Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Donnerstag, 23. April 2009

Coaching Zone: Deutschland - Brasilien

Es war ein richtig großer Tag für den deutschen Frauenfußball. Noch niemals zuvor in seiner Geschichte haben die Frauen mehr als ein halbes Stadion füllen können (und auch das hätte schon niemand vermutet), gestern nun war es so weit: die Frankfurter Commerzbankarena war mit 44.xxx fast ausverkauft. Es ist also kein Wunder, dass Birgit Prinz für einen kurzen Moment Tränen der absoluten Enttäuschung weinte, als sie nach 39 Minuten wegen eines Verdachts auf Rippenbruch den Platz frühzeitig verlassen musste. Die große Frau des deutschen Frauenfußballs musste am Tag des deutschen Frauenfußballs vom Platz.
Abgesehen von den Emotionen neben dem Platz war es ein spannendes Spiel (auch wenn man beim anschließenden Werder – HSV nochmal den schönen Vergleich hatte, wie das so ist mit der Fernsehregie bei den Frauen – nämlich nicht so wirklich... gab es tatsächlich nur vier Kameras, oder war der Bildregisseur dauernd Kaffee trinken?). Mich persönlich freut fast am meisten, dass einige meiner Prognosen eingetreten sind: Bianca Schmidt auf der rechten und Babett Peter auf der linken Außenverteidigerposition waren die richtige Wahl gegen die heranstürmenden Brasilianerinnen, für die es in der zweiten Halbzeit kein Durchkommen gab, und auch die Doppel6 (immer noch steht hier ein Artikel aus) war mit Bresonik und Kulig bestens (und wie ich finde: zukunftsweisend) besetzt. Anja Mittag dürfte persönlich am meisten gefreut haben, dass auch sie von Anfang an spielen durfte und so das einzige deutsche Tor in der 24 Minute schießen konnte (nach scharfer Hereingabe von Bresonik, wie hier erwähnt werden muss) – ein Befreiungsschlag für die 24jährige, über deren Haupt beim Algarve Cup noch eine düstere Wolke hing. Auch wenn gerade die erste Hälfte immer wieder durch Passunsicherheit oder fehlende Zuordnung bestimmt waren (die in der 35. Minute auch das Gegentor verschuldete), habe ich selten ein Spiel der Nationalmannschaft gesehen, das derart engagiert gewesen wäre. In der zweiten Halbzeit gab es kaum jemand, der den Ball nicht einmal neben das Tor schießen durfte (Krahn, Kulig, Bresonik, Behriger, Müller gleich mehrfach...) und, besonders erfreulich: fast gänzlich wurde auf jenes ›beliebte‹ Passspiel in den Rücken der laufenden Mitspielerin verzichtet, welches des öfteren das deutsche Spiel verunziert. Über Brasilien ist nicht viel zu sagen. Sie waren auch da, Samba getanzt wurde nicht – eigentlich schaden, denn was das Dribbling und die Ballbeherrschung angeht, ist das Spiel der Brasilianerinnen oft eine Augenweide. Es blieb bei einem diplomatischen 1:1, somit sah wenigstens Franz Beckenbauer alle Tore, bevor er Mitte der zweiten Halbzeit zum Hubschrauber hastete. Eigentlich eine Farce, dass gerade er, der sich das Spiel wahrscheinlich Halbherzig und nicht einmal bis zum Schluss ansah, so viel Interviewzeit in der Halbzeit bekam, dass sogar der Anstoß zur zweiten Hälfte nicht gezeigt wurde. Inhaltlich vergreist sprach das Franzl dann auch eher schlecht als recht vom Frauenfußball, zweifelte etwa an Blatters Ausspruch „Die Zukunft des Fußballs ist weiblich“. An dieser Stelle wäre Theo Zwanzigers altväterliche Meinung zehnmal mehr erwünscht gewesen!
Mehr bleibt eigentlich nicht zu sagen, wechselte man doch nach Spielende recht schnell von Sven Voss und Steffi Jones zu Johannes B. Kerner und Oliver Kahn zum Pokalhalbfinale nach Hamburg. Kein Nachbericht also zum Nachbericht. Der Wunsch nach der besseren Sendezeit für Frauenfußball Live wächst umso mehr.
Zum Schluss möchten wir diese erste Coaching Zone noch jemandem widmen: nämlich dem neuen Vokuhila-Schnitt von Ulrike Ballweg.

6 Kommentare:

  1. Tja, Franz Beckenbauer hätte man sich in der Tat sparen können. Vielleicht lässt man beim nächsten Mal eine seiner zahlreichen Frauen und Weihnachtsfestbekanntschaften zu Wort kommen....
    Nichtsdestotrotz war es schon ein schönes, engagiertes Spiel der deutschen Frauen. Nicht schnell, aber elegant und pfiffig.
    Nur war da noch die Rede vom Jetlag der Brasilianerinnen - reicht´s dann für die deutschen Frauen immer noch, wenn die Ipanemas ausgeschlafen und mit Biss daher kommen?

