Das Projekt Spielfeldschnitte
Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)
Mittwoch, 29. September 2010
denk.anstoß: Alexandra Popp im Interview mit den 11 Freundinnen
Popp bleibt gegenüber dem ganzen Trubel bescheiden: »Da sind Birgit Prinz, Inka Grings, Anja Mittag und Martina Müller alle noch vor mir. Mir ist es wichtig, überhaupt in den Kader zu kommen.« erzählte sie Maike Schulz und Jens Kirschneck von der Redaktion der 5. Ausgabe der 11 Freundinnen. Dass sie die Aufmerksamkeit freut verheimlicht sie aber nicht:
»Wenn mir jemand erzählt, dass in Berlin oder Bayern ein Artikel über mich erschienen ist, frage ich mich schon, was ich eigentlich dafür gemacht habe. Aber es ehrt mich total.«
Alexandra Popp ist ohne Frage eine spannende Protagonistin der derzeitigen Spielzeit, gehört sie doch zu einer neuen Generation Spielerinnen, die, angefangen bei Kim Kulig, ein neues Bild des Frauenfußballs zeichnen. Das betrifft nicht nur die Konzentrationsstrategien vor dem Spiel (»Die jüngere Generation trällert und tanzt zur Musik in der Umkleidekabine gerne mal mit. Die Älteren sitzen auf ihrem Platz, schauen auf den Boden und konzentrieren sich so. Ich persönlich mache es mittlerweile teils, teils: Anfangs spacke ich noch mit rum, gegen Ende setze ich mich und gehe in mich.«), sondern auch vor allem die Darstellung und Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Die 11 Freundinnen setzen ihren Interview-Fokus wieder einmal auf eine Spielerin, die exemplarisch eine neue Windrichtung im und um den Frauenfußball vertritt.
Zusätzlich gibt es mal wieder spannende Themen, die den Frauenfußball sowohl in einen humorvollen, als auch in einen kritischen Blick nimmt: der Artikel "Kein Frauensport" erinnert an die Zeiten des Fußballverbots für Frauen, in der Serie "Mannschaftsbild" wird ein Team vorgestellt, in dem vorwiegend Lesben aktiv sind und die Reportage "Underdog Deluxe" berichtet von den Entwicklungen des Sports in der Türkei.
Auch wenn das Magazin immer noch die `kleine Schwester´ des 11 Freunde Magazin ist und von der Eigenständigkeit weit entfernt scheint, bildet es nach wie vor das anschaulichste und reflektierteste, was es derzeit auf dem Printmarkt zum Frauenfußball zu lesen gibt.
Donnerstag, 16. September 2010
Coaching Zone: Deutschland - Kanada
Was wir gesehen haben war ein Ergebnis, dass unter seinen Möglichkeiten ausfiel. Was wir hörten, waren 20 162 Zuschauer im Dresdner Stadion, die sich phasenweise mit unzähligen Laolas selbst unterhalten mussten. Und was wir jetzt schreiben ist mal wieder eine Coaching Zone, die eigentlich strotzen sollte voller Vorfreude und Es-nicht-mehr-erwarten-können, aber stattdessen schon etwas müde wirken wird, von den sich endlos anfühlenden müden Testpielen.
Im Mittelpunkt stand zunächst Inka Grings: zur Spielerin des Jahres geehrt, gebührte ihr neben den Blumen auf dem Feld auch ein kurzes Portrait in der Vorberichtserstattung. Den RedakteurInnen ist da nicht viel eingefallen, außer die "Geschichte der Dresdner Frauenkirche mit der Geschichte von Inka Grings" zu vergleichen. Der gesamte Beitrag zeugt davon, dass weder die JournalistInnen noch manche Spielerinnen der Nationalmannschaft schon genau wissen, wie sie mit der erstarkenden Öffentlichkeit um den Frauenfußball umgehen können. Grings stammelt sich was zusammen, in Konfrontation mit einem an den Haaren herbeigezogenen Vergleich. "Orts-gebunden". Wir nennen es: den Spielort vermarkten.
(Bei der Ehrung von Inka Grings gibt es noch einen Aufschrei, den wir hier nicht verheimlichen wollen: der Mann links von ihr, wer ist das überhaupt??, hat Inka Grings an den Hintern gefasst! was soll das!?? Dass manche Männer sich das immer so rausnehmen müssen! Vor allem ältere Männer!)
Weitere Kritik an der ARD und dem DFB werden wir jetzt erstmal hinten anstellen, ein kurzes Lob: Bernd Schmelzer als Kommentator, mehr davon! aber dann auch erstmal zum Spiel selbst.
