Das Projekt Spielfeldschnitte

Pünktlich zur Fußball Europameisterschaft der Männer 2008 konnte man in Filialen einer großen deutschen Bäckereikette ein Kuchenstück erwerben, das sich als Alternative zu Bier in Plastikbechern verstand: ein Sahnetörtchen namens Spielfeldschnitte. Das Projekt Spielfeldschnitte nahm diese Beleidigung, diese Herausforderung und diesen Namen an. Seitdem verstehen wir uns als kreative und humorvolle Begleitung der deutschen Fußballnationalmannschaft und als längst fälligen Beitrag zu einer Frauenfußball-Kultur. Wir bieten nicht nur messerscharfe Analysen zu allen Länderspielen, wir sind die kulturwissenschaftliche Stimme in der Stille des Blätterwaldes, wir sind das Theater, das um den Frauenfußball aufzuführen ist, wir wollen die Welt verändern und schreiben darüber. „My (B)Log has something to tell you.“
(The Log Lady, Twin Peaks)

Montag, 21. Juni 2010

Im Abseits: Dominik Müller über Frauenfußball in Ghana

Derzeit schaut die Fußballwelt nach Afrika. In Südafrika messen sich die besten Männerteams der Welt. Über die Fußballstrukturen vor Ort erfährt man dabei so gut wie nichts, erst recht nicht über die des Frauenfußballs. Bevor Deutschland am Mittwoch gegen Ghana den Achtelfinaleinzug schaffen will, richten wir schon unseren Blick auf die ghanaische Frauenfußball-Szene. Dominik Müller trainiert die U17-Frauennationalmannschaft Ghanas, die sogenannten "Black Maidens". Wir sprachen mit ihm über Stellenwert und Zukunft des afrikanischen Frauenfußballs.



Spielfeldschnitte: Lieber Herr Müller, erzählen Sie uns doch kurz etwas über sich und was Sie in Ghana allgemein und speziell im Frauenfußball tun.

Dominik Müller: Ich bin seit Oktober 2007 in Ghana und hier noch bis April 2012 beruflich vor Ort. Meine Arbeit bei der deutschen Botschaft hier hat keinerlei Bezug zum Damenfußball.

Spielfeldschnitte: Haben Sie sich dafür entschieden spezifisch im Frauenfußball tätig zu werden, oder spielt die Unterscheidung Frauen- und Männerfußball für Sie keine Rolle?

Müller: Ich habe selbst 20 Jahre American Football in Deutschland gespielt (die meiste Zeit 1.Bundesliga) bzw. gecoacht und wollte diesen Sport hier einführen. Das hat aber nicht funktioniert, weil die zunächst ausgewählten Spieler Bedenken wegen möglicher Verletzungen und wegen der Kosten für die Ausrüstung hatten. So habe ich mich nach etwas Anderem umgesehen und die Spiele des African Cup of Nations im Januar 2008 verfolgt. Das hat mich Qualitätsmäßig nicht eben vom Hocker gerissen. Als dann nach dem Wettbewerb eine Kollegin der Botschaft meinte, auch die Damen Ghanas würden gut spielen, habe ich ein WM-Qualifikationsspiel der U-17 Nationalmannschaft Ghanas gegen Sambia angesehen.
Das war Liebe auf den ersten Blick. Traumhafte Kombinationen, schlafwandlerisch sichere Technik, da habe ich zwei Spielerinnen (Priscilla SAAHENE und Edem ATOVOR gleich meine Karte gegeben. Sie haben mich dann über die weiteren Spiele auf dem Laufenden gehalten und ich habe auch das Trainingscamp im Leistungszentrum Prampram (40km von Accra) besucht.
In der zweiten Qualifikationsrunde hatten die U-17er dann einen schlechten Start (2:3 in Nigeria) und standen nach einer völlig unverdienten Niederlage gegen Kamerun in Accra (1:2) mit dem Rücken zur Wand. Das hat mir sehr leid getan und ich habe den Cheftrainer Augustus Allotey ABRAHAMS gefragt, ob ich irgendwie helfen könne.
Er meinte, dass er niemanden für die Torhüterinnen habe und da habe ich zugesagt.
Ich muss dazu sagen dass ich als Vertreter der Bolzplatzgeneration und glühender Fan von Toni Schumacher und Oliver Kahn viel eigene und TV-Erfahrung besitze und viele Bewegungsabläufe und Reaktionsmuster dem American Football sehr ähnlich sind.
Dennoch war auch Coach Allotey anfangs überrascht, welche neuen Übungen bei mir im Programm sind. Zusätzlich habe ich mir beim FC05 Schweinfurt (Ex-1860 Keeper Norbert Kleider) und beim FC Nürnberg (Ex-Nationaltorhüter Polen Adam Matysek) Anschauungsunterricht geholt, als ich im August 2008 in Deutschland war.

Bei den Black Maidens (so heißt die U-17 in Ghana) tätig zu werden ging also fast automatisch, hervorgerufen durch die schöne Spielweise und den unglaublichen Teamgeist dieser Kleinsten der Nationalmädels. Männerfußball war nie ein Thema.

Ich bin dann mit den MAIDENS zu einem Trainingslager nach Deutschland und auch zur WM nach Neuseeland mitgefahren, wo wir in der schwersten Gruppe gegen den späteren Weltmeister Nordkorea 1:1 gespielt haben, Costa Rica 1:0 besiegt und gegen Deutschland nur 2:3 verloren haben, wobei wir fast noch ein 3:3 erreicht hätten. Leider reichte das nicht fürs weiterkommen aber die Maidens wurden in Ghana als Mannschaft des Jahres 2008 geehrt.
Ich habe dann 2009 die ghanaische Liga beobachtet und dafür gesorgt, dass zwei Spielerinnen der Black Queens, also der A-Nationalmannschaft Ghanas zumindest eine Saison bei Tennis Borussia Berlin in der 1. Bundesliga spielen konnten.

Spielfeldschnitte: Wie ist grundsätzlich der Stellenwert des Frauenfußballs in Ghana?