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  2. Liebe / Lieber Anonym,

    ich finde auch Lothar Matthäus sollte nächstes Mal für das englischsprachige Publikum einen Halbzeitkommentar abgeben. Vielleicht kann er das ja gleich zusammen mit Beckenbauers Ex-Bekanntschaft tun.
    Für einen Vorbericht für das Spiel Deutschland-Japan recherchieren wir bereits. Natürlich werden wir ausführlich von Flugdauer, Art der Airline inkl. Service und Landebedingungen berichten!

    Grüße, Rosa

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  3. Platzverweis: spielfeldschnitte

    Am Ende schreibt der anonyme Autor von spielfeldschnitte.blogspot.com folgendes:
    "Haftungshinweis: Mit Urteil vom 12. Mai 1998 hat das Landgericht Hamburg entschieden, dass man..."

    Dadurch hat er nachgewiesen, dass er von Internetrecht nicht einen Funken Ahnung hat.

    Hinsichtlich FF: Ahnung ja, aber ein positiver Artikel anstatt ständiger Verrisse wäre schon mal toll...

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  4. Liebe/r Anonym,
    danke für deinen Kommentar.
    Zu deinem ersten Punkt: Das ist absolut korrekt. Tatsächlich machen wir aber keinen Hehl daraus, dass sich das Projekt Spielfeldschnitte noch im Aufbau befindet und seine Entstehung nicht unserer Bewanderung im Internet verdankt, sondern dem (kulturwissenschaftlichen) Anliegen, sich im learning by doing in den Sphären der Sichtbarkeit, die dieses Medium bietet, zu bewegen. Wir sind uns bewusst, dass wir hier noch etwas nachlegen müssen.
    Das lässt mich zu deinem zweiten Punkt kommen: Wir begreifen (konstruktive, nicht destruktive) Kritik nicht als Abwertung, sondern vielmehr als Ausdruck unseres tief greifenden Interesses am Frauenfußball. Wir möchten nicht nur dankbar abnicken, dass dem Frauenfußball inzwischen auch Privilegien zu Teil geworden sind, sondern diesen Weg, diesen Prozess als nicht abgeschlossen markieren. Ich bin der Überzeugung, dass alle Bewegung von Minderheiten, sei es der Feminismus, Gay Pride, die blackness oder diasability Bewegung grob in zwei Phasen zu teilen sind: Die erste findet im existentiellen Dualismus von Sichtbarkeit / Unsichtbarkeit überhaupt statt. In der zweiten Phase lässt sich dann fragen: Wie ist es überhaupt um diese Sichtbarkeit bestellt, wie halten sich in dieser Sichtbarkeit hierarchisierte Machtstrukturen, was könnte noch besser werden. Mit der WM 2011 in Deutschland scheint uns eine einmalige Chance geboten, an der Darstellung des deutschen Frauenfußballs zu partizipieren und dies möchten wir erreichen, indem wir die offiziellen Darstellungen kritisch hinter- und befragen. Natürlich ist hier Vorsicht anzumahnen, vom ironischen Pfad nicht in den Sarkasmus abzustürzen, aber wir werden uns – auch dank deines Kommentars – weiterhin mühen, das Gleichgewicht zu halten.
    Beste Grüße, Mayte

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  5. Hallo,

    da muss ich mal was zu sagen: bitte passt auf, dass ihr diesen ironischen Unterton nicht verliert, der macht eure Blogs nämlich wirklich sehr lesenswert. Und "ständige Verrisse" sehe ich nicht wirklich, aber gut...

    Ich freu mich sehr auf neue Beiträge, nur weiter so!

    Liebe Grüße.

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  6. Zum Platzverweis und vermeintlich keinem Funken Ahnung von Internetrecht: Wer so einen Blödsinn auf einer wirklich ausgezeichneten Seite mit wirklich wichtigeren Themen, geschmackvollen Texten, ansprechender Gestaltung und liebevollem Background postet, der hat nun wirklich keine Ahnung und muss aber sein beknacktes Halbwissen über unschuldige, begeisterte Autorinnen ausschütten, als hätte er/sie den ganzen Tag nichts anderes zu tun. Die eigentlichen Perlen dieser Seite sieht er/sie dabei natürlich nicht. Zum Thema Internetrecht: der Haftungshinweis wird zwar von vielen Seiten als überflüssig angesehen, wird aber trotzdem auf vielen, auch großen Zeitungsseiten wie der Frankfurter Rundschau (mit sicherlich großer juristischer Absicherung) eingesetzt. Dieses erscheint auch in Urteilen über Internetrecht sinnvoll (Oberlandesgericht Schleswig "Wortmarke 'Swabedoo'" (Aktenzeichen 6 U 51/00)) und wird dann auch als nützlich beschrieben.
    Fazit: kann man machen und kann vielleicht auch hilfreich sein, muss aber nicht.
    Aber das als "kein Funken Ahnung von Internetrecht" zu bezeichnen kann man getrost an den/die Autor/in des Platzverweises zurückgeben.

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