Die erste Hälfte blieb seltsam steif. Nach dem 1:0 Foulelfmeter in der 2. Minute, den Inka Grings zur Feier ihres Tages sicher in der rechten Ecke versenkt, wurde der Ball viel in der Deutschen Hälfte hin und her gespielt. Mehrere Schüsse auf das kanadische Tor gingen weit vorbei. Die Torausbeute war mager. Kerstin Garefrekes ist ein gutes Beispiel für die Abschlussschwäche, ihre guten Schusspositionen vor dem Tor verdampften in der Luft. Es schien als stünde sich das deutsche Team im Abschluss zu oft selbst im Weg, denn die Kanadierinnen stellten eigentlich kein ernsthaftes Hinderniss dar. Es war eigentlich schon vor dem Spiel klar gewesen, dass Silvia Neid die Aufstellung wohl offen halten würde und viel probieren; ein Zustand, an den wir uns für die nächsten Monate schon im Voraus gewöhnt haben. Aber eine haben wir sehr vermisst in der ersten Hälfte: bei den Ecken von Fatmire Bajramaj wünschten wir uns Melanie Behringer her. Die kam dann auch in der zweiten Hälfte, doch zuerst hatte Bajramaj noch einen großen Auftritt: in der 53. Minute ging sie über die rechte Hälfte allein durch und schoß der Torwärtin mit etwas Glück durch die Beine ins Tor. In der 76. Minute spielte Melanie Behringer dann diese wunderschöne Flanke - bei deren Wiederholung wir dann wieder genau wussten, warum wir das Spiel extra aufgenommen hatten - mit viel Übersicht und die eingewechselte Alexandra Popp musste diese nur noch einnicken. Und auf einmal stimmt es irgendwie: Mittag spielte in der 78. einen knappen Rückpass auf Behringer, die schaffte ihren rechten Außenrist da noch irgendwie virtuos vor den Ball bevor es ihrer Gegenspielerin gelang und zwirbelte den Ball mit einer lässigen Leichtigkeit (so scheint es uns von außen) in die linke untere Ecke. Ganz klar: unser Liebingstor in diesem Spiel! Zu guter Letzt senkte Mbabi in der 83. Minute noch einen verkappten Torschuss oder eine zu weit geratene Flanke mit Hilfe der kanadischen Torfrau ins Netz. 5:0!
Das Ergebnis geht, wie so oft in den letzten Spielen des Nationalteams, nicht recht mit dem Spielverlauf einher. Da mag man noch so oft davon reden, dass bei all diesen Testspielen vor allem das Ergebnis zählt; es sind doch anscheinend nur Testpiele. Das zeigen auch Aufstellungs- und Wechselpolitik, dass spürt man an fehlendem Biss und Spirit.
Jetzt aber doch noch kurz zu den zwei kommentierenswerten Medienbeiträgen aus der Halbzeitpause:
Zunächst hat unser guter alter Freund und Interview-Stammgast Franz Beckenbauer sich (wohl beim Schampus trinken gestört) zu einer Bemerkung hinreißen lassen, die folgendermaßen klang: "Deswegen ist es wichtig sich von seiner schönen Seite zu zeigen, 2006 wie 2011." Was uns zu der Frage brachte, mit welcher Taktik wohl die Mediensprecher, die doch behaupteten sich nicht mit der WM 2006 vergleichen lassen zu wollen, hantieren, wenn sie dann auf solche Interviewbeitrag als einen der wenigen und deshalb Repräsentativen bauen?
Eine weitere Überraschung bildete der neue Spot der Frauen-Nationalmannschaft. Ein kecker Versuch Werbung zu machen für 2011 so scheint es. "Unsere Mannschaft steht für gelebte Integration.", sagt Silvia Neid in der Kabine. "Aber das kann ich beim besten Willen nicht machen." Zunächst ist es ja schön, so einen kraftvollen und souveränen Auftritt der Spielerinnen im Fernsehen zu sehen. Aber es scheint doch wie eine bittere Pille, dass sich der Spot damit begnügt, die erfahrene Ausgrenzung im Fußball durch die Männer jetzt aus der neuen (überlegenen?) Position heraus zurückzugeben. "Du darfst nicht mitspielen, Manuel." Das klingt erschreckend ähnlich zu den Tiraden, die sich fußballbegeisterte Mädchen jahrelang auf den landesweiten Bolzplätzen anhören mussten.
Nach dem Abend steht jedenfalls fest: es wird Zeit, dass die WM beginnt! Es reicht langsam mit den ellenlangen Testspielen, bei denen "das Ergebnis am Ende stimmt", und auch die Spiele gegen Brasilien und die USA haben die ersehnten Gefühle nicht hochleben lassen können. Vielleicht wird es ja beim nächsten Mal. Ansonsten heißt es nur warten, warten bis es eben heißt: Zweitausendelf!