, was wir erwarten dürfen.
Zunächst das Positive: Simone Laudehr kann zur EM wieder fit sein, der befürchtete Bänderriss stellte sich als harmlosere Zerrung heraus. Nur ob und wo sie aufgestellt sein wird, das kann man nicht sagen. Und hier wären wir auch schon bei der Crux des letzten Testspiels angekommen. Unterm Strich bleibt nämlich ein Fragezeichen. Die Bundestrainerin hatte sich wieder dazu entschieden, auf vielen Positionen viel zu probieren, ähnlich wie in den Spielen zuvor. Und diese Experimentierfreudigkeit kann man sicherlich von zwei Seiten betrachten.
Auf der einen Seite bietet sie Silvia Neid die Möglichkeit, möglichst viele Spielerinnen spielen zu sehen, herauszufinden, wer am besten harmoniert und sie gibt jüngeren Spielerinnen die Chance, ihre Qualitäten zu zeigen. Auf der anderen Seite - und das hat man gestern deutlich gesehen - verhindert die ständige Veränderung, dass sich ein Team auch mal richtig einspielen kann. Unter dieser Unruhe leidend, blieben die Deutschen auch gestern weit unter ihren Möglichkeiten.
Das größte Problemkind bleibt die Viererkette, in der außer Ariane Hingst eigentlich niemand fest mit seiner Aufstellung rechnen kann. Eine gute Viererkette muss eingespielt sein, denn schon eine unsichere Spielerin, wie beispielsweise gestern die wenig spritzige Kerstin Stegemann auf der rechten Seite, kann die gesamte Defensive ins Wanken bringen. Dass Neid an Stegemann immer noch zu glauben scheint, verhindert, dass sich eine fitte und offensiv starke Spielerin wie Bianca Schmidt in eine solche Position hineinarbeiten kann. Die rechte Seite des deutschen Spiels beginnt mehr und mehr unter dieser Problematik zu leiden: Kerstin Garefrekes bekam man gestern zeitweise gar nicht mehr vor die Kamera und Kerstin Stegemann sah man immer nur in Aktion, wenn sie ihrer Gegenspielerin hinterherrannte. Auf der linken Seite setzen Babett Peter und Melanie Behringer, gestern Simone Laudehr und später Fatmire Bajramaj die Akzente. Auf der rechten Seite fehlen die Alternativen. Einzig Linda Bresonik käme noch für die rechte Abwehrseite in Frage. Doch da wären wir bei der nächsten Zwickmühle angelangt: mit Bresonik auf Rechts würde man ihre Übersicht und ihr Offensivpotential verschwenden, welches sie auf der Position vor der Abwehr zeigt. Auch gestern harmonierten Kulig und Bresonik wieder auf der sogenannten Doppel-6 mit raumöffnenden Pässen und gefährlichen Offensivaktionen. Durch ihre Verletzungspause bis kurz vor den Start der EM wird Laudehr auf dieser Position wohl kaum zur Startelf gehören. Wie Silvia Neids Vorstellung einer starken rechten Seite aussehen, wird wohl erst das Eröffnungsspiel zeigen.
Wer vorne spielen wird, scheint eigentlich so gut wie sicher: Prinz und Grings haben sich in den letzten drei Spielen empfohlen (auch wenn eher ein Leistungsabfall nach ihrem hervorragenden Zusammespiel gegen die Niederlande zu verzeichnen war). Echte Alternativen gibt es (zumindest in der Nationalmannschaft) auch eigentlich nicht, Chancen-Tod Mbabi und Spätzünderin Müller dürfen noch auf ihre Joker-Einsätze hoffen. Anja Mittag ist mal wieder in den Tiefen des Teams verschwunden. Doch trotz oder gerade wegen der “alten Hasen” im Sturm muss die Chancenauswertung besser werden. Bei gefühlten 20 zu 1 Ecken ist ein 3:1 Endstand (bei einem Eigentor) wenig schmeichelhaft.
Schlussendlich noch eine Bemerkung am Rande: Nia Künzer sollte einfach nicht mehr als Experten-Gesprächspartnerin vor die Kamera gestellt werden. “...Dann werden sie in den nächsten Wochen vermehrt Abschlüsse suchen. Das macht der Mannschaft natürlich auch Spaß.” Für eine solche Expertise braucht jemand nicht jahrelang in der Nationalmannschaft gespielt zu haben. Es sei denn, Nia Künzer kann auch gleich noch erzählen, wo sich Prinz und Co mit der Lupe auf die Suche begeben werden.

1 Kommentar:

  1. gut analysiert, stimme Dir in allen Punkten zu. Dieses ewige rumprobieren mit Bresonik als eierlegender Wollmilchsau, die irgendwie fast alle Funktionen in einem Spiel wechselseitig spielen soll, sorgt m. E. für mehr Konfusion als das es nützt. Auch die "Fachkommentare" von Künzer... nun ja, was die Steigerungsfähigkeit von Kommentatoren und Moderatoren der ÖR angeht, da besteht bekanntermaßen noch immenser Handlungsbedarf

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